„Was wir bei der Lebenshilfe erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Erwin Koops, Geschäftsführer der Lebenshilfe Leer

LEER Vor fast genau vier Jahren hat er bei der Lebenshilfe Leer e.V. die Verantwortung als Geschäftsführer übernommen: Erwin Koops. In der  Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht der 51-Jährige, der zuvor viele Jahre bei einer örtlichen Bank in verantwortlicher Funktion gearbeitet hat, über die Besonderheiten der Aufgabe bei der Lebenshilfe und seine beeindruckenden Momente mit den Menschen mit Handicap. Weitere Themen sind die finanziellen Herausforderungen der Lebenshilfe, die Überlegungen für eine neue Rechtsform, die Bedeutung der Weihnachtsverlosung in Leer. Zudem verrät der gelernte Sparkassenkaufmann, wann er das letzte Mal „geschmurgelt“ hat und spricht über sein Lebensmotto.

In den fast vier Jahren als Geschäftsführer hat mich am meisten überrascht …

… zu Beginn, dass ich nicht einmal die berühmten ersten 100 Tagen hatte, um in der neuen Aufgabe anzukommen. Die Corona-Pandemie hat uns – wie auch alle anderen stark gefordert. Überrascht hat mich dabei, wie hoch die Solidarität aller Mitarbeitenden bei der Lebenshilfe war und ist. Jeder hat mitgeholfen, diese Zeit bestmöglich zu gestalten, jeder hat sich über seinen Arbeitsbereich hinaus eingebracht. Dafür bin ich sehr dankbar. Diese Zeit hat uns alle sehr stark zusammengeschweißt und ich war mittendrin.

Ich würde diese Aufgabe immer wieder übernehmen, weil…

… ich extrem von dem Miteinander mit den Menschen mit Behinderung beeindruckt bin. Ich nehme wahr, dass diese Menschen ehrlich, direkt und auch dankbar sind. Ansonsten erlebt jeder en wir Tag für Tag, dass 98 Prozent der Mitmenschen in Ordnung und der Rest – salopp formuliert – „Lümmels“ sind. Das erlebe ich im Alltag mit den Menschen mit Handicaps so nicht.

Die größte Herausforderung in den kommenden Jahren ist für die Lebenshilfe…

… die Finanzierung der steigenden Energie-, Lebensmittel- und Lohnkosten. Die Refinanzierung über die staatlichen Mittel – vorrangig Eingliederungshilfen – wird immer schwieriger. Wir müssen da klar feststellen: Wir benötigen zügig Anpassungen.

Meine Aufgabe als Geschäftsführer unterscheidet sich von meiner Arbeit als Geschäftskundenleiter einer Bank am meisten durch…

… den Umstand, dass ich mit viel mehr Menschen Kontakt habe, andere Themen im Vordergrund stehen und ich viel stärker in Verbandsarbeit oder bei repräsentativen Terminen eingebunden bin. Das hatte ich so nicht wirklich erwartet.

Aus meiner Zeit bei der Bank habe ich für die Lebenshilfe vor allem einbringen können, dass…

… wir uns auf den Weg machen, in der Organisation vieles besser zu dokumentieren und in eine Struktur zu bringen. Ich betrachte Sachverhalte sachlich und nicht persönlich. Lernen musste ich, etwas geduldiger zu sein, denn die Diskussionsfreudigkeit kannte ich so nicht (schmunzelt).

Die Rechtsform der Lebenshilfe als eingetragener Verein ist …

… aktuell nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung in der Überprüfung. Wir prüfen, ob sie noch zeitgemäß und optimal ist, um die Versorgung der Menschen in der Region sicherzustellen, die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden zu erhalten und das Vermögen, dass die Lebenshilfe sich geschaffen hat, vor Risiken – wenn es dann einmal welche geben sollte – zu schützen. Wir werden sehen, was bei der Prüfung herauskommt.

Die Produkte, die die Werkstätten der Lebenshilfe erbringen, werden auf dem Markt im Vergleich zu preiswert angeboten werden, weil …

Wir versuchen, die Leistungen unsere Mitarbeitenden in den Werkstätten marktgerecht zu verkaufen. Das ist unser Ziel, denn das, was wir erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die bei uns in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden. Wir sind verpflichtet, mindestens 70 Prozent als Lohn an die Menschen mit Behinderungen zahlen und können 30 Prozent als Rücklage halten. In der Corona-Phase konnten wir dank dieser Rücklagen erreichen, dass es keine Lohnkürzungen für die Menschen mit Behinderungen gab.

Plattdeutsch ist für mich bei der Lebenshilfe…

… die Sprache im Alltag. Platt ist ein Teil meines Lebens, ich spreche es gerne und jederzeit, wo es im Miteinander passt.

