DIE KOLUMNE: Warum Babys dafür sorgen, dass die kommunale Kasse klingelt

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Marie, Sophie und Lina bzw. Felix, Finn oder Noah – das sind derzeit im Kreis Leer die Vornamen, die am häufigsten durch die „Neu-Eltern“ vergeben werden. Kaum ist der Nachwusch auf der Welt, ist er auch schon im Fokus der Behörden – aus vielen Gründen. Bereits in den ersten Jahren werden wichtige Weichen für die Entwicklung der Kinder gestellt und dabei sollen die Eltern optimal unterstützt werden. Die Rechnung ist einfach: Gute Erziehung und Betreuung spart soziale Betreuungs-Folgekosten im Jugend- und Erwachsenenalter. Zudem sind die „Neugeborenen“ – ebenso wie Zuzügler aus dem In- und Ausland – auch wirtschaftlich wichtig, denn für jeden neuen Einwohner gibt es von Bund und Land zusätzliches Geld.

Der Reihe nach. Im Kreis Leer kümmert sich die landkreiseigene Tochtergesellschaft LeeWerk-Wisa GmbH seit 2018 um die Neugeborenen. Aktuell hat der Landkreis Leer per Votum im zuständigen Ausschuss die Zusammenarbeit für das seit 15 Jahren laufende Projekt „Willkommen im Kreis Leer“ bis Ende Juli 2024 verlängert. Kosten pro Jahr: etwa 92.000 Euro. Für dieses Geld sind zwei erfahrene pädagogische Fachkräfte unterwegs, um einen „Willkommensbeutel“ mit Geschenken zu verteilen. Ziel ist es – so sieht es auch das bundesweite Gesetz „Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)“ vor – die Eltern über Unterstützungs- und Hilfsangebote zu informieren. Die Eltern werden angeschrieben und – so sie es wollen – ein freiwilliges Gespräch findet statt. Befragungen der Eltern – im Jahr 2022 sind im Kreis Leer insgesamt 2.293 Kinder zur Welt gekommen, von denen 1.385 im Kreisgebiet groß werden – ergeben, dass die Besuche samt Geschenk, beispielsweise ein Vorlesebuch, überwiegend positiv bewertet werden. Weitere Hilfen – genannt seien die Familienhebammen oder das Programm „Dabei sein“ mit finanziellen Hilfen für sozialschwache Familien – runden das Angebot ab. Ziel aller dieser Maßnahmen ist es, dass der Nachwuchs einen optimalen Start ins Leben bekommt und dadurch langfristig die Kosten für „Teilhabe und Soziales“ im Haushalt des Kreises nicht noch weiter ansteigen – es sind 2023 bereits 283 von insgesamt 450 Mio. Euro …

Die vielen Babys haben für den Kreis und die Kommunen neben Aufwendungen für die spätere Betreuung in Kitas und Schulen auch positive Effekte. Denn: Insgesamt ist die Zahl der Einwohner im Kreis Leer – auch durch Zuzüge – seit 2013 um fast 10.000 angestiegen. Mitte 2022 lebten 173.961 Menschen im Kreisgebiet. Jeder Einwohner hat den Effekt, dass es im Kreishaushalt und im Säckel jeder Stadt und Gemeinde mehr „klingelt“. Kreis und Kommunen bekommen viele Euros über so genannte Schlüsselzuweisungen vom Land. Für den Kreis waren das zuletzt durch die Zuweisungen 775 Euro pro Kopf, dieses Jahr werden es laut Kreisverwaltung aufgrund – Zitat – „der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Niedersachsen“ pro Kopf sogar 850 Euro sein. Beim Kreis führen mehr Einwohner zudem auch zu mehr Einnahmen aus der Kreisumlage, die die Kommunen an die „Zentrale“ in der Bergmannstraße zahlen müssen.

Und wie sieht es bei der Stadt Leer aus? Dort haben die Berechnungen der Zuweisungen pro für 2023 sogar 1.017 Euro pro zusätzlichem Einwohner ergeben. Dazu kommen laut Stadt Leer pro Kopf pro Jahr weitere 32,26 Euro pro Einwohner, weil die Kommune Aufgaben für das Land erledigt, für die per Gesetz Hannover zuständig ist.

Mehr Einwohner, mehr Geld gilt für die Städte und Gemeinden im Kreisgebiet noch viel stärker bei der Einkommen- und Umsatzsteuer – in diesem Fall mit Blick auf die sozialversicherungspflichtigen und einkommensteuerzahlenden Menschen. Für die Stadt Leer haben diese Ertragsquellen inzwischen eine sehr große Bedeutung. So wird im städtischen Haushalt 2023 ein Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in Höhe von 16,7 Mio. Euro und an der Umsatzsteuer in Höhe von 4,59 Mio. Euro erwartet. Doch damit nicht genug: Auch bei weiteren Finanzhilfen vom Bund oder Land werden die Einwohnerzahlen regelmäßig herangezogen und spülen so pro Einwohner weitere teilweise nur wenige Euros bzw. sogar nur Cent-Beträge in die Kasse. Wie erfreulich ist es da, dass auch Leer seit 2013 um etwa 1.700 Menschen auf das Allzeithoch von 36.352 Menschen mit Hauptwohnsitz gewachsen ist.

Bei allen diesen Einnahme-Zahlenspielen zur Verdeutlichung der Einwohner-Bedeutung bleibt die Erkenntnis: Jeder Euro, der durch den Kreis und die Kommunen rechtzeitig und zielgerichtet in die Familien-, Kinder-, Jugend- oder auch Vereinsförderung investiert wird, ist ein gut angelegter Euro. Denn am Ende sind nur die Einwohner, die später einen Job finden und sich nach Möglichkeit auch im Ehrenamt einbringen, mehr als ein Einnahme- oder Ausgabeposten, sondern ein echter Gewinn..

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Warum Babys dafür sorgen, dass die kommunale Kasse klingelt