Fast jeder in der Region kann mit dem Begriff „Ostfrieslandschau“ etwas anfangen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hat sie das erste Mal und dann alle zwei Jahre bis 2018 in guten Jahren über 100.000 Besucher nach Leer gezogen. Nun kann das Wort aus dem aktiven Vokabular gestrichen werden. Die Leeraner Politik hat auf Vorschlag der Verwaltung in nichtöffentlichen Sitzungen das Aus der Ostfrieslandschau beschlossen.
Was verwundert, ist das Wie. Es ist ein leiser Abgesang, der da hinter verschlossenen Türen vorgenommen wurde. Nicht einmal der Veranstalter, die Firma Haug Ausstellungen, war wohl zu den abschließenden Beratungen eingeladen. Das verwundert. Denn die Firma aus dem Kreis Cloppenburg war der Recherche nach weiterhin bereit, die Veranstaltung zu organisieren und auch wirtschaftlich zu verantworten. Haug-Geschäftsführer Martin Vorwerk hat der Stadt sogar angeboten, die Garantiesumme, die er an die Stadt abführt, zu erhöhen. Ein stärkeres Signal, dass er an die Zukunft der Ostfrieslandschau glaubt, kann er nicht geben. Warum er davon überzeugt ist und welche Ideen er für die Messe 2022 und danach hatte – das bleibt nun wohl sein Geheimnis.
Warum hat sich die Leeraner Politik für das Aus entschieden? Es sind die Kosten. Bereits Ende 2020 erhielt die Verwaltung den Auftrag, die Messe nur noch kostendeckend zu realisieren. Nach internen Aufstellungen hat die Stadt alle zwei Jahre etwa 37.000 Euro – ohne den Personalaufwand – ausgegeben. Zuviel für die leere Stadtkasse. Selbst die Alternative, die Eingangshalle zu verkleinern und nur noch mit einem kleinen Stand vertreten zu sein, führte nicht zu einer von der Politik geforderten vollständigen Gegenfinanzierung. Größter Faktor blieben die Kosten für die Parkraumbewirtschaftung und das Gelände (knapp 20.000 Euro).
Nun ja, die Zeiten in denen das Motto der Schau „Jüst dat, wat elk sehn mutt“, sind nicht zuletzt angesichts der Online-Informationsmöglichkeiten, längst vorbei. Unterschiedliche Konzepte, die Messe zu beleben und an alte Zeiten anzuknüpfen, verliefen erfolglos oder wurden nach Prüfung, so sagt die Stadtverwaltung, nicht weiterverfolgt (Genussmesse, Digitalmesse, Jobmesse etc.). Die Besucherzahl ist auch deutlich zurückgegangen. 2018 waren es aber immerhin noch etwa 42.000 Gäste – eine Besucherzahl, von der andere Messen träumen. Nach wie vor war die Ostfrieslandschau ein Anziehungspunkt, der Menschen – vor allem ältere und zahlungskräftige – anlockte, die dann auch die Stadt besuchten und den einen oder anderen Euro ausgaben. Auch die überregionale Mediendarstellung in Rundfunk und Fernsehen hat der Stadt gut zu Gesicht gestanden. Diese Effekte mit einem Aufwand von 37.000 Euro anders zu erreichen – eine sportliche Aufgabe.
Was noch erschreckt ist, dass es keine Überlegungen seitens der Verwaltung gibt, wie die Marke „Ostfrieslandschau“ in einem anderen Format genutzt werden kann, sei es digital oder durch neue Veranstaltungsformen. Der Abgesang erfolgte zu 100 Prozent. Null Optionen, null Perspektiven sind die schlechteste Form der Wirtschaftsförderung.
Zusammengefasst bleiben Fragen: Was sagt es über den Zustand einer Stadt aus, wenn eine öffentlichkeitwirksame Veranstaltung an wenigen tausend Euro scheitert? Was sagt es über das Selbstverständnis einer Verwaltung und Politik aus, wenn derjenige, der das wirtschaftliche Risiko trägt, im entscheidenden Moment nicht selbst zu Wort kommt? Was bedeutet es, dass es keine Ideen und Vorstellungen gibt, wie die weit bekannte Marke Ostfrieslandschau weiter – digital oder in sonstigen Form – für das Image und die Wirtschaft der Stadt genutzt werden kann? Auf jeden Fall nichts Gutes. Aber vielleicht bringen der neue Bürgermeister und der neue Stadtrat ja frischen Wind mit – auch für die Marke Ostfrieslandschau.
Lesen Sie hier die Stellungnahme von Bürgermeisterin Beatrix Kuhl zu dem Aus der Ostfrieslandschau und zu den Überlegungen, wie die Marke weiter genutzt werden könnte => https://hartwig-am-sonntag.de/startseite/kuhl-keine-weiteren-alternativen-fuer-ostrieslandschau-gesehen