DAS SONNTAGSTHEMA: Die IT-Branche als „Reedereistandort 2.0“ für den Kreis Leer

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Sagen Ihnen die Firmen ELV, Orgadata, S & F Datentechnik, Hiltes, HR4YOU, MDSI IT Solution, Binarytec etwas? Das sind alles Unternehmen aus der Stadt und dem Kreis Leer, die welt-, europa- und deutschlandweit mit ihren speziellen IT-Produkten zu den Marktführern gehören. Zusammen mit vielen kleineren IT-Firmen bilden die eine Branche die in den vergangenen zwei Jahrzehnten am stärksten gewachsen ist. Der IT-Sektor ist zu einem messbaren Wirtschaftsfaktor der Region geworden. Statistisch erhoben ist die Zahl nicht – doch dieser Bereich dürfte zwischenzeitlich weit über 1000 Arbeitsplätze stellen.

Die Branche hat seit 2011 auch mit Blick auf die Politik, Kammern und Verbände einen guten Job gemacht. Mit dem eigens gegründeten Software-Netzwerk Leer hat man mächtig getrommelt – im Wissen darum, dass es zunehmend schwieriger wird, ausreichend Fachkräfte zu begeistern. Die Erfolge lassen sich sehen. Der Landkreis hat setzt mit einer Digitalen Woche einen weithin beachteten Akzent wund junge Menschen werden beispielsweise mit Hackathons oder Programmierwettbewerben angesprochen. Aktuell wird der nächste Meilenstein mit großen Schritten realisiert: der DigitalHub Ostfriesland (DHO).

Gefördert mit 225.000 Euro durch das Land Niedersachsen, wird in wenigen Wochen der DHO in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der EWE in der Gaswerkstraße/Ubbo-Emmius-Straße durchstarten. Das Amt für Digitalisierung und Wirtschaftsförderung des Kreises arbeitet bereits mit fünf Mitarbeitern vor Ort. Das Motto auf insgesamt 350 Quadratmetern könnte man so beschreiben: Die öffentliche Hand schafft eine vernetzte Anlaufstelle für alle Zukunftsfragen der Digitalisierung, die Unternehmen so – für sie stehen die Produkt und die Wirtschaftlichkeit an erster Stelle – wahrscheinlich nicht so konzentriert angehen werden.

Was hat der DHO zu bieten? Das Erdgeschoss wird derzeit umgebaut. Im Zentrum steht ein etwa hundert Quadratmeter großer „MakerSpace“, so die offizielle neumodische Bezeichnung. Dieses hochmoderne Zentrum wird das multifunktionale Herzstück des Hubs und ist modern ausgestattet mit 3D-Drucker, Notebooks, VR-Brillen und vielem mehr. Der Kreativraum steht offen für Schüler, Studierende, Vereine und Unternehmen und mit gezielten Vorträgen sollen vor allem junge Menschen für die IT-Möglichkeiten in der Region begeistert werden. In Planung ist zudem ein mobiler „Showroom“, der ostfrieslandweit bei Veranstaltungen eingesetzt werden kann. Drittes Standbein ist ein digitaler Treffpunkt, der eine virtuelle Tour durch den Hub ermöglicht.

Ob der DHO ein Erfolg wird? Davon ist auszugehen, denn bereits engagieren sich über 60 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft. Ein Beirat und sechs Fachgruppen unter der Leitung von Professoren der Hochschule Emden-Leer arbeiten bereits. Ihr Ziel: der Aufbau Ostfriesland zu einer modernen Smart-Region. Die Expertenrunden entwickeln Konzepte und Projekte in den Bereichen Industrie 4.0/IoT, IT-Sicherheit, KI/Data-Science, VR/AR-Visualisierung, Fachkräftegewinnung. In Gründung sind zudem Spezial-Arbeitsgruppen zu den Themen Drohnen und 3D-Druck, weitere unter anderem zu Blockchain und E-Commerce werden folgen.

Fest steht: Der Kreis Leer hat mit diesem Vorgehen und Engagement die Nase vorn – so wie die vielen Unternehmen es vorgemacht haben. Natürlich muss der DHO noch den Praxistest bestehen. Eines steht bereits jetzt fest: Das Image, das kommunale Wirtschaftsförderung verstaubt ist, weil nur um Fördergelder und die Schaffung von Gewerbeflächen geht, ist überholt. Der Weg, mit einem hochmodernen Anlaufpunkt junge Leute anzusprechen, kann ein wesentlicher Schlüssel für die weitere Entwicklung der leistungsfähigen Branche werden. Landrat Matthias Groote und der Leeraner Bürgermeister Claus-Peter Horst sind einig: Die IT-Branche hat das Potenzial zu dem zu werden, was seit den 1990er Jahren die Reedereien sind – Garanten für sichere und qualifizierte Arbeitsplätze und damit auch für Steuereinnahmen. Sie kann also sozusagen gewissermaßen zum  „Reedereistandort 2.0“ werden. die Man darf also gespannt sein, was auf dem einstmals als Campus geplanten EWE-Gelände noch entsteht. Es wird Zeit, dass Groote und Co. da ebenso liefern, wie mit dem DHO.

Holger HartwigDAS SONNTAGSTHEMA: Die IT-Branche als „Reedereistandort 2.0“ für den Kreis Leer