Die vergangenen Wochen haben es erneut gezeigt: Ohne die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des THW – aber natürlich auch der Feuerwehren und anderer Hilfsorganisationen – wäre Deutschland aufgeschmissen gewesen bzw. in Teilen abgesoffen. Mittendrin waren in Hollen, in Oldenburg und im Emsland die Aktiven des THW-Ortsverbandes (OV) Leer. Sie lieferten tolle Leistungen ab, rund um die Uhr ganz egal, ob an Weihnachten oder Silvester. Trotzdem werden sie – anders als zugesagt und lange geplant – noch viele Jahre warten müssen, bis sie ihr in die Jahre gekommenes „Zuhause“ in der Alemannenstraße verlassen können, Dabei schienen alle Weichen für einen zeitnahen Neubau, der den THW- eigenen Anforderungen entspricht, gestellt.
Rückblick: Der OV entwickelt sich über viele Jahre sehr gut. Zwei Fachgruppen – so heißen die gut ausgebildeten spezialisierten Abteilungen des THW, die in Notlagen zum Einsatz kommen – werden aufgebaut. Die Zahl der aktiven Helferinnen und Helfer wächst kontinuierlich auf heute mehr als 60 an. Zwei neue Fahrzeuge und alles, was sonst noch dazu gehört, werden angeschafft. Die Räumlichkeiten platzen immer mehr aus allen Nähten. Es fehlt an ausreichenden Schränken in den Umkleiden, ein Fahrzeug steht – weil es nicht in die Halle passt – seit zehn Jahren draußen im Regen. 2018 dann die Erleichterung: Es wird durch das THW festgestellt, dass ein Neubau unabdingbar ist. Ein Neubau, der den Murpl-Anforderungen gerecht wird. Murpl steht für Musterraumbedarfsplanung. Die gilt bundesweit und regelt, was wo wie groß vorhanden sein bzw. gebaut werden muss. 2019 der nächste große Schritt. Die damalige CDU-SPD-Bundesregierung stellt die Mittel bereit, deutschlandweit 60 neue Unterkünfte zu bauen. Leer ist dabei, es beginnt die Grundstückssuche. Alles läuft gut. Doch selbst, wenn in diesen Tagen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA), die Bauherrin ist und später das Gelände an das THW vermietet, ein etwa 9.000 Hektar großes Grundstück im Gewerbe- und Industriegebiet Leer-Nord kauft, steht der Neubau plötzlich wieder in den Sternen.
Warum? Die Bundesregierung hat 2019 die Kosten für die Neubauten kalkuliert, die heutige Ampelregierung hat bei den THW-Finanzplanungen für 2022 und die Folgejahre keine Kostensteigerungen, z.B. durch teureres Material und allgemeine Inflation, berücksichtigt Im Ergebnis bedeutet dieses: Die Zahl der Neubauten wurde auf 30 halbiert. Leer gehört nun nicht mehr dazu. Jetzt drohen für 2024 im Zuge des „Sparkurses sogar weitere Kürzungen der THW-Budgets.
Ob überhaupt noch einmal in der Kreisstadt gebaut wird oder wie lange die Leeraner Ehrenamtlichen warten müssen, steht in den Sternen. Wer weiß: Vielleicht wird auch erwartet, dass die gute Entwicklung der Helferzahl in der Ledastadt bald ein Ende hat und ein Neubau sich dadurch erübrigt. Landauf landab gibt es schließlich immer weniger Menschen, die sich in der Freizeit engagieren und auch beim THW gibt es OV mit Helfermangel. Doch auch hier liefert das THW Leer eine eindeutige Antwort: Mehr als 30 Kinder sind regelmäßig am Standort in der Alemannenstraße aktiv. Damit hat das Leeraner THW eine der in Relation zur Helferzahl stärksten Nachwuchsabteilungen bundesweit ganz weit vorne.
Nun sollte man meinen, dass die Leeraner THWler in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit in eigener Sache ordentlich Stimmung machen, damit ihre Herberge endlich gebaut wird. Das wäre bei jeder kleinen Ortsfeuerwehr selbstverständlich. Doch aus den Reihen des THW ist nichts zu hören. Der Ortsbeauftragte Stefan Sandstede sagt selbst auf Anfrage nichts dazu. Warum das so ist? Es ist im Wesen und in der Struktur des THW begründet. Das THW ist eine Bundesbehörde, die dem Bundesinnenministerium unterstellt ist. Alle Engagierten sind ehrenamtliche Staatsdiene. Sobald sie ihren blauen Anzug tragen, stehen sie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art zur Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet: Egal, ob Ortsbeauftragter oder Helfer – keiner von ihnen darf bzw. sollte sich öffentlich gegen seinen obersten Dienstherrn äußern. Man könnte, wenn man böse formulieren will, von einem Maulkorb sprechen.
Was bedeutet diese Konstellation für die Leeraner? Es kommt in nächster Zeit maßgeblich darauf an, wie diejenigen, die sich äußern dürfen, aktiv werden. Das sind zuallererst die Bundestagsabgeordneten, ganz egal, welcher Partei, denn Katastrophenhilfe kennt kein Parteibuch. Aber keineswegs nur sie. Auch Landtags- Kreistags- und Kommunalpolitiker können sich für die Katastrophenschützer stark machen und unterstützende Entscheidungen treffen. Die vergangenen Wochen haben (wieder einmal) gezeigt, wie wertvoll ein funktionierendes THW vor Ort ist. Es betrifft also jeden Bürgermeister, jeden auf kommunaler Ebene engagierten Politiker. Letztlich sogar auch jeden Bürger. Jeder, der die Möglichkeit hat, sollte öffentlich den „blauen“ Leeraner Helfern zur Seite stehen, so wie es für die „Roten“ der Feuerwehr selbstverständlich ist.
Die nächste Gelegenheit dazu besteht in wenigen Tagen: Dann lädt das Leeraner THW zum traditionellen Neujahrsempfang ein. Eine große Zahl an Gästen mit Funktionen in der Region zum einen, zum anderen dann klare Statements in den Grußworten sollten ein guter Anfang des „Trommelns“ für den zweifelsfrei benötigten Neubau sein. Die Helferinnen und Helfer, die nicht auf die Uhr und den (Feier)tag schauen, um Menschen und Infrastruktur zu schützen, haben diese Unterstützung mehr als verdient.
Fotos: THW