Das Problem mit der Ökumene

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Es gibt kaum ein Thema, über das ein Redakteur im Laufe seines Journalistenleben nicht schreibt. Manchmal gehört auch ein kleiner „Etikettenschwindel“ dazu. Beispiel gefällig? Beim „Wolgaster Anzeiger“ hatten wir in der neu gegründeten Zeitung jeden Sonnabend auch das „Wort zum Sonntag“ im Blatt. Jede Woche schrieb auf Seite 2 ein evangelischer oder katholischer Geistlicher einen Beitrag zum Miteinander oder zu einem Bibeltext.

Nun ist es auch bei Pastoren so, dass auch sie nur Menschen sind und auch mal etwas vergessen. Im Osten nach der Wende war die Zahl der potenziellen Autoren stark reduziert. Wenn also ein Beitrag nicht eintraf, war Not am Mann. Scheiterten dann die Versuche, kurzfristig einen anderen Autor zu finden, blieben nur zwei Möglichkeiten: Rubrik ausfallen lassen oder selbst schreiben. Eine Rubrik ausfallen zu lassen, ist bei Zeitungsleuten ein No-Go. Also mussten wir selbst ran. Da nur mein Chef – er war immerhin auch mal Vorstand eines Kirchengemeinderats – und ich eine christliche Sozialisation hatten, war die Zahl der Autoren begrenzt. Mein Chef hatte in der Vorwoche bereits als Sven Borssum (er stammt aus dem Emder Ortsteil) geschrieben und nun war ich dran. Ok, langsam an das Thema herantasten. Erst mal festlegen, wer denn schreibt. Nun wusste ich, warum mir meine Eltern zwei Zwischennamen gegeben hatten: Frank Olaf. Flugs die beiden Namen umgedreht und die Autorenzeile lautete: „Von Olaf Frank“. Dann hatte ich noch eine Stunde, um einen schönen Text zu Papier zu bringen. Die 60 Zeitungszeilen waren nicht so einfach – der Text muss ganz ok gewesen sein, denn es gab keine Leserbeschwerden und auch keine Nachfragen…

Meinem Chef hat mein Beitrag so gut gefallen, dass ich danach noch einige Male ran musste. Zu Ostern schrieb ich erneut einen Text – über den ökumenischen Jugendkreuzweg. Dieses Mal zur Abwechslung unter meinem Namen. Damals wurde die Datei mit dem Text noch an einen Techniker weitergegeben, dann layoutet und über den Belichter auf Papier gebracht. Bevor der Text dann im Klebeumbruch auf der Seite platziert wurde, las noch eine Mitarbeiterin Korrektur. Ein weiterer Kollege war dann für die Gestaltung des Textes auf der Seite zuständig, die nach der Fertigstellung in einer Kiste landete, um in Richtung Druckerei nach Eberswalde bei Berlin transportiert zu werden

Wenn es zeitlich passte, dann hatte ich die Gewohnheit, noch kurz vor der Abfahrt des Kollegen zur Druckerei in die Kiste zu schauen und mir die Seiten anzusehen. Man ist ja neugierig… Auch an diesem Abend machte ich das so. Und das war mein Glück. Ich schaute kurz über meinen Jugendkreuzweg-Text – und traute meinen Augen nicht. Im gesamten Text waren die Wörter „ökumenisch“ und „Ökumene“ geändert worden. Stattdessen stand da „ökonomischer Jugendkreuzweg“ und „Ökonomie“. Ich habe vor Entsetzen losgebrüllt, wer denn „für diese Scheiße“ verantwortlich ist. Mit damals 21 Jahren konnte ich mich nicht beherrschen. Meine Kollegen um mich herum schauten mich ungläubig an. Sie fragten mich, was denn falsch sei. Als ich mich etwas beruhigt hatte, musste ich feststellen, dass sie mit Ökumene nichts anfangen konnten. Woher auch. Der Sozialismus hatte bis zur Wende dafür gesorgt, dass die Kirche (fast) keine Rolle spielte, geschweige den der ökumenische Gedanke.

Seit diesem Tag habe ich das „Wort zum Sonntag“ grundsätzlich selbst gegen gelesen und vor dem Weg zur Druckerei immer noch einmal alles kontrolliert…

Schöne Ostern wünscht Olaf Frank (HH)


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