Von unseren Menschen mit Einschränkungen habe ich gelernt, dass…

… es wichtigeres gibt als Geld und Ansehen,

Die Weihnachtsverlosung der Kaufmannschaft in der Stadt Leer ist für die Lebenshilfe …

… ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, für die Menschen Maßnahmen und Freizeitangebote zu realisieren, die sonst nicht möglich wären. Das reicht von Ausflügen über die Anschaffung von Lastenrädern. Wir sind sehr dankbar, dass sich jedes Jahr viele Menschen für den Kauf der Lose entscheiden – und vor allem wissen wir es sehr zu schätzen, dass sich ehrenamtlich so viele Menschen als Losverkäufer zur Verfügung stellen.

Für die Inklusion behinderter Menschen in der Stadt und dem Kreis Leer wäre es gut, wenn…

… wir an öffentlichen Stellen, beispielsweise Bushaltestellen oder Sanitäreinrichtungen, eine einheitliche und damit verständliche grafische Kommunikation hätten.

Das Bundesfreiwilligenjahr ist für die Lebenshilfe …

… eine wichtige Möglichkeit, um junge Menschen für die Arbeit mit Menschen mit Einschränkungen zu begeistern.

Die Mitgliederentwicklung des Vereins ist…

…  leider aktuell rückgängig, insbesondere weil wir die kostenlose Familienmitgliedschaft abgeschafft haben. Wir wollen, wenn unsere Lebenshilfe im kommenden Jahr 60 Jahre als wird, eine Kampagne für die Mitgliederwerbung starten.

60 Jahre Lebenshilfe Leer werden wir nutzen, um…

… ein großes inklusives Fest zu feiern.

Mein Lebensmotto ist…

… Lachen ist die halbe Medizin.

Meine Posaune ist…

… das Instrument, das mir viel Stress „wegzaubert“.

Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

Ich lüge nicht. Ich „schmurgel“ wohl mal, wie es auf Plattdeutsch heißt. Zuletzt ging es um ein Geschenk für meine Frau.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Desinteresse.

Ich kann mich so richtig freuen über …

… ein lustiges Missgeschick, dass mir selber passiert

Kraft tanke ich, wenn …

… ich an der Ems auf dem Deich stehe.

Ich sollte mal wieder…

anfangen, für den Ossi-Loop zu trainieren.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler wäre, dann würde ich als erstes….

… die Zahl der Abgeordneten im Bundestag halbieren.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir …

… Gesundheit, dass keine Kriege mehr geführt werden und dass die Grundaggressivität, die ich in unserer Gesellschaft wahrnehme, wieder zurückgeht,

 

Seit vier Jahren führt er die Geschäfte des Lebenshilfe Leer e.V.: Erwin Koops.

Foto: Privat

 

Holger Hartwig„Was wir bei der Lebenshilfe erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden“

„Was wir bei der Lebenshilfe erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden“

„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Erwin Koops, Geschäftsführer der Lebenshilfe Leer

LEER Vor fast genau vier Jahren hat er bei der Lebenshilfe Leer e.V. die Verantwortung als Geschäftsführer übernommen: Erwin Koops. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht der 51-Jährige, der zuvor viele Jahre bei einer örtlichen Bank in verantwortlicher Funktion gearbeitet hat, über die Besonderheiten der Aufgabe bei der Lebenshilfe und seine beeindruckenden Momente mit den Menschen mit Handicap. Weitere Themen sind die finanziellen Herausforderungen der Lebenshilfe, die Überlegungen für eine neue Rechtsform, die Bedeutung der Weihnachtsverlosung in Leer. Zudem verrät der gelernte Sparkassenkaufmann, wann er das letzte Mal „geschmurgelt“ hat und spricht über sein Lebensmotto.

In den fast vier Jahren als Geschäftsführer hat mich am meisten überrascht …

… zu Beginn, dass ich nicht einmal die berühmten ersten 100 Tagen hatte, um in der neuen Aufgabe anzukommen. Die Corona-Pandemie hat uns – wie auch alle anderen stark gefordert. Überrascht hat mich dabei, wie hoch die Solidarität aller Mitarbeitenden bei der Lebenshilfe war und ist. Jeder hat mitgeholfen, diese Zeit bestmöglich zu gestalten, jeder hat sich über seinen Arbeitsbereich hinaus eingebracht. Dafür bin ich sehr dankbar. Diese Zeit hat uns alle sehr stark zusammengeschweißt und ich war mittendrin.

Ich würde diese Aufgabe immer wieder übernehmen, weil…

… ich extrem von dem Miteinander mit den Menschen mit Behinderung beeindruckt bin. Ich nehme wahr, dass diese Menschen ehrlich, direkt und auch dankbar sind. Ansonsten erlebt jeder en wir Tag für Tag, dass 98 Prozent der Mitmenschen in Ordnung und der Rest – salopp formuliert – „Lümmels“ sind. Das erlebe ich im Alltag mit den Menschen mit Handicaps so nicht.

Die größte Herausforderung in den kommenden Jahren ist für die Lebenshilfe…

… die Finanzierung der steigenden Energie-, Lebensmittel- und Lohnkosten. Die Refinanzierung über die staatlichen Mittel – vorrangig Eingliederungshilfen – wird immer schwieriger. Wir müssen da klar feststellen: Wir benötigen zügig Anpassungen.

