Und es begab sich zu einer Zeit, als wieder einmal die Gerüchteküche über das katholische Krankenhaus in der Stadt auf Hochtouren kochte. Das Hospital schreibe Millionenverluste, der nicht gerade als kommunikativ bekannte Geschäftsführer stehe auf der Abschussliste und das Krankenhaus aus der Nachbarstadt, das ein gutes Jahrzehnt später aktuell selbst mit einem Millionenverlust zu kämpfen hat, habe bereits mit zwei Millionen Euro die Liquidität gesichert.
Was macht also ein pflichtbewusster Redakteur? Er sucht vor etwa zehn Jahren das direkte Gespräch, in diesem Fall dann mit den beiden Verantwortlichen des Aufsichtsgremiums. Der Dialog findet in freundlicher Atmosphäre statt, der Mann – erfahrener Steuerberater – und seine Kollegin beantworten alle Fragen – nur leider nicht so, wie es nach den Recherchen des Redakteurs korrekt gewesen wäre. Irgendwann dann – so etwa nach zwei Stunden – hat der Redakteur die Nase gestrichen voll von der „Märchenstunde“. Natürlich werde er alles das schreiben, was an diesem Tag gesagt worden sei. Jedes Zitat so, wie es gefallen ist. Aber: Die Gesprächspartner sollten sich gut überlegen, ob sie das so wollten. In ein bis zwei Wochen, wenn die geplante Trennung von dem Geschäftsführer vollzogen sei (sie ist damals in der Vorbereitungsphase, aber bereits beschlossene Sache), werde die ganze Wahrheit auf den Tisch kommen.
Da es bei dem Hospital, bei dem Maria hoch in Kurs steht, um eine wichtige Einrichtung der Stadt geht, gehtder Redakteur noch mehr in die Offensive. Denn es sei schlimm genug, dass es um die Klinik wirtschaftlich so schlecht steht. Da bedarf es dann nicht auch noch einer öffentlichen Täuschung. Der Redakteur macht einen Vorschlag: Er legt die Fakten der Recherche auf den Tisch. Erstaunte Gesichter. Und zum Schluss kommt eine klare Ansage: Wenn die Gesprächspartner endlich mit offenen Karten spielen, könne der Redakteur bis zu einer Veröffentlichung des Textes auch Zeit einzuräumen, damit intern und mit Blick auf die geplante Demission des langjährigen Geschäftsführers Fakten geschaffen werden könnten. Der Redakteur geht sogar noch weiter: Bis wann könnten die wichtigsten Fragen geklärt sein? Antwort: in etwa einer Woche. Ok, dann warten wir mit der Veröffentlichung eine Woche. Mit Blick auf die Unruhe, die in der Belegschaft aufkommen werde, wenn in der Zeitung ein Millionenverlust stehe, schlägt der Redakteur noch etwas vor: Der Zeitplan wird abgestimmt und die Verantwortlichen treten am Abend vor der Veröffentlichung vor ihre Belegschaft und informieren. Ergebnis: Wir verständigen uns auf diesen „Deal“.
Eine Woche später ist es dann soweit: Die bestätigten Ergebnisse der wochenlangen Recherche stehen in der Zeitung, sind in Teilen abgestimmt. Allerdings: Die Verantwortlichen halten ihr Wort nicht. Die Belegschaft wurde nicht vorab informiert. Sie erfahren es aus der Zeitung. Gut für die Zeitung, schlecht für das Krankenhaus als ein wichtiger Bestansteil der Daseinsvorsoge. Und noch viel schlimmer: Nachdem ich im Kommentar geschrieben habe, dass die Krise und die finanziellen Schwierigkeiten wohl noch größer werden, wird von einem der Verantwortlichen noch intern gegen mich agiert. Das verstehe ich bis heute nicht.
Ebenso unbegreiflich bleibt bis heute das Pressgespräch einige Zeit später, in dem die Verantwortlichen dann erneut offiziell Rede und Antwort stehen. Mittlerweile ist der Geschäftsführer Geschichte. Und was soll ich sagen? Dieser Termin wird – als nach den Gründen für die Misere gefragt wird – wieder zu einer Märchenstunde. Irgendwann, nachdem mehrere Fragen aus meiner Sicht weder korrekt noch vollständig beantwortet wurden, hole ich meinen großen Aktenordner aus der Tasche. Darin sind alle Unterlagen, die sich angesammelt hatten – inklusive der Jahresbilanzen des Hospitals aus den vergangenen Jahren. Mir reicht es. Ich nehme beispielsweise Bezug auf die getroffenen Aussagen zu den Medizinischen Versorgungszentren und zitiere, was dazu in den Jahresabschlüssen, die die Klinik selbst veröffentlich hat, steht. So richtig erhellend bleibt das Pressgespräch am Ende nicht, außer dass die Klinik finanziell noch größere Sorgen hat, als in der ersten Veröffentlichung stand. Aber das stand ja bereits im ersten Kommentar.
Ach ja, heute gehört dieses Hospital zu einem Klinikverbund und ist mittlerweile besser aufgestellt. Und der Geschäftsführer, der mit seiner Geschäftspolitik die Misere zu verantworten hatte? Er soll weich gefallen sein. Während viele Mitarbeitenden um ihre Existenz in den Tagen der Krise besorgt sind, soll er einen guten neuen Job bekommen. Er hat eine Beraterfunktion in Berlin übernommen. Dabei handelt es sich um ein Haus, das – so ein Zufall – auch unter kirchlicher Führung steht. Rein zufällig gibt es – um einige Ecken recherchiert – auch eine Verbindung zwischen dem Gesundheitsunternehmen in der Bundeshauptstadt und dem Bistum Osnabrück. Das steht dann auch so in der Zeitung. Denn leider ist das kein Märchen gewesen…
Symbolfoto: Karolina Grabowska/pexels.com