Aufgeschnappt – 19. September 2021

Artikel teilen

Von der Ärztin in der Corona-Debatte

Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut. Gut so. So muss dieses Land auch teils die abwegigsten Äußerungen rund um die Pandemie „aushalten“. Wie gut, dass die meisten Menschen intelligent genug sind, sich selbst ein Bild zu verschaffen. In Mode gekommen sind auch so genannte „Offene Briefe“. Einen haben jetzt mehrere hundert Ärzte unterschrieben (zu lesen beispielsweise in auf der Seite der Südthüringischen Rundschau). In dem Statement heißt es unter anderem: „Wir wollen und können nicht mehr zusehen, wie unter dem Deckmantel einer „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ und der vorgegebenen Sorge um Gesundheit und Sicherheit jegliche Grundlagen für Gesundheit und Sicherheit zerstört werden. (…) Wir fordern die sofortige Aufhebung aller Corona-Maßnahmen.“ Diese Meinung kann jeder haben. Etwas heikel wird es, wenn man sich die Liste der Unterzeichner anschaut.

Darunter ist auch eine Medizinerin aus Leer: Juliane Perlich. Es ist das gute Recht, dass die Ärztin ihre Meinung hat. Etwas interessanter wird es aber, wenn man weiß, wo Frau Perlich arbeitet: Sie ist Ärztin des Gesundheitsamtes des Landkreises Leer. Und ihr Arbeitgeber unternimmt seit Monaten die unterschiedlichsten Aktivitäten, um möglichst viele Menschen von einer Impfung zu überzeugen, um in den nächsten Monaten weitere Lockdowns zu verhindern. Schwer vorstellbar, dass dabei Frau Perlich ob ihrer Haltung eine Hilfe ist. Aber wie gesagt, die Meinungsfreiheit.

Von Millioneninvestitionen

Krankenhauskrise? Millionendefizite? Zumindest für eines der beiden Leeraner Krankenhäuser scheint das definitiv kein Thema zu sein. Denn wer die Entwicklung des Klinikums Leer in den vergangenen 15 Jahren verfolgt hat, der kann nur den Hut ziehen. Es wird in die Zukunft investiert, investiert und nochmals investiert. Dazu passt der Spruch eines Geschäftsführers einer Klinik vor vielen Jahren in einem Interview: „Wenn an einem Krankenhaus nicht irgendwo gebaut wird, dann stimmt was nicht.“ Aktuell kann sich die „kleine Filiale“ Rheiderland-Krankenhaus in Weener freuen. Die Klinik, die bis zur Integration in das kreiseigene Klinikum Leer mehrmals in ihrer Existenz auf der Kippe stand, erhält einen Erweiterungsbau für drei Millionen Euro. Damit werden es nun fast 15 Mio. Euro sein, die seit der Anbindung an das Klinikum Leer in den Standort Weener fließen. Von solchen Entwicklungen können andere Krankenhäuser nur träumen. Manch eine hatte bereits Probleme mit der Wirtschaftlichkeit (so wie einst das Hospital in Papenburg), manch eine soll zu einer Zentralklinik zusammenwachsen (Emden und Aurich) und noch wieder anderen steht das Wasser bis zum Hals, weil es an Personal fehlt oder es hinter den Kulissen kräftig zur Sache geht. Wie schön, dass sich die Bürger im Kreis Leer auf ihre Krankenhäuser verlassen können.

 Von immer mehr Straßensperren

„Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu“ – diese Zitat von Ex-Fußballstürmer Jürgen Wegmann passt ganz gut zu dem, wie sich die aktuelle Verkehrssituation in Leer anschaut. Erst der Bummert (sieht so aus, als wenn er eher als November fertig werden könnte), dann der Stadtring, dann die Seeschleuse und zu guter Letzt auch noch die Zufahrtsstraße in die Stadt, die Deichstraße – gleich vier voll- oder halbseitige Sperrungen lassen bzw. ließen Autofahrern, die nach Leer hinein wollen, graue Haare wachsen. Immerhin: Bis zum kleinen Gallimarkt, der ja nun vom 14. bis 18. Oktober von jeweils 14 bis 22 Uhr auf dem angestammten Platz stattfinden soll, sollen zumindest Seeschleuse und Deichstraße – der defekte Schachtdecken hat sich erledigt haben – wieder fit sein. Im Prinzip bleibt ja nur ein einziger Trost: Immerhin wird investiert und die Zahl der kleinen und großen Schlaglöcher wird geringer. Und am Bummert darf es nach der Millioneninvestition ja keinen Unfall(schwerpunkt) mehr geben. Abwarten.

