„Soldaten-Uniform ist aktuell ein Türöffner für interessante Gespräche“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Oberstarzt Dr. Kai-Siegfrid Schlolaut, Kommandeur der Bundeswehr in Leer

LEER Er hat durch Einsätze im Ausland einiges auf der Welt gesehen, hat – wie es für Führungskräfte üblich ist – einige Stationen bei der Bundeswehr und im Ministerium in Berlin durchlaufen und sich entschieden, ein zweites Mal nach Leer zurückzukehren: Oberstarzt Dr. Kai-Siegfried Schlolaut. Der Kommandeur des Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst „Ostfriesland“ (Kdo SES) erklärt in der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ , warum er in die Ledastadt zurückgekehrt ist, welche Herausforderungen es für die Evenburg-Kaserne in den kommenden Jahren gibt und was die aktuelle NATO-Übung für das Kdo SES besonders macht. Weitere Themen im Gespräch mit dem 55-Jährigen sind die Wiedereinführung eines Dienstjahres für junge Menschen, das traditionelle Grünkohlessen in der Kaserne und der Püntenmarsch, die Uniform und sein Lebensmotto. Zudem verrät er, warum er sich vorstellen könnte, einen Tag lang Leeraner Bürgermeister zu sein.

An der Bundeswehr fasziniert mich…

… die Vielfalt der Aufgaben. Es macht Freude, mit Menschen gemeinsam unsere Einsatzbereitschaft zu gewährleisten und ad hoc im Auslandseinsatz etwas bewirken zu können.

Nach Leer zurückgekommen bin ich, weil…

… es eine spannende Aufgabe ist, Kommandeur des Kommando SES zu sein. Das ist eine Traumverwendung, weil hier ein ganz besonderer Geist herrscht. Es ist faszinierend, immer wieder mitzuerleben, wie sich alle auf einen Auftrag ausrichten. Das ist – bildlich gesprochen – so, wie sich Metallspäne auf einem Magneten ausrichten. Zudem gefällt mir Ostfriesland sehr gut.

Als Kommandeur ist meine größte Herausforderung…

… etwa 800 Soldatinnen und Soldaten so zu führen, dass wir die Aufträge erfüllen und nach Einsätzen alle wieder gesund und munter zurückbringen zu ihren Familien. Aktuell und in der jüngsten Vergangenheit waren es die Evakuierungsoperationen in Kabul und Sudan, die Vorbereitung auf eine mögliche Evakuierung im Nahen Osten oder die Hilfe beim Erdbeben in der Türkei. Ein Dauerauftrag ist die Begleitung von Spezialkräften bei der Befreiung von Geiseln und dazu dann jederzeit die humanitäre Hilfe in der gesamten Welt.

Für unseren Standort Leer ist die größte Herausforderung in den nächsten Jahren…

… die Infrastruktur. Unsere Kaserne und unsere Hallenschießanlage in Loga platzen, umgangssprachlich formuliert, aus allen Nähten, weil wir sehr viel Material haben. Das macht die Aufgabenstellung nicht einfacher.

Die geplante Einsatztrainingshalle für unser Ausbildungs- und Simulationszentrum ist…

… leider immer noch nicht fertig. Das ist erst für Ende dieses Jahrzehnts zu erwarten. Wir benötigen dieses Zentrum nötiger denn je.

Anbahnender Konflikt, Krieg oder Frieden – die Leeraner Sanitäter sind…  

… jederzeit weltweit bereit, für alle diese Operationen zu agieren. Im Moment beobachte ich mit Argusaugen die Gesamtwetterlage in Europa, im Nahen Osten und weltweit. Wir müssen zwei Schritte weiter sein in unserem Denken: Was bedeuten diese Entwicklungen? Was können wir vorbereiten? Was wären unsere Anforderungen? Dabei sind wir dann immer von politischen Entscheidungen und Entwicklungen abhängig. Zudem geht es darum, die Ausbildung für die Landes- und Bündnisverteilung anzupassen im Vergleich zu den Stabilisierungseinsätzen in den vergangenen 20 Jahren.

Wenn meine Soldaten in einem Krisen- oder Kriegsgebiet im Einsatz sind, dann …

… hoffe ich, dass ich sie bestmöglich vorbereitet habe auf das, was auf sie zukommt, und sie gesund zurückkommen und wir in der Zwischenzeit hier am Standort den Familien und Angehörigen die Unterstützung zukommen lassen, die sie benötigen.

Die Teilnahme an der aktuellen NATO-Übung „Quadriga“ ist für meine Soldaten…

… der Schwerpunkt unserer Übungen in diesem Jahr. Wir werden in Ungarn und Rumänien im Einsatz sein. Anders ist diesmal, dass wir nicht alles per Flugzeug hinfliegen, sondern das Material per Eisenbahn transportiert wird.

Der Krieg in der Ukraine ist für mich und meine Soldaten…

… erschütternd und augenöffnend, dass seit 2022 Kriege wieder als legitimes Mittel der Politik mitten in Europa angewendet wird. Als jemand, der 1987 zur Bundeswehr gegangen ist, war ich überzeugt, dass wir über diesen Punkt hinausgekommen sind nach 1990. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir jederzeit weltweit einsatzbereit sind.

Für die Familienangehörigen unserer Soldaten ist ein Auslandseinsatz…

… immer eine große Belastung, weil der Partner oder die Partnerin weg ist und die Familie dann über einen längeren Zeitraum alles selbst meistern muss. Wir als Soldaten bekommen eine Einsatzmedaille nach dem Einsatz. Die, die zuhause die Stellung halten, werden oft etwas vergessen. Wir versuchen zu unterstützen, so gut es geht und mit dem Familienbetreuungszentrum eine gute Betreuung zu gewährleisten.

