KOLUMNE: Bildungsstandort Leer: Das eine geht, das andere kommt

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Der Bildungs-, Akademie und Studienstandort Leer erlebt in diesen Tagen zwei richtungsweisende Entwicklungen: Zum einen geht es um die Existenz der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA), zum anderen um den Ausbau des Hochschulangebotes in der Kreisstadt. Erstmals wird in der Ledastadt ab dem Herbst 2022 ein Master-Studiengang im Bereich Betriebswirtschaft möglich sein.

Fangen wir mit der traurigen Nachricht an: die Zukunft der VWA. Nachdem in diesem Jahr anders als geplant kein neuer Studienjahrgang gestartet ist, weil es an Interessenten fehlte, steht die Einrichtung mehr als auf der Kippe. Hintergrund für die Entwicklung könnte sein, dass die VWA Leer mit ihrem Vorsitzenden Landrat Matthias Groote an der Spitze es versäumt hat, rechtzeitig die Voraussetzungen für die Vergabe von Bachelor-Abschlüsse zu schaffen – so wie es beispielsweise in Oldenburg oder im Bereich Emsland-Osnabrück bei den dortigen VWA gemacht wird. Für Leeraner Studierende ist der Bachelor nur mit einem weiteren Studium zu erreichen. Das kostet zusätzliche Zeit und Geld.

Zwar heißt es offiziell derzeit, dass die Mitgliederversammlung erst in den wenigen Tagen ergebnisoffen beraten soll. Aber es zeichnet sich ab, dass die Vertreter der insgesamt elf Institutionen (Kommunen, Kreis, Kammer, Kreishandwerkerschaft und Hochschule sowie einer Handvoll Unternehmen) den Daumen senken werden. Nach fast 50 Jahren und etwa 1250 vergebenen Diplomen als Betriebswirt (VWA) oder Informatik-Betriebswirt (VWA) wird das Angebot in der jetzigen Form am Standort Leer Geschichte sein. Wer als Talent in den Verwaltungen der Region berufsbegleitend studieren will, der wird sich anderenorts umschauen müssen. Das ist allerdings in Zeiten von hybridem Studium auch kein Problem mehr. Wer sich qualifizieren will, kann nach dem Qualitätsprinzip entscheiden und nicht mehr wie viele Jahrzehnte hauptsächlich unter dem Aspekt der Wohnortnähe.

Während das eine Angebot gehen wird, kommt ein anderes, neues in Leer dazu. Die Hochschule Emden-Leer rüstet ihren Standort Leer aus. Nachdem es seit 1996 ein Duales Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Bachelor-Abschluss gibt (erst als Berufsakademie Ost-Friesland e.V. und heute Business Campus Leer) wird ab dem Winter 2022 der Master of Science möglich sein. Dabei wird dieser Studiengang ein Alleinstellungsmerkmal haben: Er richtet sich an Bachelor-Absolventen aus der Region, die berufsbegleitend den Master in sechs Semestern machen wollen. Der Campus setzt dabei auf das gleiche Konzept wie seit einem Vierteljahrhundert: Eine Partnerschaft von Unternehmen mit ihren Studierenden bzw. ihren entwicklungsfähigen Nachwuchs- Führungskräften. In der kommenden Woche gibt es eine erste Informationsveranstaltung. Die Resonanz ist nach Worten von BCL-Chef Oliver Melchert seitens der potenziellen Studierenden und der Unternehmen bereits groß.

Und noch eine weitere erfreuliche Entwicklung, die unterstreicht, dass die Hochschule mit ihrem Hauptsitz in Emden auf den Standort Leer setzt: Auch der Bereich Seefahrt und Maritime Wissenschaften wird ausgebaut. Ab dem Sommersemester 2022 wird der Studiengang Nautik und Seeverkehr auf Englisch angeboten. Auch das steigert – neben den Investitionen von zuletzt etwa sieben Millionen Euro in die Neugestaltung des Gebäudes mit 3D-Labor und dem Bau des Maritimen Technikums – die Attraktivität. Insgesamt studieren in der Ledastadt mittlerweile in beiden Fachbereichen etwa 360 junge Menschen. Tendenz steigend. Das ist erfreulich, denn aus den Ideen der Studierenden erwachsen oft auch Firmengründungen und Erfolgsgeschichten. So wie vor mehr als 30 Jahren, als die Reedereien in Leer gegründet wurden und bis heute Arbeitsplätze und Geld in die Stadt bringen.

Holger HartwigKOLUMNE: Bildungsstandort Leer: Das eine geht, das andere kommt