Woran merken Sie auch heute noch täglich den Unterschied, ob Sie im Kreis Leer oder beispielsweise auf Sansibar oder irgendwo im Wald in Osteuropa unterwegs sind? Ganz einfach: Im Kreis Leer brechen Ihre Telefonate wegen fehlendem Handyempfang ab oder ihre Freunde oder Bekannte klagen ihr Leid, dass an das Streamen von Filmen über das Internet nicht zu denken ist. WWW steht da für „Warten. Warten. Warten“. Hoffnung naht. Bis Ende 2025 wird der Kreis mit seinen „weißen Flecken“ fast komplett abgedeckt sein. Die digitale Ödnis wird zuende gehen. Ostfrieslandweit wird der Kreis Leer dann die Nase vorn haben.
Woher der Optimismus, werden Sie sich fragen. Ganz einfach: Die Strategie des Landkreises Leer und der Kommunen scheint aufzugehen. Rechtzeitig – heute würden die Fördermillionen nicht mehr fließen, weil u.a. das Land Niedersachsen keine Mittel mehr bereitstellt – wurden Fakten geschaffen. Bis zum Frühsommer 2025 werden die Häuser und Gewerbebetriebe, die gerne „als die letzte Milchkanne“ bezeichnet werden, dank eines 120 Mio. Euro-Investments an das Glasfasernetz angebunden sein. Fast 17.000 Adressen werden über das Projekt, bei dem die Kommunen und der Kreis nur 16,5 Mio. Euro „mitvergraben“ müssen, angeschlossen. Nur maximal 300 Adressen – das sagt der Kreis – werden weiterhin unversorgt bleiben. Eine gute Quote für die „letzten Milchkannen“. Aber was ist mit dem Rest?
Als das Förderprogramm für die schlecht versorgten Adressen – das sind die, bei denen Anbieter wie EWE, Telekom und Deutsche Glasfaser keine Chance zum Geld verdienen sehen, was offiziell „Marktversagen“ heißt – aufgelegt wurde, war auch die digitale Zukunft vieler anderer Bereiche des Kreises mit dichter Besiedlung völlig offen. Das Risiko der Politik: Wenn die Privaten nicht in den übrigen Gebieten loslegen, wird der Protest groß werden. Im Kreishaus kann man jetzt durchatmen: Aktuell ist für 90 Prozent aller Haushalte der Bau einer schnellen Leitung in der Umsetzung oder geplant. Gerade in der vergangenen Woche wurde für Leer der Ausbau in Eisinghausen, Heisfelde, Loga und Logabirum verkündet. Jetzt müssen die Bürger dort und anderswo in den Gemeinden nur noch ausreichend Anschlüsse „bestellen“, damit gebuddelt wird. Die Kritik der Menschen, dass man auf einen Anbieter „festgenagelt“ wird, ist nachvollziehbar. Aber: Sind die Netze erst einmal gebaut, müssen diese für andere Anbieter „freigegeben“ werden. Deshalb kann aktuell nur das Motto gelten: Augen zu und durch, einen ersten Vertrag abschließen, Netz bekommen und dann ggf. weitersehen. So viel zum Thema Glasfaser. Da lässt sich sagen: Es scheint zu „laufen“, das Netz im Kreis Leer wird zusammenwachsen.
Wie sieht es mit dem Handyempfang aus? Immerhin eine Alternative, wenn die feste Leitung nicht „passt“. Hier wird es ab Anfang 2024 zur Sache gehen: Der Kreis wird im Oktober die Ergebnisse seiner „Müllwagen-Studie“ vorliegen haben. Die Fahrzeuge des Abfallwirtschaftsbetriebes ermitteln „nebenbei“ für jede Adresse im Kreis, wie der Stand der Dinge ist. Umgehend soll dann bei den Mobilfunkanbietern abgefragt werden, wie die „Entwicklungspläne“ für das Kreisgebiet aussehen. Ab Anfang 2024 wird das direkte Gespräch gesucht. Ziel: die Anbieter zusammenbringen, um die Funklöcher zu schließen, oder ansonsten umgehend an anderen Lösungen arbeiten. Auch das hört sich gut an und wird hoffentlich die digitale Ödnis beenden.
Doch nicht nur bei den Netzen macht der Kreis vieles richtig. In Kürze steigt die fünfte Digitale Woche in Leer. Knapp unter 1.000 Experten, Firmenvertreter und Interessierte kommen zusammen. Gelebte Netzwerkarbeit. Gut so. Mit dem Digital Hub Ostfriesland (DHO) mitten in Leer geht es auch voran. Vom Digital-Nerd, über Firmen und Schüler bis zum Opa – das Angebot mit moderner Ausstattung und Informationsangeboten wird genutzt. Das Konzept – ausgestattet mit fünf Mitarbeitenden – ist zwischenzeitlich überregional im Fokus. Zuletzt machten sich Interessierte aus Bayern auf den Weg, um zu erfahren, wie man in Leer für die Region Ostfriesland digitale Zukunft gestaltet. Kurzum: Im digitalen Bereich hat der Kreis Leer mit seinem Amt für Digitalisierung und Wirtschaft um Leiterin Andrea Sope eine insgesamt funktionierende Strategie in der Umsetzung. Das verdient Respekt.
Wie schön wäre es, wäre diese Weitsicht doch auch über das Betreiben eines Seniorenheimes – ein handfester Skandal, was dort seit Jahren mit Wissen des Landrats Groote in der Pflege schief gegangen ist – oder in der Regionalentwicklung beim Wohnungsbau, dem ÖPNV oder der Klima- oder Energieplanung auch feststellen.
Foto: EWE/Christian Kerber