Die WhatsApp-Falle

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Von Holger Hartwig*

Mal ehrlich: Wieviel WhatsApp-Nachrichten schreiben Sie am Tag? 5,10, 50 oder gar 100? Tendenziell dürften es in den vergangenen Jahren immer mehr geworden sein. Für jeden Handy-Nutzer ist diese Messenger-Möglichkeit zum perfekten Kommunikationswerkzeug für „mal eben auf die Schnelle“ geworden. Aber: Wie oft ist bei Ihnen diese Form der Kommunikation in die Hose gegangen? Wie oft hat es Streit und Ärger gegeben? Oder wie oft haben Sie sich gewundert, dass sich Menschen – unerklärlicherweise – anders verhalten haben?

Zu Stress wegen einer schnell mal getippten oder geschriebenen Messenger-Nachricht kann es schnell kommen. Warum? Diese Kommunikation ist auf die gewählten Buchstaben reduziert. Dabei ist das gewählte Wort – so haben Statistiker ermittelt – nur der kleinste Teil der Kommunikation, die zwischen Menschen stattfindet. Wenn wir miteinander Auge in Auge reden, dann macht die Wahl der gewählten Worte für den Inhalt, der bei dem anderen ankommt, lediglich 7 Prozent (!) aus. Das, was der andere hört, aufnimmt und emotional verarbeitet basiert zu 55 Prozent auf nonverbaler Kommunikation, d.h. Körperhaltung, Gestik und Augenkontakt. Weitere 38 Prozent der Kommunikation macht die so genannte paraverbale Kommunikation aus, d.h. Stimmlage, Tempo und Lautstärke. Und bei Whats-App ist der Wegfall der non- und paraverbalen Anteile die große Falle…

Nun gut, geschrieben statt gesprochen wurde schon vor Jahrhunderten, werden Sie zurecht feststellen. Nur: Während in der Menschheit über die Formulierungen in Schriften und Bücher, aber auch in einem Brief teilweise sehr lange nachgedacht wird, ist die Messenger-Kommunikation meist sekundenschnell. Sie ist am ehesten vielleicht mit einem schnellen Dialog an der Kneipentheke zu vergleichen. Auf die gewählten Wörter wird nicht viel Zeit verwandt. Der, der dann die Nachricht liest (manchmal ist es ja auch nur eine sehr interpretationfähige Aneinanderreihung von Emojis, dieser wundersamen kleinen Grafiken), hat allerdings alle Zeit der Welt, die „Botschaft“ zu interpretieren. Was dabei herauskommt? Oft der größtmögliche zwischenmenschliche „Salat“, bei dem es viel Zeit braucht, Fehlinterpretationen aus dem Weg zu räumen. Wer einmal versucht hat, den Konflikt ebenfalls über Whats-App aufzulösen, der wird es übrigens nie wieder versuchen. Das direkte Gespräch, die persönliche Begegnung sind der Schlüssel zum Erfolg.

So schön also die technische Errungenschaft der nonverbalen Kommunikation über das Handy ist: Wer mit anderen Menschen zurechtkommen möchte, der sollte immer daran denken, was für welche Botschaft der richtige Ort und Weg ist. Ansonsten droht bei noch so gut gemeinten Absichten die „WhatsApp“-Falle, die mehr durcheinanderbringt, als sie an zeitlichem Vorteilen und Bequemlichkeit mit sich bringt.

* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.

Holger HartwigDie WhatsApp-Falle