DIE KOLUMNE: Betongold-Preise stagnieren, aber Mieten gehen durch die Decke

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Er ist ein Sammelsurium von Zahlen, Daten und Fakten: der Grundstücksmarktbericht zur Entwicklung von Immobilienpreisen und Mieten im Kreis Leer. Eingebettet in die Betrachtung der Region, hat der Gutachterausschuss der Regionaldirektion Aurich des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) auf 137 Seiten zusammengefasst, wie sich die Preise für Immobilien und auch für das Mieten von Wohnungen 2023 entwickelt haben. Das Ergebnis, das sich auch im ersten Quartal 2024 weitgehend unverändert bei weiter fallenden Preisen für Einfamilienhäuser präsentiert: Der Bauboom mit viel Arbeit für Handwerker, der die Region eine Dekade bestimmt hat, ist endgültig vorbei. Die Preise für „Betongold“ sind gesunken und stagnieren derzeit. Aber: Wer Wohnungen sein Eigentum nennt, der kann damit weiterhin gutes Geld verdienen.

Der Blick in die Statistiken ist eindeutig: Seit 2020 ist die Zahl der Immobiliengeschäfte um ein Drittel zurückgegangen. Es sind kreisweit nur noch knapp über 2.000 Kaufverträge geschlossen worden. Das Volumen ist dabei über die Jahre gleichermaßen – trotz Inflation – zurückgegangen. Besonders auffällig: Die Zahl der verkauften Bauplätze für Wohnbauten ging sogar um fast 70 Prozent zurück (2023 nur noch d127). Überraschend ist dabei, dass bei einer stark rückläufigen Zahl der Baulandverkäufe die Preise nicht mit einem Preisverfall einhergehen. Sie haben sich seit 2010 teilweise fast verdoppelt. Erschlossenes Bauland kostet pro Quadratmeter in Leer bis zu 250 Euro, selbst in Dörfern des Kreises (z.B. Schwerinsdorf) sind mittlerweile 79 Euro zu zahlen. Völlig unbedeutend ist bei den Grundstücken übrigens die Nachbarschaft von Windenergieanlagen. Egal, wie nah diese Anlagen stehen – die Preise werden dadurch nicht beeinträchtigt. Auch, wer bereits Grund und Boden hat, der kann sich über stabile Preise freuen. Die Bodenrichtwerte für bebaute Grundstücke bleiben durchgehend stabil. Spitzenreiter im Kreis sind hier Borkum an der Promenade mit 2.500 Euro pro Quadratmeter und in Leer die Mühlenstraße in1a-Geschäftslage mit 950 Euro je Quadratmeter.

Was der Rückgang der verkauften Bauplätze bedeutet? Die Baubranche mit ihren vielen Handwerksbetrieben geht in eine noch schwierigere Phas, die ersten Firmen brechen bereits weg., weil das Bauen unbezahlbar und wirtschaftlich für Investoren uninteressant ist. Die Preise für neue Wohngebäude sind seit 2010 um 76 Prozent angestiegen, davon allein um 37 Prozent seit 2021. Der Fachkräftemangel fängt die drohende Arbeitslosigkeit der Angestellten zwar etwas auf, weil die verbliebenden Firmen neue Leute suchen, Aber: Das wird auf Dauer wohl nicht ausreichen. Weniger Beschäftigung, weniger Einkommen, weniger Konsumausgaben, weniger Investitionen in Haus und Heim…

Nun noch ein Blick auf die Entwicklung der Kaufpreise für bereits bestehende Wohnhäuser für einen oder zwei Haushalte. Hier gehen die Preise seit Ende des ersten Quartals 2022 durchschnittlich zurück. Hatten sie sich seit 2010 im Schnitt um den Faktor 2,34 erhöht, fallen die Preise, liegen aber immer noch auf dem Niveau des ersten Quartals 2021 mit dem Faktor 1,96 zu 2010. Bestandsimmobilien haben also immer noch ihren guten Preis – allerdings in starker Abhängigkeit zu ihrem Baujahr und dem damit oft verbundenen energetischen Zustand (Energieeffizienzklasse). Rückgängig ist zudem auch die Zahl der verkauften Eigentumswohnungen (- 36 Prozent im Vergleich 2023 zu 2022) Das Angebot an zu kaufenden Immobilien ist – wie in den Vorjahren – insgesamt stagnierend auf niedrigem Niveau, wie Immobilienexperten aktuell zu berichten wissen. Das dürfte auch auf den zweiten Aspekt des Berichtes zurückzuführen sein: die Entwicklung der Mieten.

