Das habe ich doch aber so gar nicht gesagt…

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Von Holger Hartwig*

Kennen Sie diese Situation? Sie unterhalten sich mit einem anderen Menschen, es wird etwas „hitziger“ und ein Wort gibt das andere. Irgendwann kommt ein Moment, wo der andere mit dem Satz kommt „Was soll das jetzt?“ und Ihnen dieses oder jenes unterstellt, was Sie zuvor gesagt haben sollen. Und wie ist die übliche Reaktion? „Das habe ich doch aber so gar nicht gesagt…“. Der Dialog – hoffentlich geht es um eine Sache und nicht eine zwischenmenschliche Situation – endet dann oftmals in einer zunehmend heftigeren Konfrontation. Kein Wunder.

Warum ist es kein Wunder? Ganz einfach. Die Formulierung „Das habe ich doch aber so gar nicht gesagt…“ ist schlichtweg falsch. Wahrscheinlich ist es so gesagt worden, aber bei dem Gegenüber ist eine andere Botschaft vom Sender (der die Gedanken gesagt hat) beim Empfänger (der die Gedanken gehört hat) angekommen. Gesagt und gemeint – zwei verschiedene paar Schuhe.

Die Herausforderung im Gespräch liegt meist weit weniger in der Wahl der Worte als in der Frage, wie die Botschaft beim Gegenüber ankommt. Wer sich bereits mit den Grundmodellen der Kommunikation beschäftigt hat, für den wird nun Altbekanntes folgen. Wer noch nie darüber nachgedacht hat, bei dem werden nach dem Lesen die Worte noch lange im Gedächtnis bleiben… oder künftig auch in den Ohren klingen.

Der zentralste Gedanke der Kommunikation ist das Vier-Ohren-Modell, dass der Kommunikationsexperte Prof. Friedemann Schulz von Thun entwickelt hat. Sein Kommunikationsquadrat macht auf einfache Weise deutlich, dass jeder Satz, jede Botschaft vier Ebenen hat: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis und Apell. Hört bzw. liest sich auf den ersten Blick vielleicht kompliziert oder gar verwissenschaftlicht, ist es aber nicht. Der Klassiker der Beispiele ist folgende Situation: Ein Ehepaar ist im Auto unterwegs, sie fährt. Sie stehen an der Ampel. Als die Ampel auf Grün umspringt, sagt er zu seiner Frau:, „Die Ampel ist grün“. Was bei der Frau ankommt, ist abhängig davon, wie er es sagt und auf welchem der Ohren die Frau gerade am besten zuhört. Denn auch beim Empfänger sind die vier Ebenen ebenso vorhanden. In dieser Situation gilt für den Mann (Sender):  Der Ton, die Lautstärke und das Wie „machen die Musik“. Für den Empfänger ist entscheidend, wie er die Botschaft aufnehmen will, was zumeist von der Grundeinstellung zum Sender abhängig ist.

Also: Der einfache Satz „Die Ampel ist grün“ wird im Idealfall als reine Sachbotschaft gesagt und gehört. Dann ist es einfach und unkompliziert. Die Frau wird losfahren. Der gleiche Satz kann aber auch eine Botschaft des Sender haben, d.h. er es eilig hat. Auch das kann unverfänglich sein. Allerdings: Wenn der Ton ein etwas anderer ist, dann kann es auch leicht zum Appell, zur Aufforderung werden im Sinne von „Du musst losfahren“. Na und die vierte Ebene – so sie dann so gemeint ist und auch so gehört wird – hat es am meisten in sich: es geht um die Beziehungsebene. Dabei kann aus dem „Die Ampel ist grün“ schnell eine „Krise“ werden. Seine Botschaft wäre dann „Du brauchst meine Hilfe, weil Du ja selbst nicht in der Lage bist, zu sehen, dass jetzt grün ist“ und bei der Fahrerin kommt an „Er hält mich für eine schlechte Autofahrerin.“

Kurzum: Gesagtes ist gesagt bzw. ausgesprochen und kann sowieso auch nicht mehr „zurückgenommen“ werden. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Sender genau vermittelt, was er mit der Aussage meint, und der Empfänger – frei von einer inneren Haltung – zuhört, wie was gesagt wurde. Ist dieses Sender-Empfänger-Prinzip – durch was auch immer bzw. meist durch emotionale Komponenten – gestört, geht die Kommunikation schief. Wenn dann nicht einer der beiden Beteiligten auf die Idee kommt, dass das Gesagte nicht so gemeint war bzw. nicht so verstanden wurde, wie es gemeint war, dann kann selbst aus der banal wirkenden Ampel-Situation ein ernsthafter (Ehe)-Konflikt werden. Denn das geht manchmal viel schneller als man denkt…

Und nun, was bringt die Erkenntnis dieses Kommunikationsquadrats? Viel. Es zeigt, dass es darauf ankommt, wer mit wem in welcher Stimmung wie redet. Der beste Weg ist, sich bewusst zu sein, dass immer das „Wie“ und nicht die Worte entscheiden, was beim anderen ankommen kann, aber ebenso auch, dass das „Wie“ manchmal vollkommen egal sein kann, wenn der Gesprächspartner auf drei Ohren taub ist und von vorneherein mit „seinem“ favorisierten Ohr hört.

Was macht man, wenn Sie den Eindruck haben, dass da etwas schiefläuft? Ganz einfach die Frage stellen seitens des Empfängers der Botschaft: „Sag mal, wie hast Du das denn gerade gemeint?“ Oder, wenn der Sender sich unsicher ist, was der Empfänger verstanden hat „Was hast Du gerade gehört? Was meinst Du, was ich Dir sagen will?“ Das ermöglicht den weiteren Dialog – ganz anders als eben „Was soll das jetzt?“ und „Das habe ich aber doch so gar nicht gesagt…“.

* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er unterstützt Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.

Holger HartwigDas habe ich doch aber so gar nicht gesagt…