Meine Aufgabe als Geschäftsführer unterscheidet sich von meiner Arbeit als Geschäftskundenleiter einer Bank am meisten durch…

… den Umstand, dass ich mit viel mehr Menschen Kontakt habe, andere Themen im Vordergrund stehen und ich viel stärker in Verbandsarbeit oder bei repräsentativen Terminen eingebunden bin. Das hatte ich so nicht wirklich erwartet.

Aus meiner Zeit bei der Bank habe ich für die Lebenshilfe vor allem einbringen können, dass…

… wir uns auf den Weg machen, in der Organisation vieles besser zu dokumentieren und in eine Struktur zu bringen. Ich betrachte Sachverhalte sachlich und nicht persönlich. Lernen musste ich, etwas geduldiger zu sein, denn die Diskussionsfreudigkeit kannte ich so nicht (schmunzelt).

Die Rechtsform der Lebenshilfe als eingetragener Verein ist …

… aktuell nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung in der Überprüfung. Wir prüfen, ob sie noch zeitgemäß und optimal ist, um die Versorgung der Menschen in der Region sicherzustellen, die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden zu erhalten und das Vermögen, dass die Lebenshilfe sich geschaffen hat, vor Risiken – wenn es dann einmal welche geben sollte – zu schützen. Wir werden sehen, was bei der Prüfung herauskommt.

Die Produkte, die die Werkstätten der Lebenshilfe erbringen, werden auf dem Markt im Vergleich zu preiswert angeboten werden, weil …

Wir versuchen, die Leistungen unsere Mitarbeitenden in den Werkstätten marktgerecht zu verkaufen. Das ist unser Ziel, denn das, was wir erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die bei uns in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden. Wir sind verpflichtet, mindestens 70 Prozent als Lohn an die Menschen mit Behinderungen zahlen und können 30 Prozent als Rücklage halten. In der Corona-Phase konnten wir dank dieser Rücklagen erreichen, dass es keine Lohnkürzungen für die Menschen mit Behinderungen gab.

Plattdeutsch ist für mich bei der Lebenshilfe…

… die Sprache im Alltag. Platt ist ein Teil meines Lebens, ich spreche es gerne und jederzeit, wo es im Miteinander passt.

Von unseren Menschen mit Einschränkungen habe ich gelernt, dass…

… es wichtigeres gibt als Geld und Ansehen,

Die Weihnachtsverlosung der Kaufmannschaft in der Stadt Leer ist für die Lebenshilfe …

… ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, für die Menschen Maßnahmen und Freizeitangebote zu realisieren, die sonst nicht möglich wären. Das reicht von Ausflügen über die Anschaffung von Lastenrädern. Wir sind sehr dankbar, dass sich jedes Jahr viele Menschen für den Kauf der Lose entscheiden – und vor allem wissen wir es sehr zu schätzen, dass sich ehrenamtlich so viele Menschen als Losverkäufer zur Verfügung stellen.

Für die Inklusion behinderter Menschen in der Stadt und dem Kreis Leer wäre es gut, wenn…

… wir an öffentlichen Stellen, beispielsweise Bushaltestellen oder Sanitäreinrichtungen, eine einheitliche und damit verständliche grafische Kommunikation hätten.

Das Bundesfreiwilligenjahr ist für die Lebenshilfe …

… eine wichtige Möglichkeit, um junge Menschen für die Arbeit mit Menschen mit Einschränkungen zu begeistern.

Die Mitgliederentwicklung des Vereins ist…

…  leider aktuell rückgängig, insbesondere weil wir die kostenlose Familienmitgliedschaft abgeschafft haben. Wir wollen, wenn unsere Lebenshilfe im kommenden Jahr 60 Jahre als wird, eine Kampagne für die Mitgliederwerbung starten.

60 Jahre Lebenshilfe Leer werden wir nutzen, um…

… ein großes inklusives Fest zu feiern.

Mein Lebensmotto ist…

… Lachen ist die halbe Medizin.

Meine Posaune ist…

… das Instrument, das mir viel Stress „wegzaubert“.

Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

Ich lüge nicht. Ich „schmurgel“ wohl mal, wie es auf Plattdeutsch heißt. Zuletzt ging es um ein Geschenk für meine Frau.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Desinteresse.

Ich kann mich so richtig freuen über …

… ein lustiges Missgeschick, dass mir selber passiert

Kraft tanke ich, wenn …

… ich an der Ems auf dem Deich stehe.

Ich sollte mal wieder…

anfangen, für den Ossi-Loop zu trainieren.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler wäre, dann würde ich als erstes….

… die Zahl der Abgeordneten im Bundestag halbieren.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir …

… Gesundheit, dass keine Kriege mehr geführt werden und dass die Grundaggressivität, die ich in unserer Gesellschaft wahrnehme, wieder zurückgeht,

Seit vier Jahren führt er die Geschäfte des Lebenshilfe Leer e.V.: Erwin Koops.

Foto: Privat

 

Holger Hartwig„Was wir bei der Lebenshilfe erwirtschaften, muss 1:1 an die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, weitergegeben werden“