„Wir wussten: Wird auf Hochdeutsch geschimpft, dann wird es ernst“

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 „Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Eckhard Büscher, Plattdeutschbeauftragter bei der Stadt Leer

 LEER Es ist eine der ungewöhnlichsten Aufgabe in einer Behörde: der Plattdeutschbeauftragte. Bei der Stadt Leer hat dieses Amt seit zehn Jahren Eckhard Büscher – gemeinsam mit seiner Kollegin Gertrud Oosting – übernommen. In der Rubrik „Auf einen Tee mit …“ spricht der 55-jährige gebürtige Leeraner, der heute in Neermoor wohnt, über die Aufgaben dieses Ehrenamtes, verrät sein plattdeutsches Lieblingswort, gibt Tipps, wie man die Sprache erlernen kann, berichtet, wie im Leeraner Rathaus mit der Heimatsprache agiert wird, und macht deutlich, warum Schimpfen auf Plattdeutsch für ihn immer „nicht ganz so schlimm“ war.

Plattdeutsch ist für mich…

… Heimat und Kindheit.

Mein plattdeutsches Lieblingswort ist…

… Filapper – das heißt Schmetterling.

Plattdeutschbeauftragter bei der Stadt bin ich geworden, weil…

… ich seit meiner Kindheit Plattdeutsch spreche und ich mich dafür einsetzen möchte, dass diese Sprache nicht ausstirbt. Plattdeutsch ist eine Minderheitensprache und kein Dialekt. Sie wird von der EU unterstützt. Wir haben von der Stadt ein kleines Budget zur Verfügung gestellt bekommen für Aktivitäten vor allem für Kinder und kümmern uns darum, dass die Sprache in der Verwaltung an vielen Stellen eingesetzt wird.

Für die Stärkung der Heimatsprache in einer Verwaltung zuständig zu sein, bedeutet…

… eine große Aufgabe vor sich zu haben, da wir in der Verwaltung zwar viele Mitarbeitende haben, die Plattdeutsch sprechen, aber es nicht im Alltag anwenden. Ich würde mir sehr wünschen, dass auch mal eine Ratssitzung auf Plattdeutsch stattfindet. Wir sind da leider noch nicht so weit wie andere Kommunen in der Region.

Wer als Bürger ins Rathaus kommt und lieber Plattdeutsch spricht, der sollte …

… das einfach tun. Es findet sich immer jemand, der das versteht. Das ist kein Problem. Sehr viele verstehen die Sprache, aber sprechen es nicht. Dann wird halt auf Hochdeutsch geantwortet oder ich und meine Kollegin Gertrud Oosting können dazu geholt werden.

Wer Plattdeutsch lernen will, der sollte …

… einen VHS-Kurs besuchen und sich gerne an uns als Plattdeutsch-Beauftragte wenden. Wir haben z.B. Hefte, die weiterhelfen. Weiterhin ist die App Platino hilfreich, mit der die Sprache spielerisch erlernt werden kann. Zudem gibt es eine tolle Internet-Plattform der ostfriesischen Landschaft in Aurich, www.platt-wb.de ein Nachschlagewerk, bei dem man alle Wörter übersetzt bekommt. 

Der anstehende ostfrieslandweite Plattdeutsch-Monate im September soll…

… unsere Sprache fördern. Wir von der Stadt Leer haben z.B. am 9.September bei Multi-Nord einen Stand, auf dem wir vor allem Kinder ansprechen wollen.

Die Veranstaltung auf Platt, die mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist…

… Plattsounds, ein Bandcontest für junge Leute, die plattdeutsche Musik machen. Das sind alle Richtungen von Hip-Hop bis Rock dabei. Jedes Jahr findet es im Herbst statt und dieses Jahr ist das Finale am 11 November im Zollhaus in Leer.

