Man müsste eigentlich mal…

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Von Holger Hartwig*

Die deutsche Sprache ist so facettenreich und wunderbar, dass sie immer wieder Gründe liefert, einmal genauer hinzusehen, was dort wie warum gesagt wird. Einer der schönsten Sätze begegnete dem Autor im Zusammenhang mit den Aktivitäten in einem Sportverein. Dort gibt es oft Menschen, die viel reden und dann kommt gerne dieser vielsagende Satz: „Man müsste eigentlich mal…“. Hinter diesen vier Wörtern steckt viel mehr als zu vermuten ist.

Jedes dieser Wörter ist einzeln auch gerne in anderen Zusammenhängen zu finden. Fangen wir einmal an mit dem „man“. Dieses Wort ist verräterisch, denn es sagt erstens aus: „Es wäre gut, wenn etwa getan oder gesagt würde, aber nicht durch mich“. Es ist der Appell an die anderen, sich doch einzubringen. Und zweitens kann es ausdrücken, dass der Mensch, der diesen Satz sagt, sich selbst nicht traut bzw. nicht direkt mit dem Gesagten in Verbindung gebracht wird. „Man“ steht also immer für eine Distanz zu sich selbst, zur Sache oder zur Aufgabe und verlagert die Verantwortung auf andere.

In diesem Zusammenhang noch der Blick auf die Verwendung eines anderen Wortes: „Wir“. Auch da sollten die Ohren gespitzt sein, wenn jemand von Wir spricht. Denn ein Wir bezieht immer die anderen mit ein – um nicht alleine dazu zu stehen oder etwas nicht alleinverantwortlich machen zu müssen. Dabei ist das Wir auch gerne übergriffig. Denn es setzt voraus, dass der oder die anderen es ganz genauso sehen oder handeln wollen. Schon mal drüber nachgedacht, wenn ein Ehepartner sagt „Wir machen das so und so“ mit Blick auf seine Gattin? Hat er das mit ihr so im Detail geklärt? Sieht sie das wirklich so? Oder wird sie „einkassiert“, weil mit der Wir-Verwendung bereits das deutliche Signal gesetzt wird, jetzt bloß keine andere Meinung zu haben?

Zurück zu dem „Man müsste eigentlich mal…“. Der Blick richtet sich nun auf das Wort „müssen“. Dahinter steckt das Denken, dass das eigene Handeln nicht durch die Freiheit der Entscheidung geprägt ist, sondern durch den Blick, den andere auf einen haben. Im Coaching heißt es immer: Müssen musst Du nicht, Du darfst Dich für etwas entscheiden und es dann machen. Es gibt nur wenige Ausnahmen beim Muss – sterben muss jeder, essen und trinken muss jeder und zur Toilette gehen auch. Bei allen anderen Dingen des Lebens gibt es immer mehr als die Muss-Option und jeder kann sich Alternativen überlegen und für sich dann die beste auswählen.

Beim dritten Wort „eigentlich“ ist ebenfalls Vorsicht angesagt. Warum? Was ist das Gegenstück zu „eigentlich“? Tatsächlich. Wenn also eigentlich in einem Satz eingebaut ist, drückt das eher Unentschlossenheit oder gar Ablehnung aus. Eigentlich wird nur zu gerne als ein Füllwort verstanden. Aber ist es das wirklich? Oder steht eigentlich als Wort für das Gegenteil und ist sozusagen eine sprachliche Lüge, die einer Botschaft verpasst wird?

Ja und dann das Wort mal bzw. einmal. Mehr Unentschlossenheit im Denken und Handeln kann ein einzelnes Wort wohl kaum zum Ausdruck bringen. Es wird nicht gesagt, wann oder bis wann etwas besprochen oder erledigt sein soll.

Wenn also jemand sagt „Man müsste eigentlich mal…“ dann hilft es mit der Gegenfrage zu reagieren: „Möchtest Du oder denkst Du, dass dies oder das gemacht werden soll und bis wann möchtest Du es mit wem erledigen?“ Probieren Sie das mal aus. Sie werden erleben, dass die Antwort auf diese Frage meist genauso unverbindlich ist, wie der Einstiegssatz.

PS: Spannend ist auch auf der kleine, aber feine Unterschied bei der Formulierung „Ich will…“ oder „Ich werde…“. Beim zweiten ist die Entscheidung gefallen, dass der Mensch, der das sagt, sein Vorhaben definitiv in die Tat umsetzt. Bei der ersten Formulierung kann es auch sein, dass dahinter „Ich werde nicht…“ steckt, sich die Absichtserklärung aber zu dem Zeitpunkt besser anhört. Auch hier kann die gezielte Nachfrage, was gemeint ist, in vielen Lebenslagen für Klarheit sorgen.

* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er unterstützt Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.

Holger HartwigMan müsste eigentlich mal…