In diesen Tagen geht es in der Kreispolitik wieder um das liebe Geld. Die Beratung über den Haushalt für 2024 steht an. Es bewahrheitet sich das, was zu erwarten war: Nach Jahren der Konsolidierung geht es langsam, aber stetig wieder in die Richtung Defizite im laufenden Geschäft. 2024 werden die Ausgaben um knapp 20 Mio. Euro höher liegen als die Einnahmen. 2027 werden es – so die Schätzung – über 33 Mio. Euro sein. Und das, obwohl die Gesamteinnahmen so hoch sind wie sie es noch nie gewesen sind. Die Inflation lässt die Steuereinnahmen wachsen, die Wirtschaft läuft trotz Pandemie, Krieg und Energiekrise (noch) erstaunlich gut. Die Finanzsituation des Kreises ist dabei viel besser als die der Kommunen – diese sollen auch 2024 wieder kräftig über die Kreisumlage zur Kasse gebeten werden. Bereits im vergangenen Jahr hagelte es Proteste, eine Klage zwischen Kreis und Stadt steht im Raum. Eine Arbeitsgruppe sollte eine weitere Eskalation vermeiden. Und was macht Landrat Matthias Groote (SPD)? Er fehlt bei der entscheidenden Besprechung in der letzten Januarwoche…
Zunächst aber ein Blick in die Zahlen. Insgesamt hat der Kreishaushalt ein Volumen von 484 Mio. Euro (+ 6,82 Prozent). Die laufendenden Ausgaben können nicht gedeckt werden, weil vor allem der Bereich der Sozialleistungen weiter „explodiert“ und der Kreis viele der Ausgaben nicht vom Land oder Bund erstattet bekommt. In diesem Bereich werden die Zahlen immer „gruseliger“. Vor allem in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe „geht die Post ab“. Die Kosten, die der Kreis zu tragen hat, steigen noch einmal um 11 Mio. Euro auf fast 80 Mio. Euro. Zum Vergleich: 2014 waren es nur knapp 24 Mio. Euro. Allein bei den Hilfen zur Erziehung – d.h. bei der Individualförderung von Kindern und Jugendlichen – steigt das Defizit von 25 Mio. auf nun 30 Mio. Euro. Junge Volljährige müssen übrigens heutzutage auch unterstützt werden – zwischenzeitlich mit 12 Mio. Euro – damit sie im Alltag oder durch Heimunterbringung zu Recht kommen. Hauptsache, diese Förderungen bringen auch etwas, denn sonst werden diese Jugendlichen möglicherweise zu „Stütze-Empfängern“ von morgen“.
Bei den Investitionen sprechen die Zahlen auch eine deutliche Sprache. Der Kreis wird mit 21,45 Mio. Euro nur 50 % der Vorjahressumme investieren. Gleiches gilt für den Bereich der Schulen – hier sind es statt 9,99 Mio. Euro nur noch 4,49 Mio. Euro. Vor allem im Schulbereich wird aus Teilen der Politik hinterfragt, warum beschlossene Maßnahmen so schleppend oder gar nicht realisiert werden. Im Fokus wird in den kommenden Monaten deshalb – erneut – Baurätin Jenny Daun stehen. Zudem stellt sich die Frage, ob in Zeiten schlechter Baukonjunktur ein Kreis, der sich seit 2014 massiv entschuldet hat (von136 auf 78 Mio. Euro) nicht stärker in Infrastruktur – vor allem in Schulen – investieren oder eigene Projekte wie die Weiternutzung des EWE-Geländes mit Hochdruck vorantreiben sollte. Aber da wird der politische Schlagabtausch im Kreistag im März bestimmt spannend werden. Denn auf Dauer nur zu entschulden – der Kreis hat ja auch eine Menge Vermögen und Werte, die diesen Schulden entgegenstehen – wird keine Lösung sein.
Dann ist da noch die Sache mit der Kreisumlage. Wie bekannt ist, haben Teile der Kommunen bereits im vergangenen Jahr „gemurrt“ und um einen gemeinsamen Arbeitskreis gebeten. Die Kommunen zahlen aktuell knapp 120 Mio. Euro an den Kreis. Vor fünf Jahren waren es 94 Mio., 2011 gar nur 60 Mio. Euro. Es soll also nach einer gemeinsamen Lösung gesucht werden. Landrat Matthias Groote (SPD) schreibt in seinem Bericht zum Haushalt, dass „die Zukunft unserer Region eine Einigung über gemeinsame Ziele und einen kooperativen Ansatz für nachhaltige Finanzpraktiken“ erfordert, brüskiert dann aber die Arbeitsgruppe durch sein Fehlen. Es stellt sich erstens die Frage: Ist alles nur ein Lippenbekenntnis, da sich von 2023 auf 2024 für die Kommunen nichts ändert? Und zweitens: Ist Grootes Abwesenheit beim bisher wichtigsten Termin mit den Vertretern der Kommunen dumm, dreist oder einfach nur feige? Wahrscheinlich von allem etwas. Der Kreishaus-Chef setzt dadurch auf seine Art und Weise ein Signal.
Wie es scheint, ist aus der Solidargemeinschaft, die Kreis und Kommunen einst zum Wohle des Bürgers gelebt haben, ein „Einzelkämpfer“ geworden. Denn während sich der Kreis erfolgreich entschuldet hat, steht den Kommunen das Wasser immer mehr bis zum Hals. Die Stadt Leer wird sich wohl den „Griff in die Stadtkasse“ durch Landrat und Kreistag nicht mehr so gefallen lassen. Sie erwartet ein weiterer Anstieg der Kreisumlage durch die Kita-Übernahme durch den Kreis auf dann 66,96 Prozent. Für die Stadt bedeutet das, dass der Kreis 37 Mio. Euro Umlage kassiert. Zur Einordnung: Die Umlage nimmt etwa 41,5 Prozent der städtischen Gesamtausgaben ein und die 37 Mio. Euro sind sogar mehr, als die Stadt mit 33,8 Mio. Euro Gewerbesteuererträgen selbst erzielen wird.
2024 wird politisch spannend. Zumal allen Verantwortlichen klar ist, dass die harten Jahre eh erst noch kommen. Die Rückkehr zu einer gemeinsamen Strategie wird unabdinglich sein.
Man darf gespannt sein, wie vor allem die Partei des Landrates, die SPD, das Thema Umlage wieder einfängt. Sonst knallt es früher oder später richtig. Ebenso darf man gespannt sein, ob Landrat Groote es endlich schafft, auch einmal – am besten im Verbund mit den Landratskollegen – in Richtung Landes- und Bunderegierung zu schießen. Denn: Die Engpässe in der Kreiskasse und die hohe Kreisumlage sind vor allem auf dem Umstand zurückzuführen, dass der Kreis Aufgaben von oben „reingedrückt“, aber nicht ausreichend – Beispiel Kinderbetreuung – gegenfinanziert bekommt. Eine derartige Attacke ist vom Landrat wohl eher nicht zu erwarten. Oder hat er seit 2016 `mal richtig Farbe bekannt, ist anderen auf die Füße getreten und hat für Schlagzeilen gesorgt?