„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Anna Fennen, Vorsitzende des Vereins zur Hilfe leukämiekranker Kinder
RHAUDERFEHN Als sie gemeinsam mit acht weiteren Frauen vor 27 Jahren zusammensaß und entschied, mitzuhelfen, um für ein an Blutkrebs erkranktes Kind einen Stammzellenspender zu finden, konnte sie nicht im Ansatz erahnen, wie sich dieses Engagement entwickelt. Heute ist Anna Fennen seit mittlerweile 15 Jahren Vorsitzende des Vereins zur Hilfe leukämiekranker Kinder (LEUKIN). In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht die 72-Jährige, die als Künstlerin Gemälde und Skulpturen in Deutschland und in Nachbarländern ausstellt, über die Arbeit des Vereins, über emotionale Momente, Herausforderungen der Zukunft, das Verhalten der Krankenkassen und was sie als erstes machen würde, wenn sie Bundeskanzlerin wäre.
„Mach mit, rette leben – das steht für mich für…
… für eine meiner Lebensaufgaben. Ich möchte daran mitwirken, dass sich immer mehr Menschen als potenzielle Stammzellenspender typisieren lassen und dadurch mehr erkrankten Menschen geholfen werden kann. Vor 27 Jahren hatte ich selbst einen langen Krankenhausaufenthalt in Münster hinter mir, als wir mit unserer Frauengruppe von der Erkrankung eines Kindes im Umfeld hörten. Da war uns klar: Wir müssen etwas machen. Bis heute ist unser Verein zum festen Lebensbegleiter geworden.
Die größte Herausforderung als Vorsitzende ist …
… natürlich mit viel Feingefühl die ehrenamtlich engagierten Menschen „zusammen zu halten“, sich bei den Patientengesprächen zu engagieren und immer wieder Wege zu finden, dass wir gemeinsam das Geld einsammeln, was wir für Typisierungen benötigen, die derzeit etwa pro Stück 40 Euro kosten. Zudem lebe ich vor, dass es dazu gehört, mit den Schicksalen der Kranken mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden. Wir Helfer brauchen ja die Kraft, um uns weiter zu engagieren.
Mein bewegendster Moment bei LEUKIN war…
Da gibt es nicht den einen Moment. Es sind die vielen Gespräche und die Momente, wenn ich die Nachricht erhalte, dass für einen erkrankten Menschen ein Spender gefunden wurde. Ich erlebe sehr viel. So ist mir die Situation mit einer Mutter, deren transplantiertes Kind dann doch verstorben ist, in Erinnerung. Sie sagte damals: „Meine Tochter hat umsonst gelebt, sie ist nur zehn Jahre geworden.“ Ich habe ihr widersprochen, denn sie hat mit der Aktion zur Typisierung dafür gesorgt, dass 16 andere Menschen Hoffnung auf neues Leben bekommen haben. Zu der Mutter sagte ich: „Gehe an das Grab deiner Tochter und danke ihr, dass durch sie so viele Menschen Hoffnung auf Hilfe bekommen haben.“ Die Mutter kam dann später zu mir, dankte mir und sagte, dass ihr unser Gespräch viel Kraft und neuen Mut gegeben hat.
Wenn wir wissen, dass eine Transplantation ansteht, dann…
… zünden an diesem Tag alle etwa 150 Helferinnen und Helfer unseres Vereins jeder eine Kerze an, die von morgens bis abends brennen. Diese Kerzen sind ein Zeichen, wie sehr wir uns alle unserer Aufgabe verbunden fühlen.
Wenn ich daran denke, dass alle zwölf Minuten in Deutschland ein Mensch die Diagnose Blutkrebs erhält, dann…
… denke ich: Es könnte mich auch treffen. Deshalb möchte ich im Vorfeld alles tun, dass dann ein Spender vorhanden ist. Jeder sollte sich typisieren lassen, denn niemand weiß, wer die Krankheit als nächstes bekommt.
Wenn ich daran denke, dass 1996 nur acht Frauen helfen wollten, und sehe was daraus wurde, dann…
… freue ich mich jedes Mal, dass wir nun so viele geworden sind. Wir hatten das so eigentlich nie erwartet, wir hatten keine Vorstellung davon, dass es einmal mehr als 150 Helferinnen und Helfer werden. Wir haben uns aus dem Augenblick heraus engagiert und dann immer weitergemacht. Wir konnten nicht erahnen, wieviel Kraft in den ganzen Jahren benötigt wird bis heute. Wir machen fast jeden Tag eine Aktion und sehr viele Menschen machen auf die unterschiedlichste Weise mit.
Schülerprojekte sind für uns…
… sehr wertvoll, weil bei den jungen Menschen viel Wissen ankommt und sie stets bereit sind, sich zu engagieren. Sie haben viele Ideen und erleben, wie sie etwas bewegen können. Das zu erleben, gibt wiederum auch uns Kraft, weiterzumachen.
