Anforderungen steigen enorm: Kommunen müssen Klimakonzepte auf den Weg bringen
LEER Energiebericht erstmals für 2022, Klimaschutzkonzept (bis Ende 2025), Wärmeplanung (bis Ende 2026) und Entsiegelungskataster (bis Ende 2028) – auf die Stadt Leer kommen viele neue Aufgaben zu. Vor allem angesichts der zu erwartenden Vorgaben für Privathaushalte ab 2024 keine Gasheizungen mehr einbauen zu dürfen, hat vor allem die kommunale Wärmeplanung – z.B. Tiefengeothermie, Wärmenetze, Wasserstoffnetze – eine ganz neue Bedeutung/ Dringlichkeit erfahren. Wie ist der Stand der Dinge in der Kreisstadt? Die Stadtverwaltung Leer antworte auf Fragen sehr umfangreich und allgemeingültig.
Wie weit ist die Stadt Leer bei der Umsetzung der durch das Gesetz definierten Anforderungen in den einzelnen Bereichen? Was wurde bisher gemacht, wann wird es wie vorwärts gehen?
Alle Fachbereiche und Fachdienste sind derzeit in der Diskussion und werden ihren gesetzlichen Ansprüchen gerecht werden.
Wie wird speziell das Thema kommunale Wärmeplanung angegangen? Sind Runde Tisch mit Versorgern, Vermietern und Verwaltung vorgesehen?
Mittel- und Oberzentren in Niedersachsen sind gemäß dem Klimaschutzgesetz daher bis zum Kalenderjahr 2026 zur Erstellung bzw. Weiterschreibung kommunaler Wärmepläne (KWP) verpflichtet. Eine Fortschreibung der KWP hat alle fünf Jahre zu erfolgen. Die Stadt Leer treibt den Klimaschutz im Wärmesektor voran und möchte zur Strukturierung und Flexibilisierung der Planung und Umsetzung der Energiewende alle Möglichkeiten nutzen. Sie misst dieser kommunalen Aufgabe auf Grund ihrer Bedeutung für Klimaschutz die höchste Priorität bei und möchte die Wärmeplanung so schnell wie möglich umsetzen. Daher ist die Verwaltung der Stadt Leer angehalten, interdisziplinär an diesem Projekt zu arbeiten und die Ziele für eine KWP auf unterschiedlichen Ebenen zu definieren. Die Verwaltung hat Kontakt zu vergleichbaren Kommunen in Niedersachsen aufgenommen und wird auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse entsprechend agieren. Die KWP ist ein technologieoffener, langfristiger und strategisch angelegter Prozess mit dem Ziel einer weitgehend klimaneutralen Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045. Sie ist als integraler und eigenständiger Teil der kommunalen Energieleitplanung zu verstehen und in der Regel bei der Stelle des Klimamanagers/der Klimamanagerin angesiedelt. Diese Stelle wird kurzfristig besetzt.
Grundsätzlich sollte die Wärmeplanung das gesamte Stadtgebiet umfassen und die privaten Wohngebäude, die kommunalen Liegenschaften und die gewerblichen Gebäude darstellen. Die KWP koordiniert im gesamten Stadtgebiet die Deckung der zukünftigen Wärmebedarfe durch vor Ort verfügbare und nachhaltige Wärmequellen. Darauf aufbauend werden auf Quartiersebene die technischen Entwicklungspfade und Versorgungskonzepte beschrieben. Somit bildet die kommunale Wärmeplanung die Grundlage für Detailplanungen zur Wärmeversorgung.
Die Wärmeplanung erfordert: eine Bestandsaufnahme als Überblick des heutigen und zukünftigen Wärmebedarfs der
Gebäude, Straßenzüge und Quartiere, der vorhandenen Energieinfrastrukturen, der nachhaltigen Wärmequellen, eine räumliche Prioritätensetzung, eine indikative Maßnahmenplanung
Die Wärmeplanung gliedert sich in folgende vier Hauptphasen:
1. Bestandsanalyse
Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs und der daraus resultierenden Treibhausgasemissionen für das Basisjahr, einschließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und den Baualtersklassen, der Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie Ermittlung der Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude. Erstellung einer Energie und Treibhausgasbilanz nach Energieträgern und Sektoren.
