Die Beeinflussung mit kleinen Annehmlichkeiten

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Als Journalist ist die Unabhängigkeit eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine gute, differenzierte und vor allem auch kritische Berichterstattung. Nicht immer wird diese Unabhängigkeit gerne gesehen. So ist es an der Tagesordnung, dass mit dezenten Hinweisen deutlich gemacht wird, welche Erwartungshaltung an einen Bericht besteht und „dass wir ja alle zufrieden sein wollen, mit dem, was geschrieben wird“. Nicht selten kommt auch der Satz „Auch ein Redakteur weiß ja, dass sein Gehalt auch von Anzeigen und Beilagen finanziert wird und wir ja guter Kunde bei Ihrem Verlag sind.“. Oft ist es am besten, darauf gar nicht einzugehen bzw. zu diskutieren. Meist funktioniert es, Stärke zu zeigen und professionell zu agieren.

Manches Mal geht der Versuch der Einflussnahme auf den Bericht noch ein Stück weiter. So erinnere ich mich an einen Termin bei einem Gastronomen, dem für sein Restaurant in Strandnähe die Erlaubnis entzogen werden sollte. Er regt sich über eine Berichterstattung in einer Mitbewerberzeitung auf, berichtet von seinen existenziellen Sorgen und setzt darauf, dass ich ihn verstehe. Es ist ein gutes Gespräch. Dann jedoch greift er zu seiner Geldbörse und legt 200 DM auf den Tisch. „Außerdem kannst Du Dein gesamtes Leben hier herkommen und hast immer alle Essen und Getränke frei“. Klare Worte. Ich schaue diesen Mann verwundert an und bin einen Moment sprachlos. Es dauert, bis ich auf diese Offerte – als Volontär sind 200 DM viel für das eigene Portemonnaie – reagiere. Dann erwidere ich ihm, dass er erstens ja noch gar nicht wisse, ob und was ich schreiben werde und zweitens müsse ihm doch wohl klar sein, dass das eine plumpe Bestechung sei. Und was antwortet der Mann? Na klar, das wisse er. Er gehe hat sicher davon aus, dass ich nach dem so guten Gespräch schon in seinem Sinne schreiben würde. Er hätte ein richtig gutes Gefühl und die 200 Mark seien ein Dankeschön, dass ich mir für ihn so viel Zeit genommen habe. Ich versuche, ihm ein zweites Mal zu verdeutlichen, dass das so nicht funktioniere. Er schiebt das Geld weiter zu mir herüber und meint, dass ich es ruhig nehmen könne. Mich macht das böse. Ich stehe auf und sage, er könne mich mal gern haben und gehe. Er versucht mich aufzuhalten – zwecklos. Bei der weiteren Recherche stellt sich vieles anders als dargestellt heraus – und aus dem „Skandal“, wie die Behörden hier einen Gastronomen fertig machen wollen, wird eine hochjuristische Frage. Die Frage, ob ich über das Erlebnis schreibe, muss ich am Ende nicht beantworten, weil meine Zeit bei der Zeitung unerwartet wenige Tage später zuende geht…

Spannend ist es auch, wenn sich die Gesprächspartner zuvor über den Redakteur informiert haben. Bei mir war es oft das Thema Fußball und Bayern München, dass „eingesetzt“ werden sollte. Ich kann die Male, wo von einer Einladung in die Business-Loge im Stadion die Rede war, nicht mehr zählen. Klar war die Vorstellung reizvoll, in dem schönen Ambiente ein Spitzenspiel sehen zu können – letztlich ist es dazu nie gekommen, weil ich alle Einladungen ausgeschlagen habe. Denn auch hier ist immer klar gewesen: Es geht nicht um einen schönen gemeinsamen Abend, sondern um „Beziehungsmanagement“…

Oder nehmen wir die Einladungen zu abendlichen Pressegesprächen mit einem offiziellen und einem gemütlichen Teil. Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn auch außerhalb des Protokolls im Anschluss vertraulich das eine oder andere Wort gesprochen wird, um hintergründige Zusammenhänge zu verstehen. Allerdings sollten die Grenzen klar abgesteckt sein. Ein wenig habe ich mich schon gewundert, als bei einem Termin im Vorfeld die Frage kam: Wo dürfen wir Sie denn mit unserem Fahrer abholen und wohin wollen Sie in der Nacht nach Hause gebracht werden? Meine Antwort ist stets: Ich fahre selbst hin und auch selbst wieder nach Hause. Die Einladenden hatten dafür nicht immer Verständnis, denn es „ist doch in der Vergangenheit mit dem Vorgänger und den Kollegen immer ganz nett gewesen“. Am Ende wird respektiert, dass es nicht wie immer abläuft und die Gespräche waren dennoch sehr intensiv und zielführend für eine gute und umfassende Berichterstattung.

By the way: Volontären, die ich ausbilden durfte, habe ich diese und andere „Beeinflussungsversuche“ immer sehr ausführlich dargestellt und aufgezeigt, was das für die journalistische Unabhängigkeit bedeutet. Jeder solle sich immer der Gefahr der Einflussnahme durch Kleinigkeiten bewusst sein. Aus meiner Sicht gilt der Grundsatz „Einmal käuflich, immer käuflich“. Mit einem Augenzwinkern habe ich dann immer ergänzt: Wenn Sie dann doch einmal Vorteile annehmen, dann bitte mit einem solch` hohen Wert, dass Sie danach nie wieder arbeiten müssen… Von derartigen Avancen ist mir allerdings im Lokaljournalismus in all` den Jahren nichts zu Ohren gekommen.

Symbolfoto: cottonbro by pexels.com

Holger HartwigDie Beeinflussung mit kleinen Annehmlichkeiten