HARTWIG am MITTWOCH ist eine Kolumne, die immer zuerst mittwochs in der Ostfriesland-Ausgabe der Nordwestzeitung und der Emder-Zeitung erscheint.
Ein neues Miteinander erreichen – das war eines der Ziele, die der in wenigen Tagen amtierende Leeraner Bürgermeister Claus-Peter Horst in seinem Wahlkampf propagiert hat. Im politischen Leer wäre das nach vielen Jahren der Auseinandersetzungen zwischen Politik und Verwaltung und auch innerhalb einzelner Parteien eine wohltuende Entwicklung. Die Zeichen, dass es so kommt, stehen gut.
Warum? Die größte Fraktion der SPD/Linke setzt mit Beginn der neuen Wahlperiode mit einem Angebot an die übrigen Parteien einen kräftigen Akzent. Der wiedergewählte Fraktionschef Heinz-Dieter Schmidt bestätigt, dass die Sozialdemokraten den übrigen Parteien vorschlagen werden, dass es künftig drei statt zwei stellvertretende ehrenamtliche Bürgermeister geben soll. Der Gedanke dabei: Die SPD stellt einen, die Grünen einen und die CDU (hat wie die Grünen-Fraktion acht Sitze) ebenfalls einen. Und auch bei den Ausschüssen streckt die SPD, die gemeinsam mit den Grünen seit Jahren intensiv zusammenarbeitet und gemeinsam die absolute Mehrheit im Rat haben wird, die Hand aus. Die Zahl der Mitglieder in den Ausschüssen soll von 11 auf 13 erhöht werden. Nicht, um dadurch mehr Sitzungsgelder zu zahlen, sondern weil es dadurch möglich ist, zahlreiche Losverfahren als das unbestritten undemokratischste Entscheidungsverfahren um Sitze in den Gremien zu vermeiden. Beibehalten werden soll die Größe des Verwaltungsausschusses mit zehn Mitgliedern plus Bürgermeister. Dort wären dann die SPD (5), Grüne (2), CDU (2) und die FDP/LWG (1) vertreten, weil sich LWG-Ratsherr Dieter Schmidt und die Liberalen sich auf ein gemeinsames Agieren einigten. Hört sich gut an, was die Sozialdemokraten und FDP/LWG vorhaben – und ist ein deutliches Signal an die anderen, dass die Politik Leer gemeinsam und nicht im klassischen Machtdenken nach vorne gebracht werden soll. Alle Fraktionen können seit Montagabend auch darauf hoffen, dass die CDU zu ihrer Geschlossenheit zurückfindet. Dort hat es eine einstimmige Bestätigung von Ursel Nimmrich als Fraktionsvorsitzende gegeben. Ebenfalls ein gutes Signal.
Das neue Miteinander, das hoffentlich gut startet und lange hält, ist auch dringend erforderlich zur Bewältigung der städtischen Finanzkrise. Die Stadt ist bekanntermaßen finanziell nah am Abgrund und niemand weiß aktuell wirklich, wie dramatisch die Lage werden könnte. Seit 2016 gibt es keine geprüften Haushalte, d.h. es wird seit Jahren auf Basis geplanten Zahlen weitergeplant. Ein Umstand, den Leer gemeinsam hat mit landauf landab vielen Kommunen Niedersachsens hat. Deshalb hat das Land im Februar abgestufte Maßnahmen beschlossen. Im schlimmsten Fall droht allen Kommunen, die ihre Hausaufgaben nicht machen, dass die Finanzplanung für 2022 nicht genehmigt wird und damit der Zugang zu Fördermitteln versperrt bleibt, weil erforderliche Eigenanteile nicht bereitstehen.
Der bald neue Leeraner Rathauschef Horst hat bereits angekündigt, dass als erstes ein Kassensturz ansteht, um zu schauen, was sich Leer noch leisten kann. Aufgaben und Investitionsmöglichkeiten warten bekanntlich immer (zu) viele. Wenn dann die Politik nach einem Miteinander in der Personalpolitik auch in Sachfragen zu einem gegenseitig befruchtenden Austausch kommt, dann werden die Herausforderungen von der Besetzung der Stelle des Baurates, über die Schaffung neuer Gewerbegebiete bis hin zu zahlreichen erforderlichen Infrastruktur-lnvestitionen leichter und schneller zu stemmen sein. Man darf gespannt sein, wie gut es mit dem neuen Miteinander klappt.