2. Potenzialanalyse
Ermittlung der Potenziale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie und öffentlichen Liegenschaften sowie Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärmepotenziale.
3. Entwicklung eines klimaneutralen Zielszenarios 2045
Entwicklung eines Szenarios für eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Dazu wird die Ausnutzung der in Phase 2 ermittelten Potenziale für Energieeinsparung und erneuerbare Energien in einer Energie- und Treibhausgasbilanz nach Sektoren und Energieträgern für die Jahre 2035 und 2045 dargestellt. Außerdem erfolgt eine räumlich aufgelöste Beschreibung der dafür benötigten zukünftigen Versorgungsstruktur im Jahr 2045 mit einem Zwischenziel für 2035. Insbesondere soll eine Einteilung in Eignungsgebiete für Wärmenetze und Einzelversorgung erfolgen.
4. Festlegung der kommunalen Wärmewendestrategie und des Maßnahmenkatalogs
Formulierung eines Transformationspfads zum Aufbau einer klimaneutralen Wärmeversorgung und Beschreibung der dafür erforderlichen Maßnahmen Die Maßnahmen sollen spezifisch auf unterschiedliche Eignungsgebiete und Quartiere eingehen. Insbesondere sollen der Pfad und der Endzustand der Infrastruktur für Wärme- und Gasnetze festgelegt werden. Prioritäre Maßnahmen zur Umsetzung in den nächsten fünf bis sieben Jahren sollen dabei möglichst detailliert beschrieben werden. Für mittel- und langfristige Maßnahmen sind ausführliche Skizzen ausreichend. Die Summe der beschriebenen Maßnahmen soll zu den erforderlichen Treibhausgasminderungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung führen.
Das NKlimaG verpflichtet die Netzbetreiber zur Weitergabe kritischer Infrastrukturdaten. Dies steht im Kontrast zu geltenden Datenschutzbestimmungen. Daher ist zu erwarten, dass bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.2024 nicht der gesamte Datenbestand abgefragt werden kann. Nach Gesprächen mit einigen Büros wird die erstmalige Erstellung des Konzeptes 60.000 bis 70.000 Euro in Anspruch nehmen. Derzeit werden seitens der Verwaltung die Grundlagen für eine Beauftragung der KWP erarbeitet, gesammelt und abgestimmt (z.B. Eruierung geeigneter Büros, Festlegung des Leistungsumfangs und Beschaffung der notwendigen Haushaltsmittel) sowie der Austausch mit anderen Kommunen gesucht. Im Anschluss wird ein Vergabeverfahren durchgeführt, eine Beteiligung der Gremien ist aufgrund der geschätzten Kosten zwingend und wird erfolgen.
Im Rahmen der Erstellung des KWP wird es diverse Möglichkeiten der Partizipation (Politik, Unternehmen, Bürger) geben (im Leistungsverzeichnis wird z.B. ein Kommunikationskonzept gefordert). Zur Zeit wird das Thema kommunale Wärmeplanung daher innerhalb der Verwaltung diskutiert. Die entsprechenden Grundlagen werden ermittelt, eine Ausschreibung wird bereits vorbereitet; so dass das Thema durch einen politischen Beschluss an ein fachlich versiertes Büro vergeben und von ihm begleitet werden, so dass auch die Öffentlichkeit mitgenommen wird.
Wie und ab wann wird die Stadt Leer die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen bei diesen Themen mitnehmen?
Im Rahmen der Grundlagenermittlung (zum Beispiel siehe oben) sowie auch im jeweiligen Planungsprozess zum Beispiel in einem Bauleitplanverfahren.
Welche Überlegungen gibt es, welche Partner (eigene Stadtwerke/EWE) einbezogen werden sollen bzw. konkrete Aufträge bekommen ?
Da es ein relativ neues Instrument ist, gibt es umfangreiche Überlegungen in alle Richtungen. Konkrete Aufträge bedürfen allerdings politischer Beschlüsse. Also vorbehaltlich der entsprechende Beschlüsse bei Auftragsvergaben sollen ggf. auch Aufträge an Externe vergeben werden.