Über 1.000 LebensretterInnen zu kennen, hat …
… als Zahl allein für mich keine Bedeutung. Ich stelle mir die 1.000 nicht als eine Zahl vor, sondern habe ein Bild vor Augen, wie all diese Menschen mit ihren Partnern, Kindern und Familien in eine Gruppe zusammenstehen. Ich sehe dann das Glück und die Zufriedenheit all dieser Menschen und bekomme Gänsehaut. Das bewegt mich sehr.
Mit Familien zu tun zu haben, die mit dieser schweren Erkrankung zu tun haben, ist manchmal…
… nicht einfach, weil sie so emotional in den Gesprächen reagieren. Es ist meist die erste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie wieder Mut fassen, und durch ihr Handeln aus einer Starre herauskommen. Wir sagen dann: Wir packen es an, und geben so dem erkrankten Menschen und der Familie etwas Licht und Hoffnung.
Wer Angst vor einer Typisierung hat, dem antworte ich, dass …
… das nun wirklich nichts ist, wovor man Angst haben müsste. Die Typisierung allein verpflichtet nicht automatisch zu einer Stammzellenspende.
Stammzellen zu spenden, ist …
… einfach. Wenn man Spender sein kann, dann ist die Aufklärung und die freie Entscheidung sehr wichtig. Es funktioniert wie eine Dialyse und weder schwierig noch riskant.
Anonymität bei der Spende ist…
… ein wichtiger Punkt. Erst nach zwei Jahren werden – wenn es von beiden Seiten gewünscht wird – die Kontaktdaten von Spender und Empfänger herausgegeben. So soll eine zu enge Verbindung verhindert werden, denn es gibt auch die Möglichkeit, dass die Stammzellen abgestoßen werden. Allerdings: Wenn es die Betroffenen wollen, können sie sich anonym schreiben.
Unsere über 100 Service-Points sind…
… unsere kleinen Filialen.
Mitglied bei uns zu werden, ist …
… nicht teuer – mit zwölf Euro im Jahr ist man dabei.
Wer sich als Helfer engagieren will, der …
… meldet sich über unsere Internetseite oder kommt zur nächsten Aktion. Wir freuen uns über jede helfende Hand.
Von den Kranken- und Pflegekassen würde ich mir wünschen, dass
… entschieden wird, die Kosten für die Typisierung zu übernehmen. Das würde vieles vereinfachen und auch hohe Folgekosten bei Behandlungen reduzieren. Die Kassen wollen es nicht, mit der Begründung, dass sie nicht wissen, wo der Patient versichert ist. Bürokratie an dieser Stelle ist schwierig. Wir können zum Mond fliegen, aber Kosten-Übernahme einer Typisierung soll wegen Daten und Zuständigkeiten nicht möglich sein? Ich werde das so nie akzeptieren können.
Das Schlager-Festival der Herzen im Oktober ist…
… jedes Jahr eine Besonderheit. Wir sind dem Organisator und den Künstlern für ihr Engagement – sie bekommen keine Gage – sehr dankbar. Es ist immer ein sehr emotionaler Abend.
Meine Kunst ist …
… mein Lebenselixier. Sie bringt mir Entspannung, ich tauche in mich selbst ein, sie ist Ausdruck meiner Seele.
Mein Lebensmotto ist…
Helfen ist das Schönste, was es gibt.
Mein Lieblingsplatz im Kreis Leer ist…
… mein Zuhause.
Ich habe das letzte Mal gelogen, als…
… es vielleicht notwendig war.
Ich kann mich so richtig aufregen über…
… (lacht) manchmal über Kleinigkeiten. Aber ich rege mich auch genauso schnell wieder ab.
Ich kann mich so richtig freuen über…
… ebenfalls Kleinigkeiten des Alltags.
Mein größter Fehler ist …
… zu selten nein zu sagen.
Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war…
Der Schamane.
Mein schönster Urlaub war, …
… als wir mit unseren Kindern im Wohnwagen nach Italien gefahren sind. Das war alles so unkompliziert und ich erinnere mich sehr gerne daran.
Als Bundeskanzlerin würde ich als erstes…
… versuchen, allen Politikern klarzumachen, was ihre Aufgabe es. Es geht nicht darum, sich gegenseitig anzufeinden, sondern gemeinsam zu agieren, um die besten Lösungen zu finden und Regeln festzulegen, die für unser Miteinander notwendig sind.
Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir, dass…
… wir als Verein irgendwann nicht mehr kämpfen müssen, genug Geld für Typisierungen zu sammeln, dass es normal ist, dass jeder erkrankte Menschen einen Spender findet und dass meine Familie so wie heute zusammenhält und gesund bleibt.
Engagiert sich seit 27 Jahren für den Kampf gegen den Blutkrebs: Anna Fennen, Vorsitzende des Vereins zur Hilfe leukämiekranker Kinder (LEUKIN).
Foto: privat