Echter Sex im Kino

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Es ist bis heute eine der „schmuddeligsten“ Geschichten in über 35 Jahren Journalismus: die Story über echten Sex in zwei Leeraner Erotikkaufhäusern.

Im Januar 2009 „landet“ diese Information in der Redaktion von „Ostfriesland Kompakt“: Mitten in der Leeraner Innenstadt gäbe es zwei Erotikkaufhäuser, die nicht nur in einem Kino „Schmuddelfilme“ zeigen, sondern wo auch Prostituierte echten Sex anbieten.

Die schnelle Nummer – so der Informant, der sich natürlich nie zu erkennen gab – verlaufe so: Man kann sich über das Internet einen Termin buchen oder in den Sexkaufhäusern liegen Visitenkarten aus und Interessierte können dort einen Zeitpunkt für die Zweisamkeit mit den Liebesdienerinnen auswählen. Monique verspricht dabei – wie passend – „das volle Programm“, während auf der Leinwand das „Schmuddelfilmchen“ läuft.

In der Redaktion sind wir uns einig: Wenn das stimmt, ist das ein Thema. Schließlich gibt es in der Leeraner Innenstadt seit den 1970er Jahren keine Rotlichtszene mehr. Bis dahin hatte die Altstadt einiges zu bieten. Und es ist schnell klar, dass der echte Sex auf dem Sofa vor der Leinwand mit den geltenden Gesetzen nun gar nicht vereinbar ist. Das ist dann ein Fall für das Gesundheits- und das Ordnungsamt des Landkreises Leer, denken wir.

Wie es sich für guten Journalismus gehört, muss geprüft werden, was an der Geschichte dran ist. In der wöchentlichen Redaktionssitzung schaue ich in die Runde – Freiwillige vor. Ich mache gleich klar, dass ich ausscheide. Mich kennen in Leer zu viele, mein Kopf ist regelmäßig in der Zeitung bei den Kommentaren abgedruckt. Ich gebe zu: Kommt mir sehr gelegen in diesem Moment. Die Kollegen aus der Redaktion winken auch ab… Hmm, zu schade, diese Geschichte würde – wenn sie dann stimmt – bestimmt gelesen werden.

Was nun? Ich gebe nicht so schnell auf. Ich muss jemanden finden, der unverdächtig vor Ort die Lage prüft. Ich frage im Verlag herum, ob jemand bereit ist, sich da mal umzuschauen. Auch dort winken viele ab. Ein Kollege hört sich die Geschichte interessiert an – und nach einigen netten Worten meinerseits und einer angekündigten kleinen „Erfolgsprämie“ sagt er zu. Ja, er werde sich in dem Erotikkaufhaus umsehen.

Ausgestattet mit allen Details, die wir vom Informanten erhalten haben, macht er sich wenige Tage später auf in das Erotikkaufhaus. Und er kommt wieder und ist entsetzt – alles, was wir berichtet bekommen haben, trifft zu. Die Liebesdienerinnen bieten wirklich das „volle Programm“ in dem Kino an. Getreu dem Werbemotto der Damen „Begleitservice & mehr – Monique Leer“. Es sei da echt schmuddelig und so, wie man es sich mit viel Fantasie vorstellen kann. Zur Ehrenrettung sei an dieser Stelle betont: Der Kollege hat lediglich die Informationen eingesammelt, sich erkundigt, aber die Dienste der „freizügigen und willigen Damen“ NICHT in Anspruch genommen.

Nun geht die Recherche in Richtung der Behörden los. Und was kommt dabei heraus? Es ist zwar nicht legal, was in den Kinos professionell angeboten wird, aber Monique & Co. machen sich eine Gesetzeslücke zunutze. Die Behörden können gegen die lustvollen Tätigkeiten nicht einschreiten. Der Kreis teilt mit, dass Kontrollen in diesem Bereich nicht mehr gewollt sind. Ein Eingreifen sei nur möglich, wenn dem Betreiber des Erotikkaufhauses nachgewiesen werde, dass er diese Dienstleitungen vermarkte bzw. diese in seinem Auftrag angeboten würden. Wurden sie natürlich „offiziell“ nicht. Und die Beantwortung der Frage, ob er „Vermittlungsprovision“ kassiert, wollte ich dem Kollegen nicht auch noch zumuten … Ob dieser legale „Service“ bis heute angeboten wird? Nichts Genaues weiß man nicht…

Ach ja: Die Überschrift „Sex im Kino: Behörden müssen zuschauen“ hat es wenige Wochen nach der Veröffentlichung in den „Hohlspiegel“ des größten Deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ geschafft. Warum, habe ich bis heute nicht verstanden.

Auf jeden Fall ist dieser Sex im Kino eine der Geschichten, die damals für sehr viel Gesprächsstoff sorgt. Und die zugleich auch deutlich machen, was auf einen Redakteur in der Recherche so alles zukommen kann … oder eben auf einen mutigen Kollegen. Danke, lieber Kollege … (Nein, den Namen verrate ich auch heute nicht. Das bleibt Redaktionsgeheimnis).


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    Holger HartwigEchter Sex im Kino