Mit welchen zusätzlichen Kosten für die Erstellung und Fortschreibung der genannten Anforderungen des Gesetzes kalkuliert die Stadt? Ist vorgesehen, dafür neues Personal einzustellen oder mit Bordmitteln zu arbeiten?
Die Kosten können derzeit nicht beziffert werden. Über die Klimamanager-Stelle wird diese Aufgabe innerhalb der Verwaltung künftig gebündelt und koordiniert werden. Der Arbeitsaufwand (personell und finanziell) ist derzeit nicht abschätzbar, sollte zunächst mit Bordmitteln und vorhandenem Fachwissen der Verwaltung erfolgen und wird ggf. bei Bedarf auch weiteres Personal oder Aufträge an Dritte nach sich ziehen.
Abschließende Frage: Wie weit sind die Planungen für die klimaneutrale Ausgestaltung aller Bereiche der Stadt (Immobilien, Straßenbeleuchtung etc.) zwischenzeitlich vorangeschritten?
Beispiel KWL: Dort wird im Rahmen der Instandhaltung und Modernisierung geprüft, ob alternative Wärme- und Energielösungen möglich sind. So wurden zum Beispiel bei der Modernisierung Hermann-Lange-Ring/Wendekamp neben Wärmedämmungen und einem Fenstertausch auch Photovoltaik-Anlagen installiert. Bei den zukünftigen Neubauvorhaben Eichenweg, Logaer Weg und Okko-ten-Broek-Straße werden entsprechende Vorgaben des Klimaschutzes und des Gesetzes zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden berücksichtigt. Das bedeutet unter anderem, dass auf fossile Brennstoffe verzichtet wird und stattdessen alternative Wärmelösungen zum Einsatz kommen werden. Ähnlich ist es bei den Gebäuden der Stadt. Was Sanierungen betrifft, handelt es sich schon seit vielen Jahren um einen laufenden Prozess mit dem Ziel, Energie einzusparen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Entsprechend der vorhandenen Mittel wird dieser Prozess, dem energetische Sanierungskonzepte zugrunde liegen, vorangetrieben. So werden gezielt Einzelmaßnahmen in den Altbauten umgesetzt – zum Beispiel, was die Dächer, die Heizungsanlagen und die Fenster betrifft. Dabei werden die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und die Anforderungen mit der Zielsetzung der klimaneutralen Bewirtschaftung der kommunalen Gebäude berücksichtigt. Alle Neubauten werden bereits nach den geltenden Vorgaben konzipiert. Ein Beispiel ist die neue Kindertagesstätte am Niedersachsenring. Dort kommen keine fossilen Brennstoffe zum Einsatz. Stattdessen ist dort eine Luftwärmepumpe in Kombination mit Photovoltaik installiert worden. Es geht allerdings nicht nur um Energieeffizienz, sondern auch um nachhaltiges Bauen und um den Einsatz nachhaltiger Baustoffe. Am Niedersachsenring ist das Gebäude in einer Holzrahmenbauweise entstanden. In diesem Zusammenhang: Alle diese Vorgaben werden natürlich auch bei unserer Schulbauoffensive – sei es in Sachen Neubau oder in Sachen Sanierung – eine wichtige Rolle spielen.
Ein weiteres Thema ist die Stadtentwässerung. Nur kurz: Hier werden wir in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken neue Wege gehen. Ein Beispiel: Es wird mehr darum gehen, Regenwasser nicht mehr in die Kanäle abzugeben, sondern ortsnah auf dem Gelände der Gebäude zu speichern oder versickern zu lassen. Entsprechende Planungen gibt es zum Teil für unsere Schulen. Hierbei handelt es sich um proaktive Vorhaben mit Blick auf Extremwetterereignisse.
Abschließend zur Straßenbeleuchtung in Leer: Auch da gibt es seit Langem einen laufenden Prozess, in dem alte Beleuchtungen durch eine energiesparende LED-Beleuchtung ersetzt werden. Wenn neue Straßen entstehen, wird ausschließlich auf LED-Technik gesetzt. Zudem werden kaputte Lampen im Bestand natürlich nach und nach durch LED ersetzt.
Lesen Sie dazu auch die aktuelle Kolumne „Zu späte kommunale Werbeplanung lässt Hauseigentümer im Regen stehen“.