Das kleine Polizeirevier

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Es ist April 1990. Ich habe die ersten Wochen als Volontär beim SonntagsReport hinter mir. Die Zeiten sind spannend, die Themenlage überschaubar. Die Termine, die in dieser Woche auf dem Tisch liegen, versprechen auch nichts Besonderes. Einer davon lautet: Besuch des SPD-Sicherheitsexperten im Niedersächsischen Landtag, Horst Milde, bei der Polizei in Rhauderfehn. Nun gut, fahre ich halt mal hin. Ich bin der erste Journalist, der vor Ort ist – und auch kein weiterer kommt an diesem Tag.

Ich denke: „So ein Mist, das wird wohl wieder nur so ein typischer Wahlkampftermin. Immerhin treffe ich auch Helmut Collmann (den kenne ich, weil wir beide Fußball-Schiedsrichter sind) und den Leeraner Bürgermeister Günther Boekhoff. Beide sind locker drauf und wissen auch, mit einem jungen Volontär respektvoll umzugehen. Und das nicht nur, weil beide zur Wiederwahl als Landtagsabgeordnete stehen. Die ersten Minuten des Gedankenaustausches sind ganz normal – normal langweilig. Doch dann nimmt der Termin eine spektakuläre Wende. Revierleiter Heinz-Günther Buß „packt“ aus. Heute würde er wahrscheinlich bei der Polizei für seine Worte deutlich was auf die Mütze bekommen, denn – anders als damals – wird Medienarbeit ja zentral aus Leer gemacht.

Original-Zitate aus von damals gefällig? „Das Gebäude in Rhauderfehn ist 1924 erstellt worden. Es ist fürchterlich. Es leckt an allen Ecken und Kanten. Wir haben hier kaum Waschmöglichkeiten. Die neueste Schreibmaschine ist aus dem Jahr 1974. Wir haben die Decken selbst gestrichen, die Wände teilweise selbst tapeziert. Die Gardinen sind 18 Jahre alt und die Teppichböden, die hier verlegt sind, kommen aus Privatbesitz. Die Tischdecken hat zum Teil die Putzfrau mitgebracht.“ Und weiter sagt er, dass für die Datenverarbeitung ein Beamter seinen Home-Computer zur Verfügung stellt. Und dann geht er noch auf die Lage im benachbarten Westoverledingen ein. Hier sagt Buß ganz unverblümt: „Würden die Polizisten ihr Privateigentum wieder mit nach Hause nehmen, würde nur noch ein Tisch und ein Stuhl übrigbleiben.“ Au weia, denke ich. Ob ich das wohl so zitieren darf? Ja, darf ich. Milde, Boekhoff und Collmann reagieren meinem Empfinden nach erstaunlich gelassen. Milde meint: „Ich habe in der letzten Zeit eine Häufung dieser Schilderungen gehört. Das darf jetzt nicht zu einem Parteiproblem werden.“ Die drei können gelassen sein, sie sind ja noch in der Opposition. Gerhard Schröder wird erst einige Monate später die CDU-Regierung um Albrecht ablösen. Auf dem Weg zurück in die Redaktion nach Leer geht mir einiges durch den Kopf. Fest steht: Das wird Sonntag der Aufmacher. Fest steht auch: Das ist ein tolles Thema für unseren Karikaturisten Thomas Balzen, der in diesen Zeiten jeden Sonntag ein lokales Thema zeichnerisch „auf´s Korn“ nimmt. Thomas – er hat heute eine Kreativ-Agentur mit mehreren Unternehmen in Großefehn – und ich sind uns schnell einig. Der Titel wird lauten „Das kleine Polizeirevier“ (siehe Fotoausriss). Bis Sonntag ist ja noch etwas Zeit. Zeit, die wir nutzen, um daraus eine runde Sache zu machen. Titelseite, Kommentar, Karikatur – das volle Programm. Ich bin schon gespannt, was es für Reaktionen gibt…

