DIE KOLUMNE – Kreisverwaltung Leer: Eine Mega-Jobmaschine auf dem Weg in die wirtschaftliche Schieflage

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Was meinen Sie, welches Unternehmen im Kreis Leer in den zurückliegenden Jahren die meisten neuen Jobs geschaffen hat? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten – fest steht jedoch: Die Kreisverwaltung Leer dürfte einen der Spitzenplätze belegen. Seit 2014 ist die Zahl der Mitarbeiter in der Kreisbehörde um 57 Prozent (!) angestiegen. 549 Stellen waren es vor etwa zehn Jahren, 864 sollen es 2024 werden. Auffällig dabei: Das rasante Wachstum geschieht erst, seit der aktuelle Landrats Matthias Groote (SPD – Foto) die Verantwortung trägt. Das Problem: Der Landkreis hat in den vergangenen Jahren sehr viel Geld eingenommen – doch die guten Zeiten neigen sich dem Ende. Vor wenigen Tagen wurde bekannt: Das geplante Defizit für das Jahr 2024 wird ansteigen, weil Zuweisungen aus dem Finanzausgleich (FAG) vom Land geringer ausfallen. Das im März beschlossene, zu erwartende Minus im Ergebnishaushalt wird dann auf fast 29 Mio. Euro anwachsen – ein Mehr von 9,51 Mio. Euro.

Ausgehend davon, dass der Spruch „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hat“, bei den veröffentlichen Zahlenwerken des Landkreises nicht zutrifft, lohnt sich der tiefere Blick in die wirtschaftlichen Daten der Kreisbehörde:

  • Steigerung der Erträge von 2015 bis 2024 von 258 auf 465 Mio. Euro
  • Erhöhung der Aufwendungen für Personal von 2015 bis 2024 von 44,61 auf 78,84 Mio. Euro
  • Entwicklung der Zahl der Mitarbeitenden im Stellenplan von 2015 bis 2024 von 549 auf 864 Mitarbeitende

Kurzum: Der Landkreis Leer hat derzeit so viel Geld wie nie zuvor mit beträchtlichem Wachstum zur Verfügung. Er ist dabei zu einer Mega-Jobmaschine geworden. Auffällig dabei: Seit dem ersten durch Groote komplett zu verantworteten Haushalt 2018 wurden allein 229 neue Stellen (!) geschaffen. Unter Berücksichtigung aller Faktoren wie z.B. Inflation und Gehaltszuwächsen sowie Beförderungen erklärt diese Zahl der neuen Stellen dann auch, warum die Personalkosten seit 2018 um 34,3 Mio. Euro auf die aktuell veranschlagten knapp 80 Mio. Euro für 2024 gestiegen sind.

Warum wurde so viel Personal eingestellt? Gut, es wird immer mit einem Aufgabenzuwachs argumentiert, aber ein derartiger Stellenzuwachs lässt sich nicht rechtfertigen. Bisher war dieser Personalzuwachs – in Zeiten mit traumhaft hohen Einnahmen, die aus vielen Töpfen, aber am Ende immer aus Steuern kommen – bezahlbar. Daher ist auch eine Kennziffer, die der Politik immer wieder zur Argumentation präsentiert wird, nachvollziehbar: die Personalintensität. Die ist im Kreishaus ist in den vergangenen zehn Jahren fast gleichgeblieben und beträgt aktuell 16,26. Das Problem liegt jedoch darin, dass diese Quote den Bezug der Personalausgaben zur Gesamtleistung eines Unternehmens darstellt. Das bedeutet: Die Quote ist zwar gleichgeblieben, aber einmal bezog sie sich auf 258 Mio. Euro Einnahmen und 2024 nun auf 464 Mio. Euro. Wie war das doch gleich mit den Statistiken?

Eines darf auch festgestellt werden: Haushalts- und Stellenpläne sind für Otto-Normalverbraucher und auch Teile der Kreispolitik keineswegs einfach zu analysieren. Es wird mit Begrifflichkeiten nur so um sich geworfen, seien es eben besagte Personalintensität oder Nettoneuverschuldung. So manche Statistik und Übersicht muss in Relation gesetzt werden, um die passenden Rückschlüsse zu ermöglichen. Eines steht allerdings wie bei jedem Privathaushalt oder Unternehmen fest: Werden die (Einnahme-)Zeiten schlechter – was sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abzeichnet –, muss gespart werden, sonst wächst das Minus weiter an. Deshalb lernt jeder Betriebswirtschaftsstudent, dass bei der erfolgreichen Führung eines Unternehmens die Personalkosten ein Schlüsselfaktor sind. Warum? Menschen einzustellen ist einfach. Sie als „Kostenfaktor“ zügig wieder loszuwerden, wenn die Zeiten schwieriger werden, ist hingegen kompliziert. Unternehmen können ggf. Betriebsteile stilllegen, können Umstrukturierung vornehmen und betriebsbedingt kündigen. „Hire and fire“, wie es in der Wirtschaft gerne passiert, ist in einer Verwaltung so nicht möglich.

