Wissen Sie, was einer der schönsten Momente nach einer Berichterstattung ist? Wenn das Telefon klingelt und am anderen Ende jemand laut und energisch lospoltert. Dann wissen sie als Autor eines Textes, dass sie nicht viel falsch gemacht haben können…
Besonders aufschlussreich ist es, wenn das Telefon bereits morgens in aller Frühe um kurz vor 7 Uhr klingelt (ja, es gab Zeiten, da habe ich so früh am Schreibtisch gesessen, denn auch bei den Behörden in den neuen Bundesländern war die Kernarbeitszeit oft 6.15 bis 15.15 Uhr). Ich erinnere mich an den Anruf des damaligen Landrates von Wolgast – ein „Westimport“. Ich hatte über den Baubeginn eines Yachthafens in einem Naturschutzgebiet am Achterwasser geschrieben und herausgefunden, dass dieser Landrat über Familienmitglieder Gesellschafter des Hafens ist. Das war ja noch nicht dramatisch, aber: Der Bau des Hafens in dem geschützten Areal wurde gestartet ohne dass eine offizielle Baugenehmigung vorlag. Man hatte zwar eine schifffahrtsrechtliche Zustimmung, aber die reichte natürlich nicht aus, um in dem schönen Gebiet die Bagger und mehr anrollen zu lassen. Natürlich kam Freude auf, als die Hintergründe kurz nach der Grundsteinlegung mit Publikum öffentlich wurden…
Als ich also diesen tobenden, schimpfenden Landrat (er war nicht der einzige in über 30 Jahren, mit dem ich diese Erfahrung machte) an der Strippe hatte, erinnerte ich mich an an eine Situation einige Jahre zuvor. Ich saß nehmen meinem Ausbilder und Chef, bei dem das Telefon klingelte und das gesamte Büro mithörte, wer da gerade am anderen Ende etwa herumzubrüllen hatte. Und was macht mein Chef? Er legt den Hörer zur Seite und flüstert mir zu, ich solle genau aufpassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt die Stimme aus dem Hörer zum Schweigen. Und was macht mein Chef? Er nimmt den Hörer und sagt nur ganz trocken: Sind Sie jetzt fertig? Kaum ausgesprochen, legt er den Hörer wieder zur Seite, weil das unflätige Gebrülle wieder von vorne los geht. Das Spiel wiederholt sich. Irgendwann ist es dann ruhig und so langsam kommt es zu einem Gespräch. Wenig später wird gemeinsam Kaffee getrunken und die Folgegeschichte „steht“. Beim nächsten brisanten Thema hat dieser „Austausch“ dann weder auf die Art der Berichterstattung noch auf die Reaktionsmechanismen Auswirkung gehabt. Meine Schlussfolgerung: Solange „gebrüllt“ wird, ist alles gut. Das bietet Perspektiven. Auf jeden Fall besser, als wenn unangenehme Post von einem Anwalt kommt. Das aber habe ich weder in der Zeit der Zusammenarbeit mit meinem Ausbilder noch in meinen vielen Jahren der Schreiberei erlebt…
Ach ja, die Geschichte mit dem Yachthafen hat übrigens ein ungewöhnliches Ende gefunden. Der Hafen ist gebaut worden und bis heute in Betrieb. Die offizielle Begründung höherer Stellen als der Landkreis (in diesem Fall die Kommunalaufsicht des Landes), warum es keinen Baustopp geben konnte, ist für mich bis heute ein Witz. Denn: Der Kreis konnte den Bau nicht stoppen, da er dann schadenersatzpflichtig gegenüber dem Investor geworden wäre. Die Chance, dass es für den Kreis hätte teuer werden können, wurde als hoch eingestuft. Warum? Der Baubeginn fand ja unter Beteiligung des Landrates statt, der vor Ort – wie die Berichterstattungen belegten – bei der Grundsteinlegung war. Damit hatte er Kenntnis von dem Baubeginn und hat nicht sofort reagiert… Später dann hat dieser Landrat zu einem Pressegespräch eingeladen und informiert, dass seine Frau nicht mehr Gesellschafterin sei. Er zeigt über den Tisch die offizielle Bestätigung des zuständigen Amtsgerichts. Als ich ihn bitte, mir das Schreiben zum Lesen zu geben, lehnt er das jedoch ab. Die weiteren Recherchen einige Wochen später ergeben, dass der Eintrag im Handelsregister unverändert war. Politiker und Naturschutzverbände hat das Thema nicht weiter interessiert (warum auch immer) und außer dem Journalisten hat keiner irgendeine Nachfrage gestellt. Wie die Gesellschafterstruktur des Hafens heute ist? Keine Ahnung. Es ist fast 30 Jahre her und damals führte mich kurz nach dem Mediengespräch mein Journalistenleben weiter gen Berlin und Rostock…
Symbolfoto: Roman Sak, pexels