Außer Spesen nichts gewesen? Auf den ersten Blick trifft das zu. Über ein Jahr lang haben sich die Leeraner Stadtwerke AöR (das steht für Anstalt öffentlichen Rechts) und das Rathaus den Kopf zerbrochen, wie eine Wiedereingliederung der Stadtwerke in die Stadtverwaltung am besten erfolgen kann. Hintergrund war die Vorgabe, dass das EU-Wettbewerbsrecht eingehalten werden sollte und die Leistungen des Stadtwerke-Baubetriebshofes für die Stadt umsatzsteuerpflichtig geworden wären. Bei einem Leistungsvolumen von fünf Millionen Euro jährlich wären das zusätzliche Steuerverpflichtungen für die Stadt von etwa einer halben Million Euro. Kurzum: Ausgaben, die nichts gebracht hätte bzw. Geld, was für andere Investitionen dringend benötigt wird. Nun kommt die Rolle rückwärts.
Nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
Was ist passiert? Die lange Zeit unstrittige EU-Vorgabe wurde durch den Bund und die Länder noch einmal in den Fokus genommen. Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: Eine Umfirmierung bzw. Neustrukturierung macht nach Ansicht der Finanzbehörden keinen Sinn. Hohe finanzielle Belastungen im „relevanten Millionen-Euro-Bereich“ würden auf die Stadtwerke zukommen und diese stünden in keinem Verhältnis zu den drohenden Umsatzsteuerlasten. War das gesamte „Theater“, das auch für die Mitarbeitenden bei den Stadtwerken viele Fragen offen ließ, also eine überflüssige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Mitnichten.
„Buddelmanagement“ wird besser
Warum? Rathausspitze und die Stadtwerke-Chefetage mussten in einen intensiven Dialog treten. Ein Dialog, der dem Vernehmen nach so harmonisch verlief, wie es seit Gründung der Stadtwerke 2008 noch nie der Fall war. Alle Abläufe und Arten der Zusammenarbeit wurden durchleuchtet, um nach dem besten Weg zu suchen. Dabei wurde u.a. deutlich, dass es im Bereich Straßen- und Kanalbau viele Synergieeffekte gibt, die bisher nicht gehoben wurden. Ganz im Gegenteil: Stadt und Stadtwerke traten als getrennte Auftraggeber auf. Beide beauftragen bisher Ingenieurbüros und es musste zwischen den Akteuren viel abgestimmt werden. Alles aus einer Hand – das könnte hier die Lösung der Zukunft sein. Ein konsequent umgesetztes gemeinsames „Buddelmanagement“ – in der Fachsprache heißt das Aufgrabungsmanagement – anstatt der bisherigen Aktenordner voller Kommunikation zur Abstimmung leuchtet jedem ein. Wer was übernimmt, kann über Aufgabenüberlassungen geregelt werden. Oder das Thema Öffentlichkeitsarbeit. Hier wurde bisher auch zweigleisig agiert. Die Beteiligten sind sich jedoch einig, dass es viel mehr Sinn macht, dass die Kommunikation mit dem Bürger gemeinsam besser und effektiver aufgestellt werden kann. Für diese und andere Bereiche gilt es nun, mit Zustimmung der Politik die vertraglichen und personellen Voraussetzungen – angefangen von der Weiterbestellung des Stadtwerke-Vorstandes Tiemo Kramer über den 31. Dezember 2022 hinaus , über die Anfang Dezember entschieden wird – zu schaffen.
Gebühren werden sprunghaft steigen
Die Synergien zu heben, schneller und besser zu werden und damit auch teilweise Kosten zu reduzieren, wird aus Bürgersicht auch dringend notwendig sein. Denn: Man muss kein Prophet sein, dass nach Strom- und Gaspreisen auch die Gebühren für Trink- und Abwasser kräftig steigen werden. Allein die Stromkosten der Stadtwerke für den Betrieb sind um satte 330 Prozent gestiegen. Kostet in Leer der Kubikmeter Trink- und Abwasser zusammen aktuell 4,41 Euro, wird er ab dem kommenden Jahr wohl deutlich über 5 Euro liegen. Die Politiker der Stadt haben dazu das letzte Wort. Der nicht hausgemachte Preissprung wird allerdings alternativlos sein. Es muss weiter in das Kanalnetz investiert werden, sonst wird die Arbeit, die die eigenständigen Stadtwerke in die Sanierung eines teilweise maroden Netzes investiert haben, schon bald wieder hinfällig sein. Rohrbrüche und fehlende Versorgung, wie es sie früher zuhauf gab, werden dem Bürgern nicht vermittelbar sein.
Wohnfläche pro Kopf wird sinken
Apropos Preissprünge: Auch die Müllentsorgung im Kreis Leer wird ab 2023 deutlich mehr kosten. Der Abfallwirtschaftsbetrieb, so beschließt es die Kreispolitik in diesen Tagen, wird alle Gebühren anheben. Die Grundgebühr soll beispielsweise um knapp unter 20 Prozent von heute 82,20 Euro im Jahr auf 98,53 Euro steigen. Hintergrund ist auch hier zum größten eine Steuerproblemantik. Ein Ende der Kostensanstiege ist nicht in Sicht. Es wird insgesamt noch heftiger werden. Jüngste Berechnungen von deutschlandweit agierenden Wohnungsunternehmen gehen davon aus, dass sich bis Ende 2024 die Nebenkosten pro Quadratmeter Wohnfläche etwa verdoppeln werden. Was das bedeutet? Bei beispielsweise einer 80 Quadratmeter großen Wohnungen werden bald nur für die zwingend erforderlichen Betriebskosten bis zu 5 Euro pro Quadratmeter monatlich und damit bis zu 400 Euro anfallen. Die Konsequenz wird sein: Viele Menschen werden sich das Wohnen in heutiger Form – selbst wenn die Zahl der Wohngeldberechtigten ab 2023 drastisch steigt und es Energiepreisbremsen gibt – nicht mehr leisten können. Der Pro-Kopf -„Verbrauch“ an Wohnfläche je Bundesbürger von 2021 im Schnitt von 47,7 Quadratmeter (!) wird dann wohl erstmals seit dem 2. Weltkrieg sinken. Kein einfacher Weg, denn Häuser und Wohnungen lassen sich nicht einfach verkleinern. Für das, was dann heute noch auch sozial-gefördert gebaut wird, ist de Gesamtentwicklung jedoch ein wichtiges Zukunftssignal.