„Das ‚Auge des Herrn´ bleibt in der Landwirtschaft immer der Schlüsselfaktor“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Klaus Borde, Vorsitzender des Kreisverbandes des Landvolkes Leer

OLDENDORP Seit etwa sechs Jahren vertritt er als Vorsitzender des Kreisverbandes des Landvolkes Leer die Interessen der Landwirtschaft: Klaus Borde. Der 56-Jährige ist selbst Landwirt mit einem Hof mit etwa 150 Kühen in Oldendorp im Rheiderland und engagiert sich in seiner Freizeit auch für die Feuerwehr Holtgaste. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht Borde über die Subventionspolitik, jammernde Landwirte, Preisentwicklungen für Lebensmittel und High Tech in der Landwirtschaft.

An der Landwirtschaft fasziniert mich…

… sehr viel, vor allem die abwechslungsreiche Arbeit. Kein Tag ist wie der andere, es kann immer etwas dazwischenkommen und alles läuft anders als geplant, sei es, dass das Wetter umschlägt oder eine Kuh kalbt.

Landwirte jammern immer, wie schlecht es ihnen geht, weil…

… (lacht) es wohl dazugehört. Aber Jammern können ja nicht nur Landwirte, sondern auch der Rest der Bevölkerung. Es ist kein Alleinstellungsmerkmal.

Wenn ich an die Preisgestaltung für landwirtschaftliche Produkte denke, dann …

… war jahrelang Luft nach oben. Im letzten Jahr hat es sich gedreht. Bei den Milchviehhaltern ist im vergangenen Jahr mehr Geld angekommen – nicht nur wegen des Ukraine-Krieges, sondern weil ich die Zahl der milchgebenden Kühe deutschlandweit deutlich reduziert hat. Milch wird weiterhin relativ knapp bleibt, die Zeiten der Übermengen sind vorbei. Diese Entwicklung zeichnet sich auch in anderen Bereichen, z.B. bei Schweinen, Puten, Eier, ab. Es gibt den Trend: Deutschland lagert auch die Landwirtschaft aus, ohne über die Folgen nachzudenken.

Wenn für an die Subventionen für die Landwirtschaft denke, dann…

… sind diese in Teilen wichtig, vor allem wenn es um Baumaßnahmen und Maschinenausstattung geht, da auch hier die Preise angezogen haben.

Wenn ich an die Situation der ostfriesischen Fischer denke, dann…

… erleben diese dasselbe wie wir als Landwirte: Es gibt Auflagen und Einschränkungen, die mit logischem Menschenverstand nicht erklärbar sind. Sie können nur eines sein: existenzbedrohend.

Von den Konsumenten würde ich mir wünschen, dass …

… das Vertrauen in die deutsche Landwirtschaft bleibt. Sie sollten sich bewusster werden: Was in Deutschland aus der Landwirtschaft an Produkten kommt, entspricht in jeder Hinsicht den höchsten Standards. Konsumenten sollten sich mehr informieren und schauen, woher die Produkte kommen. Eines ist klar: Was hier nicht hergestellt wird, hat schlechtere Bedingungen in der Tierhaltung und auch klimatisch andere Herausforderungen. So wird immer mehr aus Südamerika importiert. Das ist zu kurz gedacht.

Als Vorsitzender des Kreislandvolkes ist meine größte Herausforderung…

Ich habe zwei. Zum einen, das Ehrenamt und die Anforderungen durch meinen Betrieb unter einen Hut zu bekommen, zum anderen den unterschiedlichen Richtungen der Landwirtschaft in Kreis Leer gerecht zu werden. Es gibt viele Themen und viele Interessen, da wir vom Grünland, Ackerflächen, Vogel- oder Wasserschutzgebiete fast alles haben im Kreis Leer. Meine Aufgabe ist es, für alle Landwirte das Beste herauszuholen im Umgang mit Behörden, Politik und Verbänden.

75 Jahre Landvolk in Niedersachsen – das ist für mich ein Signal für…

… für Beständigkeit. Unseren Zusammenschluss in Ostfriesland gibt es allerdings bereits fast 100 Jahre länger.

