DIE KOLUMNE: IKEA nach Leer? Dafür müssen jetzt „Hausaufgaben“ gemacht werden

Artikel teilen

Leer liegt für Straße, Bahn und Wasserweg als Tor Ostfrieslands verkehrsgünstig. Leer ist das grenzüberschreitende Bindeglied in der Mitte zwischen Groningen und Oldenburg. Leer hat mit der Seefahrtschule, als zweitgrößter Reedereistandort und aufstrebender IT-Standort Zukunftsfunktion für die Region in den nächsten Jahrzehnten. Und Leer hat zudem mit einem Faktor über 200 bei der Einzelhandelszentralität eine überzeugende Anziehungskraft, wenn es für Menschen aus dem Kreis und weit darüber hinaus darum geht, in der Ledastadt Geld auszugeben. Mit dem erweiterten Gewerbegebiet Benzstraße an der Autobahn hat man auch bald wieder neue Ansiedlungsflächen. Das alles sind ausreichend Argumente, dass sich ein „Riese“ wie IKEA – das Interesse hat es bereits gegeben – in der Ledastadt ansiedeln könnte. Wenn da nur nicht ein kleines Detail wäre, das den Weg von Branchenriesen nach Leer schwierig macht…

Worum geht es? Leer ist seit vielen Jahren durch das Land Niedersachsen in der Landesplanung als Mittelzentrum eingestuft, d.h. der Kreisstadt wird nur wenig Bedeutung zugemessen, die eine Wirkung über die Stadt und den Kreis hinaus hat. Landesweit wird unterschieden zwischen Grundzentren (Gemeinden und sehr kleine Städte), Mittelzentren und Oberzentren. Oberzentren sind Kommunen, die stark in die Regionen ausstrahlen – für den Nordwesten sind das Oldenburg, Wilhelmshaven und Osnabrück. Als Zwischenschritt gibt es in Niedersachsen neben den Ober- und Mittelzentren noch die sogenannten „Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums“. Diesen Status haben Lingen und Emden.

Der letzte Anlauf aus Leer, zu einem Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums eingestuft zu werden, liegt lange zurück. Im Februar 2007 war es der Bürgermeister Wolfgang Kellner, der das zuständige Ministerium im Zuge der damaligen Landesraumplanung zu überzeugen versuchte. Bereits damals hatte Kellner erkannt, welche große Bedeutung diese höhere Einstufung für die Ledastadt haben würde. Die Liste der positiven Effekte ist lang. Im Prinzip geht es um die nachhaltige langfristige Standortsicherung und -entwicklung der Stadt im nordwestdeutschen Raum. Die Ansiedlung bedeutsamer Einzelhandelsbetriebe – Stichwort IKEA – wird nach der höheren Einstufung deutlich einfacher, weil der Effekt auf das Umland bereits vordefiniert ist. Zudem könnten auch große Industriebetriebe leichter in Leer „ankern“. Weitere Aspeket sind, dass die Mittelzentren mit Teilfunktionen auch bei der langfristigen Standortplanung von Einrichtungen in den Bereichen Verwaltung, Bildung, Justiz und Gesundheitswesen deutlich bessere Karten haben, wenn das Land die Strukturen – wieder einmal – reformieren sollte, und die Stärkung sowie der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mehr unterstützt werden.  Zu guter Letzt hätte Leer auch bessere Förderchancen bei Projekten durch den Bund, das Land oder sonstige Förderstellen sowie mehr Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen.

Bis das nächste Mal darüber entschieden wird, ob Leer als Mittelzentrum mit oberzentraler Teilfunktion eingestuft wird, fließt noch viel Wasser die Ems und Leda hinunter. Erst in einigen Jahren – turnusmäßig etwa 2027 – dürfte die Regierung in Hannover in dieser Hinsicht eine neue Planung auf den Weg bringen.

Der erste wichtige Aufschlag, um Leer in eine gute Argumentationsposition zu bringen, kann bereits jetzt gemacht werden. Bekanntermaßen hat der Landkreis Leer den neuen

Regionalen Raumordnungsplan (RROP) bis 2026 auf dem Zettel. Zwar kann das Kreishaus die höhere Einstufung der Ledastadt nicht eigenmächtig vornehmen, aber in dem RROP kann und sollte argumentativ der Grundstein für das „Ja“ hierzu in einigen Jahren in der Landeshauptstadt gelegt werden. Es gilt also, jetzt die Zeit zu nutzen und die Hausaufgaben zu machen, damit Politik und Verwaltungen sich im Schulterschluss mit guten Argumenten gut aufstellen. Denn von einem neuen Status Leers mit gefestigten Strukturen und Entwicklungsmöglichkeiten, die dem Anspruch „Leer kann mehr“ gerecht werden, profitieren letztlich alle Kommunen und Bürger des Kreises.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: IKEA nach Leer? Dafür müssen jetzt „Hausaufgaben“ gemacht werden