DIE KOLUMNE – Gallimarkt: Von der heftig diskutierten Gästeliste, dem Bembel-Motiv und Ritualen

Artikel teilen

Was ist in Leer vergleichbar mit einer Audienz beim Papst in Rom? Es ist die Teilnahme an der offiziellen Eröffnungsveranstaltung des Gallimarktes im Festzelt. Wer dabei ist, der fühlt sich zugehörig zu den „VIP“ der Stadt. Nach zwei Jahren ist es am kommenden Mittwoch wieder soweit. Erst wird die „Fünfte Jahreszeit“ auf der Rathaustreppe eröffnet, anschließend gibt nach einem kleinen Marktrundgang im Festzelt das gemütliche Beisammensein mit Roulade.

Die Einladungen in das Festzelt sind verschickt. Wie in jedem Jahr – außer coronabedingt 2020 und 2021 – wartete so manch eine Leeranerin und ein Leeraner auf die Post aus dem Rathaus. Dieses Mal warten allerdings fast 200 Gäste vergebens – was in den Strukturen der Stadt seit Tagen für Gesprächs- und Diskussionsstoff sorgt. Bürgermeister Claus-Peter Horst hat sich zu seiner Premiere keine Freunde gemacht. Er hat – Entschuldigung für die Ausdruckweise – „ausgemistet“. Denn: War 2019 von der Vorgängerin Beatrix Kuhl die Zahl der Gäste ein weiteres Mal auf 600 Gäste vergrößert worden, sind es dieses Mal „nur“ 450. Das Zelt ist verkleinert, die Abstände mit Blick auf die Covid-Pandemie vergrößert, zudem haben sich allein aus der Leeraner Partnerstadt Trowbridge 50 Gäste angekündigt, die alle dabei sein sollen.

Wer dieses Mal nicht mehr eingeladen wurde? Man weiß nichts Genaues. Der eine oder andere gibt seine Entäuschung zu erkennen, andere schweigen. Aus dem Rathaus ist zu hören, dass man sich für dieses und die kommenden Jahre klare Regeln auferlegt hat. Zu Gast werden dieses Mal die gewählten Politiker aus Bund und Land, die Mitglieder des aktuellen Stadtrates (aber keine „Oldies“ aus dem Rat mehr) und bewusst ausgewählte Vertreter von Kommunen, Institutionen und Vereinen sein. Zudem sind noch einige „Aktive“ eingeladen, die das gesellschaftliche Leben der Stadt in den vergangenen Monaten durch ihr Engagement geprägt haben. Man darf gespannt sein – und sicher sein, dass dieses „Event“ in diesem und in den folgenden Jahren wieder für Gesprächsstoff sorgt. Eines ist jedenfalls auch festzustellen: Die Streichung von Gästen spart kein Geld. 2022 wird der „Spaß“ über 2.000 Euro mehr kosten als es 2019 der Fall war. Es ist halt alles teuer geworden.

Zu erkennen sein werden die Gäste im Festzelt später vor allem daran, dass sie einen kleinen Gallimarkt-Bembel (Foto) um den Hals tragen. Bei dem einen oder anderen langjährigen geladenen Gast steht die Sammlung dieser kleinen Schnapskrüge mit Leeraner Fotomotiven stolz im Regal. Dieses Mal wird übrigens die „Prinz Heinrich“ den Krug verzieren – ein Dankeschön an das ehrenamtliche Engagement von Dr. Wolfgang Hoferund seiner Mitstreiter.

Eine Premiere wird es auch im Festzelt beim Fassanstich geben. Nicht nur, dass ein neues Herolden-Trio mit Ausrufer Hinrich Behrens, Trommler Michael Alsdorf und Hellebardenträger Reemt Reemtsema dabei ist – nein, erstmals seit über 40 Jahren wird nicht mehr Karl-Heinz Langenscheidt , der Schausteller schlechthin aus der Ledastadt, Bürgermeister Horst beim Fassanstich zur Hand gehen. Horst wird das Fass gemeinsam mit dem neuem Schausteller-Chef Timo von Halle anschlagen. Es wird schon gut gehen. Genauso wie die erste Horst-Ansprache auf der Rathaustreppe, die teils in Hoch- und teils in Plattdeutsch halten wird. Bei der Verleihung des  Wilhelmine-Siefkes-Preises hat er das Platt schon mal etwas geübt.

Auf nichts Neues einstellen müssen sich hingegen die „Butenostfriesen“. Traditionell wird ab Donnerstagabend das Schwarzwaldhaus zum Treffpunkt für alle, die von außerhalb kommen. Die Marktplaner rechnen mit viel Betrieb – deshalb ist in Zeiten von Corona rund um diese Bude etwas mehr Platz gelassen worden. Dafür, dass der Markt insgesamt nicht zu überfüllt sein wird, wird alle fünf Tage ein umfassenden Sicherheitskonzept inklusive Kameraaufnahmen sorgen. Bereits jetzt laufen Wetten, dass die Zugänge zum Markt in diesem Jahr wegen Überfüllung zeitweise dicht gemacht werden müssen. Das wäre ein klares Signal, dass der Gallimarkt auch im 514. Jahr seit seiner Premiere nichts an Zugkraft verloren hat.

PS: 2022 wird übrigens das erste Jahr seit 1948 sein, in dem turnusmäßig keine Ostfrieslandschau mehr stattfindet. Diese war bis 2018 – 2020 sorgte Corona für die Absage – alle zwei Jahre fester Bestandteil des Kalenders der Stadt und fand meist parallel zum Markt statt. Der verkaufsoffene Sonntag hingegen ist geblieben und wird die Stadt wieder „fluten“. Vielleicht sorgt ja die neue „Hafenmeile“ in der Ledastraße, die 2023 fertig wird, dafür, dass sich die Kaufmannschaft und die Wirtschaft der Stadt in Zeiten des Fachkräftemangels darüber Gedanken machen, wie mit einem neuen Konzept Gäste neben Einkaufen und Marktparty für ein Leben, Wohnen und Arbeiten in Leer begeistert werden können. Die über 500.000 Besucher würden das bestimmt als einen weiteren Anlaufpunkt beim Besuch von i

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Gallimarkt: Von der heftig diskutierten Gästeliste, dem Bembel-Motiv und Ritualen