„Partys? Die brauchen wir, um Gebäude zu erhalten und Kultur zu finanzieren“

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„Auf einen Tee mit …“ – Eerke-Ivo Bruns, Vorsitzender des Zollhausverein Leer

LEER Seit 2013 kümmert er sich um die Geschicke des Zollhausvereins in Leer: Eerke-Ivo Bruns. Der selbstständige Architekt hat mit diesem Ehrenamt gleich zwei Herausforderung: den Erhalt der Bausubstanz des historischen Gebäudes am Leeraner Bahnhof und die Finanzierung eines abwechslungsreichen Kulturprogramms. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ erzählt der 59-Jährige von den Herausforderungen und nächsten Schritten für den Erhalt des Denkmals, spricht über die Notwendigkeit der Disco-Abende und zeigt auf, was er sich für die Entwicklung der Stadt Leer aus Architekten-Sicht wünscht. 

Zehn Jahre Vorsitzender des Zollhausvereins bedeutet für mich …

… sehr viel Arbeit, schwierige Situationen, tolle Vorstandskollegen und mittlerweile im operativen Geschäft ein gut funktionierendes Team.

Unser Motto „Raum für Kultur“ verstehen wir als…

… Aufforderung an alle Kulturschaffenden, sich unserem Haus anzunehmen und es für sich und ihre Aktivitäten zu nutzen und zu gestalten.

Die größte Herausforderung für unseren Verein ist bzw. war…

… definitiv die Er- und Unterhaltung unseres Gebäudes. Wir benötigen erhebliche Mittel für die Gebäudesicherung und den Energieverbrauch und haben immer noch eine hohe Kreditbelastung zu zahlen. Dabei versuche ich immer deutlich zu machen: Uns geht es ja nicht darum, das Zollhaus zu besitzen. Wir sind dankbar, dass wir von vielen Seiten unterstützt werden.

Die Schlagzeile, die ich über das Zollhaus gerne einmal lesen möchtet, lautet…

 Zollhaus in neuem Glanz mit hervorragendem Kulturprogram.

Wenn ich an die Zeiten zurückdenke, als der Verein hochverschuldet war und für Schlagzeilen sorgte, dann…

 bekomme ich bis heute eine Gänsehaut und freue ich, dass wir einen Weg gefunden haben, das Haus weiter zu betreiben und zu erhalten und vor allem zu dem zu machen, was es heute ist: ein weit über die Grenzen der Stadt anerkannter Ort für lebendige Kultur.

Die Zeiten, in denen das Zollhaus jedes Wochenende wie eine Disco war, sind…

… nicht vorbei. Wir brauchen diese Partys, weil sich dort Einnahmen erzielen lassen, die uns die Möglichkeit geben, das Gebäude zu erhalten und Kultur, die meist defizitär ist, anbieten zu können.

Als Künstler würde ich gerne einmal im Zollhaus begrüßen …

Ich bin eher der Typ, der sich gerne überraschen lässt. Unsere Veranstaltungsreihe „Songs & Whispers“ mit jungen Künstlern ohne großen Namen war für mich ein überraschend positives Erlebnis. Wir haben diesen Musikern eine Bühne gegeben und mit ihnen gemeinsam eine tolle Zeit genossen. Das bedeutet mir doch mehr, als Berühmtheiten begrüßen zu können.

Für die Sanierung bzw. Instandhaltung unseres historischen Hauses benötigen wir als nächstes…

…  weiterhin jede Menge Geld. Die Gemeinnützigkeit für den Verein gestaltet sich gut und wir haben Möglichkeiten gefunden, wie wir Fördertöpfe für uns nutzen und auch Firmen aus der Region uns helfen können. Aus dem Sanierungsstau des Hauses arbeiten wir uns heraus und werden Schritt für Schritt weiter vorangehen. Als nächstes steht das Thema denkmalgeschützte Rampenanlage an. Damit werden wir die Sicherheit der Gäste und unsere Außenwirkung weiter verbessern können.

