Die Stadt Leer wächst und wächst. Erstmals in ihrer Geschichte hat die Ledastadt – Stand diese Woche – über 36.500 Einwohner. Menschen aus über 120 Ländern der Welt haben in der Kreisstadt ihr zuhause. Seit 2018 sind über 2000 Zuzüge zu verzeichnen, davor hat es mehr als eine Dekade fast keine positive Tendenz gegeben. Diese Entwicklung, die grundsätzlich für einen attraktiven Lebens- und Arbeitsstandort steht, ist jedoch zum größten Teil nicht „hausgemacht“. So sorgten allein knapp 500 Flüchtling aus der Ukraine für den Zuwachs seit Jahresbeginn 2022. Das wird – Stand jetzt – auch so weiter gehen. Bis Ende März werden der Stadt über die vom Land festgelegte Verteilquote weitere 269 Flüchtlinge zugewiesen. Zum Vergleich: 2020 und 2021 wurden 69 bzw. 70 Flüchtlinge in Leer aufgenommen.
Wohnungsmarkt kann Flüchtlinge nicht aufnehmen
Die Zunahme der Bevölkerung hat vor allem auf einen Bereich gravierende Auswirkungen: den Wohnungsmarkt. Der ist bekanntlich in Leer im Bereich „preisgedämpfter“ Wohnungen – ja, so ist die neue Formulierung in Fachkreisen für sozial-finanziert – seit Jahren angespannt. So hat sich die Zahl der Wohnungen, die die Stadt Leer angemietet hat, seit Kriegsbeginn fast verdoppelt und liegt bei aktuell knapp unter 140. Das Rathaus stellt dazu aktuell fest: „Weitere Anmietungsverfahren laufen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der Wohnungsmarkt für die Unterbringung weiterer Flüchtlinge nicht ausreicht.“ Hinzu kommt: Die Zahl der geförderten Wohnungen in der Stadt Leer, die einer Belegungs- und Mietbindung unterliegen, wird immer geringer. Derzeit sind es stadtweit 285 und bei sehr vielen dieser Wohnungen läuft der Status aus. Erfreulich ist lediglich, dass 2023 nach aktuellem Stand 104 Wohnungen als öffentlich gefördert dazukommen werden – vor allem durch die Sanierung der städtischen Wohnungen durch den Eigenbetrieb Kommunale Wohnungsverwaltung Leer (KWL) in der Weststadt. Zudem hat die Stadt – wie fast alle Kommunen – bei den Bebauungsplänen einen neuen Kurs eingeschlagen: Wer eine größere Wohnimmobilie bauen will, der wird verpflichtet, auch preisgebundene Wohnungen mit Belegungsbindung für Sozialschwächere zu errichten. Dennoch ist nicht nur Experten klar, dass die Nachfrage das Angebot in den kommenden Jahren deutlich übersteigen wird, zumal davon ausgegangen werden kann, dass die Zahl der prekären Haushalte angesichts von Inflation und Energiekrise auch ohne Zuzug von außen weiter steigen wird.
Wohngeld? Die Stadt rüstet auf
Die Politik hat die Herausforderung erkannt und versucht, gegenzusteuern. Gaspreisbremse und Dezember-Energiekostenpauschale sind zwei Instrumente. Viel wichtiger dürfte die Neuregelung des Wohngeld-Anspruches sein. Dieser Anspruch soll den Erhalt einer (teureren) Wohnung – denn auch die Grundmieten steigen seit Jahren – ermöglichen. Schon 2022 ist die Zahl der Wohngeldberechtigten von 390 auf 496 gestiegen, ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Auch auf die Ledastadt kommt wie auf alle Kommunen eine Welle zu. Die Zahl der Berechtigten wird sich – das sagen die Statistiken – ab 1. Januar verdreifachen. Was das bedeutet? Geduld wird gefragt sein. Auch wenn die Stadtverwaltung personell aufrüstet, wird die aktuelle Antrags-Bearbeitungszeit von einer Woche nicht zu halten sein. Die Rathaus-Chefetage hat reagiert, rüstet personell auf, so dass man hofft, nicht monatelange Wartezeiten zu haben, wie es in größeren Städten bereits jetzt angekündigt wird. Gut so, denn viel finanzielle Luft zum Durchhalten werden diese Haushalte nicht haben.
Klar ist: Bei aller Freude über die steigende Einwohnerzahl und damit erhöhte Steuerzuweisungen durch Bund und Land wird sich die Frage des bezahlbaren Wohnens in Leer weiter zuspitzen. Das bedeutet: Auf den gesamten Sozialbereich bei der Stadt – aber auch beim Landkreis, der diese Aufgabe für alle anderen Kommunen des Kreises übernimmt und ebenfalls Personal aufstockt – kommen durch Inflation, Energiekrise und Kriegsfolgen noch deutlich herausfordernde Zeiten zu.
Hinrichs bekommt Nebenjob bei KWL
Apropos Leeraner KWL: Hier ist seit kurzem klar, dass die Leitung und Gesamtverantwortung in den Händen von Elke Hinrichs bleiben wird. Sie hatte diese Aufgabe zusätzlich zu ihrer Zuständigkeit für die Wirtschaftsförderung übergangsweise übernommen. Mit ihren Vorstellungen für die Wohnraumentwicklung und Grundstücksbewirtschaftung überzeugte sie die Rathausspitze und die Politik im Aufsichtsgremium. Für ihren Zusatzjob bekommt sie nun zu ihrem städtischen Angestelltengehalt ein zusätzliches monatliches Entgelt. Das sorgt hinter den Kulissen der Stadt für Gesprächsstoff, weil sich gefragt wird, ob und wie zusätzliche Arbeit bei Vollzeit-Hauptjob zusätzlich erledigt werden kann. Dazu muss man wissen: Diese „Lösung“, bei Übernahme von Leitungsposten mit rechtlicher Verantwortung zusätzlich Geld zu bekommen, ist landauf landab für kommunale Tochterunternehmen oder Eigenbetriebe keine Seltenheit – zumal diese „Zweitjobs“ deutlich preiswerter sind als Vollzeit-Stellenbesetzungen.
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