Vom langsamen Sterben

Während der Gallimarkt wieder kommen wird, ist jetzt ist wohl das Ende einer Leeraner Traditionsveranstaltung absehbar, die seit dem Zweiten Weltkrieg alle zwei Jahre fest zum Gallimarkt dazugehörte: die Ostfrieslandschau. Der zuständige Ausschuss der Stadt hat hinter verschlossenen Türen mehrheitlich mit dem Veranstalte das Aus besprochen. Klar, Besuchermessen dieser Art sind im Zeitalter des grenzenlosen Informations-Shoppings im Internet nicht mehr zeitgemäß. Dennoch muss man auch selbstkritisch feststellen: Es hat Impulsen gefehlt bei den letzten Auflagen (bis 2018). Es gab zu wenig Beteiligung aus der Kaufmannschaft in Leer, weil sich die Preise und der Aufwand „gewaschen“ hatten. Es war am Ende eine größere Handwerkermesse mit Weinständen, Staubsaugern und vielen anderen, was nicht mehr wirklich viel mit Ostfriesland zu tun hatte. Kommunen waren fast nicht mehr dabei und die großen Firmen der Region auch nicht mehr. Schade. Was traurig stimmt ist, dass es offenbar im Moment noch keine brauchbaren Überlegungen gibt, ob und in welcher Form es weitergehen kann. „Ostfrieslandschau“ ist eine Marke, die Generationen von Ostfriesen kennen. Daraus wird sich doch – vielleicht hat auch digital und mit gezielten Aktionen in der Leeraner Fußgängerzone in veränderter Form – etwas machen lassen. Einfach in jeder Hinsicht diese Marke sterben lassen – das kann es jedenfalls bei allem Internet-Boom nicht sein. Man darf gespannt sein, ob der neue Bürgermeister und der Stadtrat bald mit einer Idee um die Ecke kommen. Kreative Köpfe, die in Leer professionell (Online)-Marketing machen, gibt es genug…

Von den harten Worten des Werft-Chefs

Dieser Tage hat der Senior-Chef der Meyer-Werft, Bernard Meyer, der Zeitung „Die Welt“ ein Interview gegeben, dass für viel Aufregung gesorgt hat, weil er offen die Herausforderung mit den Löhnen angesprochen hat. „Die Löhne, die wir den eigenen Beschäftigten für einfache Arbeiten zahlen, sind teilweise zu hoch. Die Entgelte 30 Prozent über dem Niveau anderer Länder in Europa. Das ist unser Problem“, so der Werftchef. Selbstverständlich haben Gewerkschaft und Betriebsrat darauf wenig erfreut reagiert. Dabei hat der Werft-Chef jetzt erstmals öffentlich gesagt, was im Prinzip eh schon alle wissen, nur niemand so richtig wahrhaben will. Die wirtschaftlichen Zahlen ließen keine andere Erkenntnis zu. Wer noch mal nachlesen will, was HARTWIG am SONNTAG dazu vor Monaten geschrieben hat – hier die Texte: „Hupkonzerte, Romantik und Billigarbeiter“ (https://hartwig-am-sonntag.de/startseite/meyer-werft-hupkonzerte-romantiker-und-billigarbeiter/) und „Was von den Milliarden übrigblieb“( https://hartwig-am-sonntag.de/startseite/meyer-werft-28-02-2021/)

Von der Erinnerung

Haben Sie schon die heutige Kolumne „Von einer traumatischen und unvergesslichen Wahlnacht“ gelesen? Lohnt sich. In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an einen Anruf vor vielen Jahren. Es war ein angesehener Kaufmann aus Leer, der mich in der Redaktion im Emsland anrief und „freundlich darum bat“, dafür zu sorgen, dass ein Kollege in einem Wochenblatt in Leer, was aus demselben Verlag kam, doch bitte nicht mehr so viel „Schmutz und Scheiße“ schreiben solle. Wenn das möglich sei, dann sei das nicht zum Schaden der Anzeigen- und Beilagenabteilung des Verlages (die auch mit ihm Geschäfte machte), von dem der Autor dieser Zeilen damals sein Gehalt bekam. Der Kollege – in Leer noch heute mit seinem damaligen Kürzel -um- vielen in Erinnerung – hat übrigens weiter für das Blatt geschrieben. Anrufe bei Arbeit- oder Auftraggebern werden von „(un)ehrbaren“ Kaufmännern halt gerne mal vorgenommen, um sich mächtig zu fühlen. Wie gut, dass das nicht immer funktioniert und es nicht nur Redakteure und Verleger gibt, die sich durch so etwas nicht beeindrucken lassen.

Digitaltipp zum Sonntag: www.mariko-leer.de

Es ist schon etwas her, da war es nicht mal mehr gesichert, ob die traditionsreiche Seefahrtschule in Leer erhalten bleibt. Viel Energie hat es damals die Reeder in der Kreisstadt, die Politik und viele andere Engagierte gekostet, für den Erhalt des Standortes zu kämpfen. Es hat sich gelohnt. Nachdem vor Jahren das Maritime Kompetenzzentrum (Mariko) auf die Beine gestellt werden konnte, ist am Freitag nun das Maritime Technikum der Hochschule Emden-Leer (www.hs-emden-leer.de) eröffnet worden. Mehr als sechs Millionen Euro hat das Land Niedersachsen in ein multifunktionales Versuchsbecken für Untersuchungen in den Bereichen Wasserbau, Meerestechnik und Küstenschutz, ein Antriebslabor spezialisiert auf Gasantriebe und einen Windkanal für aerodynamische Untersuchungen im Bereich Windenergie und Segelantriebe investiert. Bravo! Das ist ein Projekt, das Zukunft in Ostfriesland ganz praktisch erfahrbar macht.

Munter holln HH

 

Holger HartwigAufgeschnappt – 19. September 2021