In den Wochen nach der Veröffentlichung werde ich oft auf das Thema angesprochen. Politisch bleibt es eher ruhig. Das wird sich wenige Wochen später ändern, als die Zustände und der Bericht zum Thema im Landtag in Hannover werden. Es kommt Bewegung in das Thema. Bis die Zeiten des „kleinen Polizeirevier“ vorbei sind, wird zwar noch einige Jahre – ich meine es waren vier, aber das weiß ich nicht mehr so genau – dauern, bis die Polizisten in ihre heutige Station in der 1. Südwieke 49 in Rhauderfehn und die Kollegen in Ihrhove in die Großwolderstraße 7 umziehen. Den Termin, zu dem ich eigentlich überhaupt keine Lust hatte, werde ich immer als einen ganz besonderen in Erinnerung behalten. So offen und mutig hat nie wieder ein Beamter Missstände über seinen Arbeitgeber angesprochen. Auch heute noch mein Respekt, Herr Revierleiter und Polizeioberkommissar Heinz-Günther Buß!

Karikatur Thomas Balzen

Kommentar von Jörg Furch, Rhauderfehn (14. Februar 2021), lange Jahre Gemeindedirektor in Rhauderfehn:

Alles an einer Stelle

Heinz Günther Buss war damals SPD-Ratsmitglied bei uns in Rhauderfehn. Relativ jung und „unverbraucht“. Er hat dann in Halle (Sachsen-Anhalt) Karriere gemacht.
Er lebt jetzt in Emden und ist Vorsitzender des Feuerschiff-Vereins. Die Amrum-Bank ist durch seine Initiative gerade restauriert worden.

Den Neubau des Polizeikommissariats haben wir gemeinsam mit den drei uns sehr gut bekannten Politikern anschieben können. Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei an einer Stelle! Den Hinweis auf Thomas Balzen habe ich gesehen. Danke. Ich bin auch in einigen Karrikaturen von ihm aufgetaucht. Er wurde immer besser.

Hartwig Pruin, Ladbergen (22. Februar 2021)

Der Polizeihund

Hallo aus dem Münsterland!
Sehr interessant fand ich den Artikel über die Polizeiwache in Rhauderfehn. Es hat in mir Erinnerungen geweckt: Ende der 50er Jahre hatte sich Polizist Alwin Harders seinen ersten „Diensthund“ zugelegt. Der Schäferhund hatte an der Station seinen Zwinger. Mein Klassenkamerad und ich, wir wohnten in Rajen jeweils rechts und links vom Polizeigebäude und waren so 10 Jahre alt, waren von dem Hund begeistert.
Während dieser  tagsüber vom  „Hundeführer“ ausgebildet wurde, fand er bei uns in Abwesenheit seines Ausbilders  liebevollen Zuspruch. Es wurde gekrault, gefüttert und alles weitere was man so mit einem Tier in einem Zwinger machen kann. Nach Wochen kam die erste Vorführung auf dem Innenhof des Dienstgebäudes und wir beide durften zuschauen. Der Hund befolgte artig die Befehle seines „Vorgesetzten“. Doch dann riefen wir den Vierbeiner und die ganze Ausbildung war wohl für die Katz gewesen.  An das erstaunte Gesicht seines Herrchens  kann ich mich noch heute erinnern. Die nächsten Diensthunde waren dann auch auf dem Privatgrundstück Harders untergebracht.
Doch Alwin Harders hat sich „gerächt“.  Jahre später, wir waren zwischenzeitlich Kollegen geworden, hat er mir bei einem Bier erzählt, dass er mir fast täglich das heimliche Angeln im Kanal vermiest hatte.  Wie selbstverständlich fuhr er mit dem Streifenwagen Richtung 2. Südwieke wenn ich angelte. Das Resultat war, das ich mangels Angelschein die Angel in den Kanal geworfen habe und zurück auf unser Grundstück rannte. Zeitweilig hatte Alwin dann noch bei Plümer gewartet und war nach meiner erfolgreichen Angelrettungsaktion zurück in Richtung Untenende gefahren, womit sich das Prozedere wiederholte.“


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