Für die Landwirtschaft Nachwuchs und Mitarbeitende zu finden ist…

… etwas leichter geworden, weil die Ausbildungszahlen in der Berufsschule nach oben gegen. Das gilt auch für die Suche nach Nachfolgern auf den Höfen. Eine erfreuliche Entwicklung. Bei den Mitarbeitenden haben wir zudem viele Quereinsteiger, die ebenfalls einen guten Job.

High-Tech auf dem Feld und der Weide wird in den nächsten Jahren…

… mehr werden. Sie wird die Arbeiten in großen Teilen erleichtern. Die Präzisionslandwirtschaft bietet viel Potenzial. Allerdings: Das „Auge des Herrn“ bleibt immer der Schlüsselfaktor. Landwirte sehen alles am Tier und auf dem Feld. Das wird bei aller Technik immer wichtig bleiben. Dafür brauchen auf jeden Fall gute Handyfunknetze und gute Anschlüsse der Hofstellen an Glasfaser.

Die Pläne der EU zur Reduzierung der Pflanzenschutzmittel sind …

… nicht zu Ende gedacht. Viele der Ziele sind zu erreichen, aber nicht in der Form, wie die EU es vorhat. Der Niedersächsische Weg, bei dem wir vieles bereits vor längere Zeit freiwillig vereinbart haben zeigt, wie man es besser machen kann.

Im Umgang mit dem Wolf sollten…

… sich alle an der Realität orientieren und nicht an Wunschvorstellungen. Es ist erforderlich, dem Tier Grenzen aufzuzeigen. Der Wolf muss wie früher das Signal bekommen: „Wenn du hierherkommst, das tut es weh. Das kann mit Gummigeschossen oder einem Abschuss erfolgen.“ Ein Wolf hat in besiedelten Gebieten und Weidegebieten wie in Ostfriesland nichts zu suchen. Das ist ein ungemütliches Thema, an das die Politik nicht gerne herangeht.

Bio-Lebensmittel sind…

… genauso gut wie konventionelle – und umgekehrt.

Der Umbau der Tierhaltung sollte…

… von der Politik ehrlich kommuniziert und mit finanziellen Mittel mit Augenmaß unterstützt werden, Wir sind bei dem Thema als Landwirtschaft an vielen Stellen viel weiter, als es die Politik und auch Teile der Gesellschaft sehen wollen. Auch hier gilt: Die heutigen Ställe sind deutlich tierfreundlich als vor einigen Jahren.

Die Idee der Hofläden ist…

… gut, aber sie hat mit überbordender Bürokratie zu kämpfen, sei es die Bon- oder Eichpflicht. Ich denke oft, dass die Bürokratie, wie sie heute gestaltet wird, mit der gesellschaftlichen Realität an vielen Stellen nichts gemeinsam hat.

Die 72-Stunden-Aktion der Landjugend ist…

… eine gute Sache. Sie ist wichtig für die Dorfgemeinschaften und fördert das Miteinander.

Der Viehmarkt zum Gallimarkt in Leer ist…

… ein Highlight, nicht nur für die Landwirte, sondern für viele Freunde des Gallimarktes. Er muss erhalten bleiben.

Die Gänse im Rheiderland sind…

… nur für die Naturfreunde schön.

Mein Lebensmotto ist…

… positiv denken.

Ein Buch zu lesen, ist …

Das ist lange her. Es war die Biografie von Jan Fedder.

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

… zu schnelles Fahren, aber nur ein wenig, d.h. 20 Euro Bußgeld.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Menschen, die über was reden, wovon sie keine Ahnung haben, weil sie sich zuvor nicht informiert haben.

Ich kann mich so richtig freuen über…

 …  passendes Wetter und wenn bei einer Geburt auf unserem Hof alles reibungslos verläuft.

Mein größter Fehler ist, dass …

… ich kaum einen Wunsch ausschlagen kann.

Mein Lieblingsplatz im Rheiderland ist…

… dort, wo ich die Weite sehe – das ist auf meinen Weiden.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir…

…  Gesundheit, weiterhin hier ein Leben in Frieden, wie wir es kennen, und dass Landwirtschaft auch in Zukunft eine wichtige Säule der Wirtschaft im Kreis Leer bleibt.

Klaus Borde (56) ist Vorsitzender des Landvolkes im Kreis Leer und Landwirt im Rheiderland.

Foto: Privat

Holger Hartwig„Das ‚Auge des Herrn´ bleibt in der Landwirtschaft immer der Schlüsselfaktor“