Wenn jemand auf Plattdeutsch schimpft, dann…

… klingt das immer etwas niedlicher (lacht). Ich erinnere mich daran, dass meine Geschwister und ich genau wussten: Wenn zuhause Hochdeutsch geschimpft wird, dann wird es ernst.

Die Zusammenarbeit der Plattdeutschbeauftragten in Ostfriesland ist …

… hervorragend. Wir Plattdeutschbeauftragten treffen uns alle drei Monate bei der ostfriesischen Landschaft in Aurich zum Austausch unserer Aktivitäten.

Zu „Mien Platt. Dien Platt. Uns Platt!“ fällt mir ein, dass …

… es kein besseres oder schlechteres Plattdeutsch gibt. Es ist unsere Sprache, die eben z.B im Emsland einen anderen Dialekt hat als im Wittmunder Bereich.

Das Plattdütschbüro der Ostfriesischen Landschaft in Aurich ist …

… eine tolle Organisation für die Erhaltung unsere Heimatsprache – dort wird viel für den Erhalt unserer Sprache getan.

In der Schule Plattdeutsch zu sprechen, ist aus meiner Sicht …

… ganz wichtig. Die Kinder in unserer Region sollten zweisprachig aufwachsen. Plattdeutsch ist ein Teil unserer Kultur und gehört zu unserer Geschichte dazu.

Das Ansehen von Plattdeutsch in Ostfriesland ist in den vergangenen Jahren…

… ist leider etwas zurückgegangen. Ich habe den Eindruck, dass immer mehr denken: Diese Sprache muss man nicht kennen. Mich motiviert das umso mehr.

Zweisprachige Ortsschilder und Infotafeln auch in Plattdeutsch finde ich…

… ganz nett, aber kein Muss.

Für meine Aufgabe im Gebäude- und Energiemanagement in der Stadtverwaltung ist Plattdeutsch…

… sehr wichtig, da ich mit vielen Handwerksbetrieben arbeite, in denen viel Plattdeutsch gesprochen wird. Man fühlt sich dann beiderseits wohler.

Die klimafreundliche Umstellung der städtischen Gebäude wird…

…teuer. Sie ist sinnvoll und ist ein Meilenstein für die Stadt. Wir haben aber viele historische und denkmalgeschützte Gebäude und es werden viele Kernsanierungen erforderlich, damit die Maßnahmen sich auszahlen. 

Als Personalrat bei einer Stadtverwaltung muss man…

… immer ein offenes Ohr haben, versuchen die Anliegen und Sorgen der Kolleginnen und Kollegen gemeinsam im Gremium zu lösen.

Mein Motorrad ist für mich…

… ein Freiheitsgefühl und abschalten vom Alltag. 

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

… falsches Parken.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… die Intoleranz von Menschen.

Ich kann mich so richtig freuen über…

 … gutes Wetter und dann Zeit mit Familie und Freunden verbringen.

Kraft tanke ich, wenn ich…

… die Sonne genießen kann.

Meine Lieblingsplätze in der Region sind…

…die Bohrinsel in Dyksterhusen und der Leeraner Hafen.

Mein größter Fehler ist, dass ich …

… nach dem Meisterbrief kein Ingenieur-Studium begonnen habe.

Wenn ich noch einmal Kind wäre, dann…

… würde ich viel mehr Zeit mit meiner Mutter verbringen, die leider schon 1989 verstorben ist.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler sein könnte, dann würde ich als erstes…

… die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen. 

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir, dass…

… der Krieg in der Ukraine unverzüglich endet, der Klimawandel gestoppt wird und unheilbare Krankheiten endlich heilbar werden.

Seit zehn Jahren kümmert sich Eckhard Büscher gemeinsam mit seiner Kollegin Gertrud Oosting als Plattdeutschbeauftragter der Stadt Leer um den Erhalt und die Stärkung der Heimatsprache.

Foto: privat

Holger Hartwig „Wir wussten: Wird auf Hochdeutsch geschimpft, dann wird es ernst“