Wer das Zollhaus unterstützen will, der sollte …

… Mitglied werden. Der Beitrag kostet 72 Euro im Jahr, nach oben gibt es keine Grenze. Wir sind aktuell dabei mehr Anreize für Mitglieder zu schaffen, was durch die Gemeinnützigkeit keine so einfache Aufgabe ist. Ich bin optimistisch, dass wir ein gutes Angebot, auch für Firmen, auf die Beine stellen. Jeder Euro hilft uns.

Mit unserem Veranstaltungsprogramm wollen wir …

…  alle Bevölkerungsschichten erreichen. Wir haben – nachdem lange Zeit 30+ die Zielgruppe war – den Fokus u.a. wieder stärker auf Kinder und Jugendliche gerichtet und bieten hier ein anspruchsvolles Angebot. Vor allem von Eltern bekommen wir viele positive Rückmeldungen.

Als Architekt ist das Zollhaus für mich…

 … eines der wenigen noch vorhandenen Kulturdenkmäler der Region. Das Haus hat gerade erste vom Denkmalschutz bestätigt bekommen, dass es von bundesweiter Bedeutung ist. Wir sehen ja aktuell anhand des Zwillingshauses in Emden was aus einem Gebäude wird, wenn es komplett entkernt wird. Wir versuchen, die Außenhaut zu belassen und im Innern mit Technik etc. so zu agieren, dass der Charme des Lagergebäudes erhalten bleibt. Die Künstler, die hier auftreten, bestätigen uns immer wieder die faszinierende Atmosphäre, die im Zollhaus herrscht.

Das schönste Gebäude in der Stadt Leer ist…

… (uff), die Bremer Straße 25. Das Haus ist ein Beispiel des Jugendstils. Davon hat Leer nicht so viele Gebäude.

Nicht gebaut werden hätte in Leer die Immobilie…

Diese Liste ist eher länger. Ich finde es beispielsweise schlimm, dass auf einigen Grundstücken nach dem Abriss eines Einfamilienhauses dort Mehrparteienhäuser mit wenig Gestaltung gebaut werden. Es gab eine Zeit, da wurde maximal in Fünf-Jahres-Schritten statt 30 Jahre im Voraus zu denken und die Überlegungen dann kontinuierlich anzupassen. Wir haben in Leer einen Stammtisch mit einer – na ja – jungen Architektenschaft, die sich gerne in diesen Fragen einbringen würde.

Für die Stadtentwicklung von Leer wäre es wichtig …

… einen Gestaltungsbeirat mit Experten einzurichten, der bei städtebaulichen Fragen eingebunden wird. Als Architekten könnten wir einen großen Beitrag leisten.

Wenn ich als Architekt an die Pläne der Bundesregierung zum klimafreundlichen Umbau der Immobilien denke, dann…

… ist das eine schwierige Geschichte. Vieles hätte bereits viel früher kommen müssen. Generell begrüße ich die Überlegungen, aber es ist zu vieles zu schnell gestrickt worden ohne über die Möglichkeiten des Marktes und die Folgen ausreichend nachzudenken. So wie es jetzt angegangen wird, wird es schwierig, das hinzubekommen.

Mein Lebensmotto ist…

Ich habe keines. Viele Sprüche gefallen mir, aber einen durchschlagenden Satz für mein Leben habe ich nicht.

Mein Lieblingsplatz in Leer ist…

… mein Garten.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

…  Ignoranz.

Ich kann mich so richtig freuen über …

 …  Toleranz.

Kraft tanke ich, wenn…

… ich mit Freunden zusammen bin, bei einem Glas Bier oder einem guten Konzert.

Mein größter Fehler ist …

… die mangelnde Überwindung des inneren Schweinehundes.

Wenn ich einen Tag lang in meinem Leben ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne mal…

…  David Bowie, weil er ein schillernder Mensch gewesen ist. Es wäre spannend gewesen, einmal in seiner Haut zu stecken und zu erleben, wie er die Welt gesehen hat.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir…

… möglichst lange gesund zu bleiben, meine neue Liebe zu genießen und immer neugierig zu bleiben.

Seit zehn Jahren setzt er sich für die Kultur und den Erhalt des Zollhauses in Leer ein: Eerke-Ivo Bruns, Vorsitzender des Zollhausvereins Leer.

Foto: privat

Holger Hartwig„Partys? Die brauchen wir, um Gebäude zu erhalten und Kultur zu finanzieren“