Unser jährliches Grünkohlessen ist…

… ein großer Erfolg und unser Dankeschön an alle Freunde und Unterstützer des Kommandos. Dieses Jahr hatten wir 950 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das ist eine logistische Meisterleistung, die Versorgung zeitgleich hinzubekommen.

Der Püntenmarsch ist für uns…

ein Tag, an dem wir die Tore unserer Kaserne öffnen, damit wir vielen Menschen zeigen können, was wir machen. Der Marsch ist ein Bindeglied zwischen uns und der Bevölkerung. Wir haben es in den letzten zwei Jahren mit dem Tag der Verbundenheit kombiniert und die Blaulichtorganisationen, mit denen wir regelmäßig und freundschaftlich zusammenarbeiten, eingebunden. Dieses Jahr stellen wir die eigenen Fähigkeiten in den Vordergrund. Ich kann insgesamt feststellen: Das Miteinander mit den Behörden, Hilfseinrichtungen und den Menschen hier in der Region ist ein Traum. Dafür sind wir dankbar.

Wenn ich einen jungen Menschen für die Bundeswehr begeistern will, dann motiviere ich ihn mit…

… der Vielfalt, die der Soldatenberuf bietet: eine gute Ausbildung, ein spannendes Arbeitsumfeld und eine große Portion Kameradschaft, die prägend und verbindend ist.

Die Wiedereinführung eines Dienstes für junge Menschen würde ich…

… persönlich als Dienstpflicht für junge Männer und Frauen mehr als begrüßen. Ich bin überzeugt, dass dieses ein wesentlicher Beitrag für die gesamtstaatliche Resilienz im Zivilen, im Gesundheitssystem und in den sozialen Bereichen und natürlich auch beim Militär wäre. Es bietet die Möglichkeit für jeden jungen Menschen, einen aktiven Beitrag für diesen Staat zu leisten.

Mein Lebensmotto ist…

„Man muss Menschen lieben, um Menschen führen zu können.“ Ich bin Optimist. Ein gutes Vorbild und ein positives Beispiel zu sein, ist mir wichtig.

Disziplin ist für mich…

… Grundvoraussetzung für strukturiertes Denken und Handeln und ein Leitfaden nicht nur für den militärischen Dienst, sondern auch privat. Ohne Disziplin zielgerichtet etwas zu erreichen, ist aus meiner Sicht nicht möglich

Meine Uniform ist für mich…

… Ausdruck dessen, was ich mache und wer ich bin. Aktuell bei Zugfahrten erlebe ich, wie oft ich positiv angesprochen werde. Das war bisher selten so und die Uniform ist aktuell ein Türöffner für interessante Gespräche.

Heimat ist für mich…

… da, wo die Familie wohnt. Ich bin Sohn eines Offiziers und bin dann mit der eigenen Familie öfters umgezogen. Ich bin eher norddeutsch geprägt. Aktuell lebt meine Familie in Kleinmachnow bei Berlin.

Angst habe ich vor…

… privat gesagt: Wenn die lauten oder radikalen Menschen auf der Straße die Meinungsführerschaft bekommen. Ich möchte nicht, dass Intoleranz, Polemisierung, Populismus, und Radikalisierung in unserer Gesellschaft weiter zunehmen.

Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

… ich meinen Kindern vom Weihnachtsmann erzählt habe

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

… versehentlich privat zu schnelles Fahren. Ich musste dafür 20 Euro bezahlen.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Pflegmatismus und Menschen, die über Dinge meckern, aber nicht willens sind, sie zu ändern. Wer unzufrieden ist, der sollte von der Tribüne auf das Spielfeld gehen und mitmachen und gestalten.

Ich kann mich so richtig freuen über, …

… die Zusammenarbeit mit den 800 Menschen am Standort in Leer und natürlich über gemeinsame Zeit mit meiner Familie.

Mein größter Fehler ist, dass …

… ich ein unbegründetes Nein nicht akzeptieren will. Damit kann ich manchmal schlecht umgehen.

Mein Lieblingsplatz in Leer ist…

… die Laufstrecke um die Evenburg.

Mein Lieblings-Urlaubsziel ist…

… Italien.

Kraft tanke ich, wenn…

… ich Sport mache – Rennradfahren, Mountainbiken, Laufen, oder wenn ich zuhause bei der Familie bin.

Wenn ich einen Tag lang in meinen Leben ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne…

… Bürgermeister von Leer. Ich schätze den Bürgermeister sehr und finde es spannend, seine Aufgabe als Manager der Stadt zu sehen. Ich denke, unsere Aufgaben habe viele Gemeinsamkeiten, wenn es darum geht, Menschen für ein Ziel zu motivieren.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…

… wünsche ich mir, dass es gelingt, Deutschland und Europa sicherer und gewaltfrei zu bekommen, dass wir bei der Bundeswehr über die aktuelle Situation hinaus die notwendige Unterstützung bekommen und drittens Gesundheit für meine Familie.

Steht an der Spitze der etwa 800 Soldatinnen und Soldaten der Evenburg-Kaserne in Leer: Kommandeur Oberstarzt Dr. Kai-Siegfried Schlolaut.

Foto: Bundeswehr / Palkoska

Holger Hartwig„Soldaten-Uniform ist aktuell ein Türöffner für interessante Gespräche“