„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Marlies Smidt, Vorsitzende der Hospiz-Initiative Leer e.V.
NORTMOOR/LEER Seit sieben Jahren steht sie an der Spitze des Vereins Hospiz-Initiative Leer: Marlies Smidt. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht die 55-Jährige über die Arbeit des Vereins, in dem sich 91 Menschen ehrenamtlich in der Hospiz- und Trauerarbeit engagieren, über ihre Erfahrungen in der Sterbebegleitung, Kraftquellen, die Vereinsaktionen an Schulen und verrät ihr Lebensmotto.
„Leben bis zuletzt“ – bedeutet für mich, dass …
… jeder sein Leben in Würde und Geborgenheit zu Ende leben darf und dies mit seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte, seinen Bedürfnissen und Wünschen.
Vorsitzende der Hospiz-Initiative in Leer zu sein ist für mich…
… eine große Ehre, dieses Amt von Gretel Bluhm-Janssen, der Gründerin und bis heute der Motor der Hospizarbeit im Landkreis Leer, übernommen haben zu dürfen. Es bereitet mir große Freude die Hospizarbeit in einem großen Team von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszuüben und zu gestalten.
Schwerkranke und Sterbende in den letzten Tagen des Lebens zu begleiten, ist für mich …
… eine Aufgabe, die mich demütig macht und den Blick für das Wesentliche schärft.
Der Tod ist für mich…
… Teil unseres Lebens und lässt mich bewusster durch mein Leben gehen. Er führt mir vor Augen, dass unser Leben endlich ist, wie wertvoll jeder einzelne Tag und jeder Augenblick mit den Menschen, die mir nahestehen.
Ein besonderer Moment in meiner Arbeit für den Hospiz-Verein war…
… sicherlich meine erste Sterbebegleitung, die sehr facettenreich war. Aber da gibt es noch so viel weitere besondere Momente, die sicher viele Seiten füllen würden, da jede Begegnung, gerade mit schwerkranken und sterbenden Menschen, auf ihre Weise besonders ist.
Wer bei uns mitmachen möchte, der sollte …
… neben einem „Herzen am rechten Fleck“ vor allem erst einmal Wissen erlangen. Daher ist zunächst ein Qualifizierungskurs von 120 Theoriestunden und einem 40-stündigen Praktikum erforderlich. Danach ist je nach Aufgabenfeld eine Zusatzqualifikation, z.B. zur Trauerbegleitung, erforderlich. Regelmäßige Fort- und Weiterbildungsangebote tragen zur Qualität unserer Arbeit bei.
Die Kraft für unsere Arbeit ziehen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus…
… ihren ganz individuellen Kraftquellen. Dazu kommt jedoch ein enger Austausch mit unseren Koordinatorinnen, die unter anderem für die Einsätze unserer Ehrenamtlichen zuständig sind, sowie regelmäßige Supervisionstreffen und monatliche Arbeitstreffen. Auch der fünfköpfige Vorstand steht jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.
Das „Übergewicht“ an Frauen bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist…
… glaube ich ein allgemeines Phänomen. In den Köpfen unserer Gesellschaft sind helfende Berufe und Ehrenämter immer noch eine Aufgabe, die eher von Frauen geleistet wird. In unserem Team haben wir aber auch elf Männer.
Corona ist für uns…
… eine Herausforderung und hat auch unsere Arbeit maßgeblich beeinflusst. So haben wir uns immer wieder den vorgegebenen Hygieneregeln angepasst und sind neue Wege gegangen. Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den Kontakt zu den schwerkranken Menschen und ihren Familien als auch zu den trauernden Menschen während der ganzen Zeit aufrechterhalten können.
Von der Politik würde ich mir mit Blick auf unsere Arbeit wünschen, dass …
… auch die Trauerarbeit, die eine große Säule unserer Arbeit ist, mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Mit Angehörigen über den bevorstehenden Tod eines geliebten Menschen zu sprechen, heißt…
… gut zuzuhören, auch zwischen den Zeilen, und die Ängste und Sorgen ernst zu nehmen.
„Hospiz macht Schule“ und „Let´s talk about death“ – mit diesen Angeboten möchten wir, dass…
… das Thema Tod und Sterben mit Grundschulkindern der dritten und vierten Klassen, als auch mit Jugendlichen an weiterführenden Schulen in einer Projektwoche sanft und altersentsprechend erarbeitet wird und dabei deren Erfahrungen, Vorstellungen und Fragen mit einfließen.
Die Angebote in unseren Gruppen sind…
… offen für alle, unabhängig davon, wie lange der Trauerfall zurückliegt, kostenfrei und werden von ausgebildeten ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleitern geleitet.
Die Hospiz-Stiftung ist …
… ein Baustein unserer Arbeit. Das besondere Engagement von Gretel Bluhm-Janssen führte 2005 zur Gründung der Hospizstiftung Leer mit dem Ziel ein stationäres Hospiz im Landkreis Leer zu bauen. Das ist wunderbar gelungen. So konnten wir 2009 unser „Hospizhuus“ eröffnen, das erste stationäre Hospiz in Ostfriesland.
Mein Lebensmotto ist…
„Wer zuhören kann, hört dich auch, wenn du nichts sagst.“
Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…
… zu schnelles Fahren (10 Km/h) auf dem Weg vom Wesertunnel Richtung Stade.
Ich kann mich so richtig aufregen über…
… Menschen, die achtlos und egoistisch mit unserer Erde umgehen und so unseren Kindern und Kindeskindern ihrer Zukunft und ihres Lebensraumes berauben.
Ich kann mich so richtig freuen über, …
… Menschen, die sich mutig und zielstrebig für eine gute Sache einsetzen, ihr Ziel fest im Blick.
Kraft tanke ich…
… bei einem schönen Spaziergang – allein oder auch in Gesellschaft, aber auch z.B. bei gemeinsamen Aktionen mit dem Hospizteam, wenn es einen „Tag der offenen Tür“ oder andere Aktionen zu organisieren und umsetzen gibt.
Ich sollte mal wieder…
… barfuss durch den Regen gehen.
Wenn ich die Bilder des Krieges in der Ukraine sehe, dann…
… machen sie mich wütend und traurig zu gleich. Sie machen mich sprachlos, dass Menschen zu solch grausamen Handlungen fähig sind und immer noch nicht aus der Geschichte gelernt haben.
Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…
… wünsche ich mir einen respektvolleren Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt, eine gerechtere Verteilung aller Güter, damit nicht wenige alles haben und andere in unvorstellbarer Armut leben müssen und dass ich die Hospizarbeit noch lange machen darf.