Wer sich für die Entwicklung der Stadt Leer wirklich interessieren und sich engagieren will, der sollte sich diese Woche merken: Gleich viermal lädt das Leeraner Rathaus vom 9. bis 12. November zu Workshops ein. Das Motto: Mitmachen, mitgestalten. Das Ziel: Gemeinsam mit für die Altstadt, Innenstadt und Fußgängerzone eine Perspektive entwickeln, die zukunftsfähig ist. Es geht darum, Lösungen zu finden, Leer als Einkaufsstadt Nummer 1 der Region oder – wie es früher immer hieß – „Tor Ostfrieslands“ zu erhalten und als attraktiven Wohn- und Lebensort weiter zu profilieren. Im Miteinander von Bürgern, Verwaltung und Politik sollen neuen Akzenten für die Altstadt, den Ernst-Reuter-Platz und Fragen guter Laufwege und des Aufenthaltes gefunden werden. Zudem wird in den Fokus genommen, wie die digitale Welt in das Stadtbild und die Alltagabläufe in Handel und Alltag integriert werden kann.
Das, was sich das Rathaus mit Bürgermeister Claus-Peter Horst an der Spitze vornimmt, ist gleich in doppelter Hinsicht spannend: Zum einen, weil durch den für die Innenstädte beginnenden gravierenden Wandel durch Online-Handel, Klimawandel und vielem mehr neue Wege für die Attraktivität und Aufenthaltsqualität gefunden werden müssen, zum anderen, weil sich zeigen wird, ob die Bürger der Stadt bereit sind, sich einzubringen. Es wird der Test, ob Leer auch in Zukunft wirklich mehr als Andere können.
Die Entscheidung der Verwaltung, die Menschen der Stadt stark einzubinden, ist mutig. Mutig, weil die Erfahrungen, die allerorts und in Leer auch einige Male mit diesen Bürgerbeteiligungen gemacht werden, nicht besonders gut sind. Es wird viel geredet – aber am Ende kommt wenig Zählbares heraus oder Politik und Verwaltung machen letztlich doch alles so, wie sie es wollen. Die Entscheidung ist zugleich bemerkenswert, weil diese Bürgerbeteiligung keine Verpflichtung im Förderprogramm „Perspektive Innenstadt“ ist, aus der die Aktivitäten bezahlt werden. Rat und Verwaltung haben sich entschieden, von den knapp 900.000 Euro etwa 55.000 Euro in die konzeptionelle (Bürgermit-)Arbeit zu stecken. Deutlich einfacher wäre es wohl gewesen, das gesamte Geld in Steine und mehr zu investieren, wie es mit der „Hafenmeile“ an der Ledastraße ja auch passieren wird. Dort wird bekanntlich die Straße so umgestaltet, dass sie für Veranstaltungen genutzt werden kann und es wird in mobiles Mobiliar investiert, dass auch anderenorts unkompliziert zum Einsatz kommen kann. Die Stadt „multifunktional“ aufstellen, „Shared Spaces“ schaffen – so heißt das im modernen Behördendeutsch. Gemeint ist einfacher ausgedrückt, dass es gelingt, mit mehr Aufenthaltsqualität Menschen weiterhin in die Stadt zu locken, sie möglichst lange zu „halten“ und vor allem damit auch zum Geldausgeben zu animieren.
Zurück zu der Bürgerbeteiligung. Müssen die Bürger „richtig ran ans Werk“? Ja. Denn es werden in den bis zu vier Stunden angesetzten Workshops nicht nur die bisherigen Konzepte und die Zusammenfassung einer ersten allgemeinen Veranstaltung vor einigen Wochen präsentiert, sondern kleine Arbeitsgruppen werden sich ganz klassisch mit Stiften und Flip-Charts konkreten Fragen widmen, die Gedanken bündeln und dann vor allen Teilnehmern präsentieren. Teilweise wird es auch eine Vor-Ort-Begehung geben – was nicht schadet, da dann alle Beteiligten mit offen Augen ganz gezielt durch die Stadt gehen. Im Anschluss an die Workshops wird dann die Verwaltung gemeinsam mit einem Expertenbüro alles zusammenfassen und Anfang 2023 wird dann – wieder mit den Bürgern – in einem weiteren Workshop weitergearbeitet. Noch im Frühjahr 2023 soll dann die „Perspektive Innenstadt“ für die nächsten Jahre komprimiert zu Papier gebracht sein.
Nun ist Papier ja bekanntlich geduldig – und Politik soll ja auch manchmal genau das Gegenteil von dem machen, was ihnen von Externen – seien es Fachleute, Bürger oder Redakteure – empfohlen wird. Das weiß man auch an der Rathausspitze. Deshalb ist auch bereits im Vorfeld definiert worden, dass aus diesem Konzept dann möglichst umgehend erste konkrete Projekte entwickelt werden mit dem Ziel, dafür dann auch weitere Fördermittel in die Ledastadt zu holen.
Eines ist sicher: Je mehr Leeranerinnen und Leeraner sich engagieren, um so besser wird die Zukunft der Stadt und um so leichter dürfte es der Verwaltung dann auch fallen, Politik und Fördermittelgeber von den Ideen und Konzepten zu überzeugen. Man darf gespannt sein, wieviele und vor allem auch wer neben den üblichen Funktionären aus Vereinen und Verbänden kommt. Die Erfahrung lehrt aus anderen Städten nicht zu viel Resonanz zu erwarten. 25 pro Workshop gelten in Fachkreisen schon als viel. Man darf gespannt sein, ob es in dieser Hinsicht den Leeranerinnen und Leeranern gelingt zu verdeutlichen „Leer kann wirklich mehr“.