„Herausforderung? Wir werden weniger engagierte Mitarbeitende haben“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Sabine Schiermeyer, neue ev.-luth. Regionalbischöfin für den Sprengel Ostfriesland-Ems

EMDEN/ LEER Ein neues Gesicht wird in den kommenden zehn Jahren die Arbeit und das Leben in den 155 Kirchen- und Kapellengemeinden des Sprengels Ostfriesland-Ems prägen: Sabine Schiermeyer ist seit 1. Februar die neue Regionalbischöfin für etwa 297.000 evangelisch-lutherische Christen. Die 56-jährige war zuletzt Superintendentin des Kirchenkreises Stolzenau-Loccum und hat die Nachfolge von Detlef Klahr angetreten. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht die Geistliche, die auch als Sprecherin ihrer Andachten auf NDR zu hören ist und in Emden ihren Sitz hat, über die Neustrukturierungen, die in den kommenden Jahren anstehen, die Herausforderung, wieder mehr junge Menschen zu begeistern und die Folgen der Studie zur sexualisierten Gewalt in der Kirche. Weitere Themen sind ihre neue Heimatstadt Emden, die plattdeutsche Sprache oder warum Gott mit den Kriegen auf der Welt nichts zu tun hat.

Die neue Aufgabe passt perfekt zu mir, weil …

… ich als Pastorin und Superintendentin viel Erfahrung mitbringe und ich auch in der neuen Aufgabe weiterhin das machen darf, was ich gerne mache: Das Evangelium verkündigen und seelsorgerisch für Menschen tätig zu sein.

Als größte Herausforderung in den kommenden Jahren sehe ich für unseren Sprengel…

… die erforderlichen Veränderungen, die auf uns warten, erfolgreich zu gestalten. Wir werden durch den demografischen Wandel und auch durch Austritte leider weniger Menschen in unseren Gemeinden haben und das wird sich auf unsere Alltagsarbeit auswirken. Strukturell, aber auch inhaltlich werden wir uns auf die Bedürfnisse der Menschen einstellen. Dabei werden wir sicherlich weniger Gebäude betreiben und in der Fläche auch weniger engagierte Mitarbeitende haben.

Mein Wunsch, Pastorin zu werden, ist gewachsen, weil …

… ich schon als Kind in der Familie den Glauben und die Kirche als selbstverständlich erlebt habe. Der Wunsch, den Beruf als Pastorin zu wählen, ist sicherlich durch den guten Konfirmandenunterricht und die Erfahrungen in der Jugendzeit gewachsen. Kirche hat mir immer einen Raum gegeben, in dem ich mich entwickeln durfte. Dafür bin ich dankbar.

Wenn ich an das Durchschnittsalter der Besucher der Gottesdienste denke, dann …

… ist das zugegeben eher hoch. Es muss uns gelingen, auch neue Formen zu entwickeln, mit denen wir geistlich und spirituell auch jüngere Menschen stärker ansprechen können. Es gibt viele Beispiele, wie das funktioniert. Ich denke an eine junge Kollegin aus meinem alten Kirchenkreis, die zu einem Jugendgottesdienst über 70 junge Menschen begrüßen konnte.

Das Klimaschutzgesetz, dass die Landessynode im November 2023 beschlossen hat, ist …

… notwendig, um dem Auftrag, unsere Schöpfung zu bewahren, nachzukommen. Es ist eine große Herausforderung für die Kirchenkreise, besonders auch ein Kraftakt für die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden.

Wer mir erzählt, dass er aus der Kirche austreten will, dem antworte ich …

Ich frage: Was hat Dich dazu bewogen? Die Antworten sind dann sehr unterschiedlich. Das reicht von schlechten persönlichen Erfahrungen bis zu der Erkenntnis, dass es keine Bindung, keine innere Resonanz mehr gibt. Es ist oft ein schleichender Prozess. Leider ist die Zahl der Gespräche aber überschaubar. Meist habe ich den Austretenden einen Brief geschrieben. Ich möchte damit signalisieren, dass uns die Gründe interessieren, und deutlich machen, dass die Tür immer offen steht.

Wenn mir jemand sagt „Warum lässt Dein Gott zu, dass in der Ukraine und Gaza-Krieg geführt, gemordet und sinnlos zerstört wird“, dann reagiere ich darauf mit und sage, dass…

… das nicht Gott macht. Das bekommen wir Menschen ganz allein hin. Bereits Kain und Abel haben das in der Bibel geschafft. Warum wir Menschen so agieren, das können wir nur selbst beantworten. Das, was dort geschieht, passiert jedenfalls nicht in Gottes Namen.

Über den Umstand, dass aktuell viele Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, denke ich, dass …

es gut ist, ein Zeichen für Mitmenschlichkeit, Respekt und Toleranz zu setzen, für Demokratie und Freiheit.

Plattdeutsch ist für mich…

… aus meiner Osnabrücker Heimat vertraut. Meine Großeltern haben Plattdeutsch gesprochen und ich denke, ich werde mich nach einiger Zeit auch in das ostfriesische Platt einhören.

Von der katholischen Kirche würde ich mir wünschen…

… dass wir uns als evangelische und katholische Konfession in der Zukunft so füreinander öffnen, dass wir einander zu Abendmahl oder Eucharistie einladen dürfen.

Mein Lebensmotto ist…

Ich lebe gerne und ich fühle mich geborgen in Gottes Hand.

Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

… ich ein zufriedenes Feedback zu einem Gottesdienst gegeben habe und eigentlich nicht alles gelungen fand. Ich wollte nicht verletzen…

An meiner neuen Heimat in Emden finde ich gut, dass …

… Emden eine überschaubare Stadt ist mit Flair und Wasser in der Nähe, in der ich mich hoffentlich wohlfühlen werde.

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

 … zu langes Parken vor dem Landeskirchenamt in Hannover. Wann? Vor zwei Jahren.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Engstirnigkeit und Menschen, die alles besser wissen.

Ich kann mich so richtig freuen über, …

 … den Frühling.

Kraft kann ich tanken, wenn…

… ich im Garten arbeite oder ein gutes Buch lese.

Mein letztes Buch…

… das mangelnde Licht von Nino Haratischwili.

Ich sollte mal wieder…

… mehr Querflöte spielen.

Mein größter Fehler ist, dass …

… ich manchmal zu genau bin.

Als Bundeskanzlerin würde ich als erstes…

Ich halte nicht viel davon, es besser wissen zu wollen. Das ist kein leichtes Amt und ich möchte es nicht haben.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…

… wünsche ich mir Frieden, dass viele Menschen auf dieser Welt mehr Lebenschancen haben. Auch wünsche ich mir, dass wir es als Kirche schaffen, die Schuld, die wir – wie die ForuM-Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie aufgezeigt hat – auf uns geladen haben, anzuerkennen und gute Wege im Umgang damit einzuschlagen.

Steht seit Jahresbeginn als Regionalbischöfin an der Spitze des Sprengels Ostfriesland-Ems der ev.-lutherischen Kirche: Sabine Schiermeyer.

Foto: Hannegreth Grundmann

Holger Hartwig„Herausforderung? Wir werden weniger engagierte Mitarbeitende haben“