Auch dieser Bereich sagt viel über die Situation in der Wirtschaft aus. Die Mieten sind in den vergangenen zehn Jahren im Kreis Leer explodiert. Es gibt darüber – anders als in den Städten Emden, Aurich oder Norden – für Leer zwar keinen Mietpreisspiegel, die Daten für die Ledastadt bzw. für das Kreisgebiet werden aus Marktbeobachtungen ermittelt. Im Vergleich zu 2015 stiegen die Mieten im Schnitt um 51 Prozent (!) an – und das auch, seitdem die Immobilienpreise sich stabilisiert haben bzw. einen Trend nach unten zeigen. Allein seit 2021 beträgt die Steigerung 20 Prozent. Wohlgemerkt: Dabei handelt es sich nicht um die Gesamtmiete, sondern lediglich um den Preisanstieg der Kaltmiete. Strom- und Gaspreisanstiege sind dabei nicht berücksichtigt. Was das aussagt? Das bundesweite Thema der fehlenden Wohnungen ist auch „auf dem platten Land“ fernab der Metropolen ein Faktor. Wer „Betongold“ zur Vermietung sein Eigen nennt, kann sich freuen. Wer zur Miete wohnt, für den werden die Zeiten nicht einfacher – trotz der geltenden Gesetze. Da die Zinsen und Baupreise – siehe oben – weiter hoch sind, ist nicht mit großer Neubautätigkeit zu rechnen. Wer also eine Wohnung gemietet hat, der muss sich gut überlegen, ob ein Umzug irgendwie vermeidbar ist, da es auf jeden Fall teurer wird.

Was zudem beängstigend ist: Die massiven Mietpreissteigerungen schlagen voll auf die staatlichen Sozialausgaben. Das aus eigener Tasche bezahlbare Dach über dem Kopf wird immer mehr zu einem Problem. Wohngeld, Grundsicherung und Bürgergeld – die Sozialkosten explodieren bereits jetzt. Der Ausweg? Strengere Gesetze, Mietpreisbremsen oder vergleichbares? Überlegenswert, aber letztlich regelt der Markt aus Angebot und Nachfrage am Ende die Preise. Also müsste eher mehr Angebot geschaffen werden. Attraktiv wäre der Wohnungsneubau angesichts der Mietpreisentwicklungen, allerdings spricht die Entwicklung der Baugenehmigungen seit drei Jahren in der Region eine andere Sprache. Sie tendieren fast gen Null – bis auf einige Mehrfamilienhausprojekte meistens in Stadtlagen. Die Kosten für Neubauten sind angesichts der vielen Vorschriften, gestiegenen Baupreise und höheren Zinsen selbst bei sehr guten Mieteinnahmen zu hoch.

Zinsen und Materialkosten lassen sich nicht ohne weiteres ändern, die Bauweisen und Regularien schon. Doch statt die Anforderung an die Bauausführung zu senken – ein Blick in Nachbarländer gibt viele und sehr gute Anregungen – kommen durch die Energiewende neue Auflagen satt hinzu. Kurzum: Keine guten Aussichten für Investoren, Handwerker und vor allem Mieter, die tendenziell eher ein schmaleres Portemonnaie haben – und die als letzte Hilfe bei steigenden Mieten auf Transferzahlungen aus Steuern zurückgreifen müssen. Auch das sind ebenfalls keine guten Aussichten.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Betongold-Preise stagnieren, aber Mieten gehen durch die Decke