HARTWIG am MITTWOCH ist eine Kolumne, die immer zuerst mittwochs in der Ostfriesland-Ausgabe der Nordwestzeitung und der Emder-Zeitung erscheint.
Der Bausektor boomt. Auch in Leer. Die Liste der Projekte und Vorhaben ist lang. Allein die Stadt hat mit der Sozialen Weststadt, dem Umbau des Bahnhofsbereiches und der Georgstraße, der weiteren Sanierung der Fußgängerzone und der städtischen Wohnungen sowie der Entwicklung neuer Gewerbeflächen viele eigene Projekte auf dem Zettel. Und für Investoren ist die Kreisstadt hochinteressant. Neubaugebiete für Wohnsiedlungen (z.B. Groninger Straße und Bingum) oder spannende Innenstadtprojekte – wie die Hafenkopfbebauung, die Neugestaltung des Gröttrup-OLB-Areals, die Bebauung des Geländes der ehemaligen Synagoge, die Neunutzung des Sobing-Grundstückes in der Altstadt – stehen teilweise schon sehr lange auf der Agenda. Ebenso wie der Bau eines Mehrparteienhauses in Bingum (Gaststätte Schröder) oder im Scheltenweg oder an der Ubbo-Emmius-Straße. Dazu noch die Beplanung des Bildungscampus auf dem alten EWE-Gelände. Zudem fehlt es an vielen Stellen der Stadt es an rechtskräftigen Bebauungsplänen, was für Bauentwicklungen sorgt, die vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht gefällt. Es gibt sehr viel zu tun für den Fachbereich Bau – kurz Bauamt.
Alle diese Aufgaben bewältigt die Stadt seit Juni 2020 ohne Stadtbaurat. Gleich zwei Ausschreibungsrunden – einmal sogar mit einem Headhunter – brachten keinen Nachfolger für Carsten Schoch, der auf eigenen Wunsch aus dem Amt ging. Warum kein Nachfolger(in) für eine der drei top-dotierten Stellen im Rathaus gefunden wurde? Das hat viele Gründe. An Attraktivität der fachlichen Aufgabe dürfte es nicht gefehlt haben. Nun geht ein weiterer Mitarbeiter aus der Leitungsebene. Christoph Busboom wird neuer Bürgermeister der Samtgemeinde Jümme. Weitere Stellen sind in Kürze neu zu besetzen und werden am Wochenende ausgeschrieben…
Der neue Bürgermeister Claus-Peter Horst wird um die Bredouille wissen. Er wäre unvernünftig, wenn er nicht schleunigst seine Netzwerke nutzt, um einen Stadtbaurat zu finden und die Personalausstattung der Bauverwaltung zu verbessern. Unter seiner neuen (Fach-)Führung als gelernter Stadtplaner ist das bestimmt einfacher als bisher. Und wenn er passende Experten findet, dann ist die Politik gut beraten, Horst Vorschläge schnell durchzuwinken. Gleiches gilt für Bauplanungen, die die Experten geprüft und freigegeben haben.
Es muss zügig etwas passieren. Ein gutes Bauamt ist für jede Kommune die beste Lebensversicherung – für eine florierende Wirtschaft und damit höhere Einnahmen und eine bessere Haushaltslage. Denn die Neuaufstellung des Baubereiches bei der Stadt muss noch ein weiteres Ziel haben. Die Stadt muss wieder in die Lage kommen, selbst Baugebiete zu erschließen statt – wie seit vielen Jahren dieses Geschäft – den Banken, Entwicklungsträger oder Bauunternehmen zu überlassen. Warum? Grundstücke selbst zu entwickeln, ist eine der wenigen Möglichkeiten, mit denen eine Kommune gute Einnahmen erzielen kann. In Papenburg beispielsweise hat die Stadt über 1000 Grundstücke in Eigenregie allein im Kapitänsviertel in den vergangenen 20 Jahren entwickelt. Das hat dazu geführt, dass der Kämmerer jahrelang das Defizit im Haushalt gewaltig senken konnte. In Leer haben andere den Großteil des Profits „kassiert“. Mal sehen, wie zügig und erfolgreich der neue Bürgermeister die Personal-Baustellen im Bauamt in den Griff bekommt. Die Bewertung seiner Arbeit wird maßgeblich davon abhängen.