Von Holger Hartwig*
Was meinen Sie: Wie viele Gedanken haben Menschen pro Tag? Forscher haben es untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen: etwa 60.000. Das Besondere und das Verblüffende daran: Nur etwa 3.000 Gedanken sind jeden Tag neu. Da bekommt der Spruch „Der oder die ist in seiner Gedankenwelt“ eine ganz neue Bedeutung. Was die Erkenntnis der Forscher für den Alltag bedeutet. Viel, sehr viel.
Warum? Ganz einfach: Die Gedanken – und damit die Bilder, die wir vor dem geistigen Auge haben – sind verantwortlich dafür, wie jeder von uns die Welt sieht – und wie glücklich er bzw. sie ist. Es kommt also stark darauf an, auf was man sich in seiner Gedankenwelt fokussiert. Der eine nimmt jeden positiven Moment auf und lässt sich damit durch den Tag tragen, der andere hat ständig die „Gedankenbrille“ auf, bei der das Glas immer halbleer statt halbvoll ist.
Gibt es Möglichkeiten, seine Gedankenwelt zu beeinflussen? Selbstverständlich. Fangen wir an mit der Sprache. Die Sprache ist das Instrument zum Ausdrücken der Gedanken: Achten Sie einmal darauf, welche Worte Sie in Ihrem Alltag verwenden. Versuchen Sie wahrzunehmen, ob Ihr Wortschatz eher positive oder negative Begriffe kennt. Wer beispielsweise sehr gerne von oder über Stress spricht, wird diesen für sich auch eher wahrnehmen. Oder nehmen wir das Wort „Sch…“. Wer auch das in vielen Situationen schnell in den Mund nimmt, der wird am Ende eines Tages auch viel Sch… in seinen Gedanken manifestiert haben. Machen Sie mal in Gedanken eine Strichliste, wie oft Sie bestimmte Wörter verwenden.
Und nun? Ein Weg, sich seiner Gedanken und der damit verbundenen unterbewussten Folgen bewusst zu werden, ist eine Art Tagesbilanz. Vor dem Einschlafen nehmen Sie sich kurz Zeit und konzentrieren sich darauf, die fünf besten und schönsten Momente – pardon Gedanken – des Tages vor Auge zu führen. Aber Vorsicht: Es geht dabei nicht um die Bedeutung des Momentes für den Tag oder gar das gesamte Leben. Es können Kleinigkeiten sein, die Ihnen bewusst werden. Es geht um die Gedanken, die Ihnen gut getan haben. Sie werden von Tag zu Tag feststellen, dass sie diese Aufgabe immer schneller lösen und Sie mit fünf Gedanken bald nicht mehr hinkommen. Gut kann es auch sein, sich bewusst zu machen, wie ein negativ behaftetes Wort ausgetaucht werden kann. Aufgabe oder Herausforderung ist für die Gedankenwelt viel hilfreicher als Problem.
Einfacher wird diese Aufgabe auch ab dem Moment, an dem Sie anfangen, negative Umfeld-Gedanken zu reduzieren. Das können Gespräche mit Menschen sein, die immer nur von Krankheit oder Stress handeln. Setzen Sie in solchen Gesprächen einen Wendepunkt. Lassen Sie sich nicht „zutexten“ und damit in die negative Gedankenwelt hinabziehen. Das kann auch der Konsum von Medien und vor allem Nachrichten sein. Gerade in diesen grausamen Zeiten des Ukraine-Krieges reicht es aus, sich einmal am Tag zu informieren. Und: Lernen Sie, welche Nachrichten von Bedeutung – d.h. mit einem Mehrwert – für Sie sind und welche nicht. Die Bilder von einem Busunglück, bei dem 50 Menschen gestorben sind, in irgendeinem Ort in Südamerika, den Sie bisher nicht kannten, sind es bestimmt nicht.
Kurzum: Lebensqualität und Lebensfreude beginnt mit einem guten Gedankenmanagement, Dieses Management ist Ende nichts anderes ist als die Lust, sich der guten Aspekte eines jeden Tages bewusster zu werden und jeden Tag mehr positive Gedanken in die 57.000 wiederkehrenden Routinegedanken einzubauen.
PS: Noch ein weiterer Hinweis zu Gedanken und Worten. Ein schlauer Geist hat einmal gesagt:„Wenn Du Menschen begegnest, höre zu. Denn nur, wenn Du zuhörst, bekommst Du neue Gedanken und Impulse. Alles, was Du selbst sprichst, ist ja schon irgendwo in Deinem Kopf vorhanden…“
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er unterstützt Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.