HARTWIG am MITTWOCH: Großer Werbeerfolg mit kleiner Mogelpackung

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HARTWIG am MITTWOCH ist eine Kolumne, die immer zuerst mittwochs in der Ostfriesland-Ausgabe der Nordwestzeitung und der Emder-Zeitung erscheint.

Schauen Sie auch gerne die Friesland-Krimis, die in Leer gedreht werden? Seit 2014 werden die humorvollen, manchmal etwas skurrilen Folgen der seichten Samstag-Abend-Unterhaltung in der Kulisse der Ledastadt abgedreht. Erfreulich dabei: Es werden nur wenige Klischees der „Ostfriesen-Witze“ bedient.

Wer die Stadt kennt, der bemerkt schnell:  So manche Szene wird nicht in der Ledastadt gedreht. Ziemlich viel „Schmu“ ist dabei. Gut, die Außenfassaden stimmen zumeist. Aber die Stadtbibliothek in der Altstadt, die als Polizeirevier dient, ist als alter Speicher viele schöner, als das schnöde Innenleben, so wie es in Köln in den Filmstudios aufgebaut ist. Gleiches gilt für die Apotheke von Hobby-Ermittlerin Frau Insa Scherzinger. Außen die schmucke Fassade aus der Altstadt (da ist „in Echt“ Jimmys Cafe), innen die Faszination einer Apotheke – allerdings gedreht in der Kur-Apotheke Norderney. Und wie ist es mit dem Beerdigungsinstitut des Herrn Habedank? Das Haus wird für jeden Dreh von außen umdekoriert. Immerhin: In der ersten Folge wurden auch die Szenen in dem Gebäude in der Altstadt gedreht, seitdem ist es wohl praktischer, die Aufnahmen im Studio zu machen.

Richtig flexibel zeigen sich die Fernsehmacher auch, wenn es um schöne Außenaufnahmen geht. Klar, die Altstadt, die Uferpromenade und die Szenerie rund ums Rathaus, Waage und Museumshafen sind schon „filmtauglich“, aber wenn es dann um einen „richtigen“ Hafen gehen soll, der dem Klischee Frieslands (Ostfriesland wäre ja korrekter, aber das würde sich als Serientitel nicht so gut machen, oder?) gerecht wird, dann wird nachgeholfen. Wahlweise geht es in das Rheiderland nach Ditzum oder in die Krummhörn nach Greetsiel. Klar, die idyllischen Fischerhäfen mit den Kuttern machen halt mehr her, als der Leeraner Industriehafen. Und so manche Urlaubimpression liefert auch der Dünenstrand von Norderney. Gut, dass die Zuschauer nicht wissen, dass das, was im Film leicht erreichbar um die Ecke ist, mal eben über eine Autostunde und eine Schiffsüberfahrt entfernt von Leer liegt. So sind sie halt, die Welt der Fernsehmacher. Was nicht passt, wird passend gemacht… Manchen Leeraner freut es, wenn das Fernsehteam in der Stadt ist. Andere „heulen“ in den sozialen Netzwerken gerne wegen der Sperrungen und anderer Einschränkungen. Lässt sich wohl nicht vermeiden. Nörgeln geht halt immer. Vielleicht hilft es, den einen oder anderen Nörgler als Komparse einzubauen, denn in dieser Hinsicht gibt es noch Entwicklungspotenzial. Getreu dem Motto: „Komm‘  ich jetzt ins Fernsehen…“

Was bleibt? Die Hoffnung auf viele weitere Folgen. Denn trotz der kleinen Mogelpackungen hat sich „Friesland“ zu einem großen Werbeerfolg für die Kreisstadt entwickelt. Ursprünglich sollte der Krimi als Fernsehfilm der Woche eine Eintagsfliege sein. Nun sind es insgesamt schon 15 Folgen – drei sind noch nicht ausgestrahlt bzw. produziert. „Bis aufs Blut“ wird Teil 13 sein. Ihn werden wieder etwa sieben Millionen Zuschauer bei der Erstausstrahlung sehen werden. Hinzu kommen noch die Zuschauer der Wiederholungen bei zdf.neo oder Sky Krimi.

Und wer weiß: Wenn die Neugestaltung des Ernst-Reuter-Platzes  – nachdem sie 2016 wegen fehlender Finanzmittel zurückgestellt wurde – nun durch die Fördergelder aus dem Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt!“ des Landes Niedersachsen zur Bewältigung der Pandemiefolgen in den Innenstädten möglich wird, dann wird die Stadt ja auch bald ihren eigenen Sandstrand haben. Und der lässt sich bestimmt mit etwas Fantasie dann ab 2023 in ein Drehbuch einbauen.

 

Foto: ZDF

Holger HartwigHARTWIG am MITTWOCH: Großer Werbeerfolg mit kleiner Mogelpackung