Nun ist es nicht so, dass es um die starke Zunahme der Stellenanzahl keine Diskussionen gegeben hat. Allerdings: Am Ende wurden die Zuwächse im Kreistag mehrheitlich vor allem durch die Gruppe um die SPD „durchgewinkt“. Mahnende Worte aus einigen Fraktionen blieben seit Jahren ungehört. Es wurde den Vorschlägen des Landrates Groote und seinem Personaldezernat– vielleicht zu leichtgläubig und ohne ausreichende Betrachtung der Langzeitwirkung – gefolgt. Das positive haushalterische Jahresergebnis seit 2014 hat da wohl sein Übriges getan.

Und nun? Die gestiegenen Personalkosten drohen den weiteren Weg in eine wirtschaftliche Schieflage des Kreises maßgeblich vorzuzeichnen, zumal das Defizit bei weiter sinkenden Zuweisungsmitteln noch steigen könnte Und: Falls der Kreis die anhängige Klage der Stadt Leer wegen der erhöhten Kreisumlage verliert, werden weitere 8 Mio. Euro für den laufenden Betrieb fehlen. Das alles sind keine guten Aussichten. Vielleicht hilft ja der zunehmende Fachkräftemangel, der dafür sorgt, dass auch im Kreishaus nicht mehr alle Stellen besetzt werden könnten. Das entlastet dann zwar die Finanzen – aber Arbeit droht liegen zu bleiben.

Für den Landrat Groote und die Politik kann dann nur der Blick in die Wirtschaft helfen. Dort werden in schwierigen Situationen alle Prozesse u.a. nach ihrer Effizienz hinterfragt – mit der erforderlichen Fach- und Sachkenntnis. Man darf also gespannt sein, was die Mitglieder des Kreistages von der Verwaltungsspitze um Landrat Groote einfordern werden. Ein „Weiter so“ wird jedenfalls nicht funktionieren.

 

Richtigstellung des Landkreises Leer (Pressestelle im Auftrag von Landrat Matthias Groote) vom 14. Mai 2024 zu der Kolumne „Kreisverwaltung Leer: Eine Mega-Jobmaschine auf dem Weg in wirtschaftliche Schieflage“ (12. Mai 2024)

„Die in der Kolumne verwendeten Zahlen sind zumindest unvollständig, so dass leider ein falscher Eindruck entsteht. Deshalb bitten wir um eine Klarstellung.

Zur Sache selbst: Wenn von „Mitarbeitern“ geschrieben wird, werden die Leser zurecht davon ausgehen, dass damit alle gemeint sind, die für die Kreisverwaltung arbeiten. In dem Artikel wird aber nur die Zahl der Beschäftigten genannt, nicht die der Beamten.

Hier der Vergleich zwischen deinen Zahlen und den Stellen laut Stellenplan:

2015: 549 (Hartwig am Sonntag); 773 gesamt (Stellenplan)

2024: 864 (Hartwig am Sonntag); 1134 gesamt (Stellenplan)

Legt man diese Gesamtzahl zugrunde, ändert sich der errechnete Zuwachs in Prozent. Als Personalkosten für 2024 werden knapp 80 Mio. Euro in dem Text angegeben. Das ist die Gesamtsumme für alle Köpfe und diese bezieht sich natürlich auf 1134 Mitarbeitende. Im Artikel wird diese Summe aber bezogen auf 864 Mitarbeitende – und das ist falsch.“

Anmerkung des Autors:

Die Darstellungen des Landkreises sind zutreffend. Der Autor bedauert den Fehler, bei den genannten Zahlen wurden die Beamten nicht berücksichtigt. Der im Text durch die Bezugsgrößen errechnet Zuwachs an Stellen insgesamt in Prozent beträgt statt 57,3  lediglich 46,70 Prozent (Zeitraum 2015-2024).

Bezogen auf die geschaffenen Stellen bedeutet dieses: Anstatt der im Text berechneten zusätzlichen Stellen von 315 Stellen wurden insgesamt im Betrachtungszeitraum 361 Stellen geschaffen. Das Plus an Stellen hängt mit der Zahl der geschaffenen zusätzlichen Beamtenstellen (+46) zusammen. Holger Hartwig

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Kreisverwaltung Leer: Eine Mega-Jobmaschine auf dem Weg in die wirtschaftliche Schieflage