„Auf einen Tee mit …“ – Ralph Knöfler, Deutschlands einzigem Stadtpastor aus Leer
LEER Er ist deutschlandweit einmalig: der Leeraner Stadtpastor Ralph Knöfler. Seit einigen Monaten geht er für die fünf lutherischen Kirchengemeinden der Ledastadt ganz neue Wege, um die Kirche näher an die Leeranerinnen und Leeranern zu bringen und mit Netzwerken neue Möglichkeiten des Miteinanders zu gestalten. In unserer Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht der 62-Jährige über die Besonderheiten der neuen Aufgabe im „Dorf Leer“, über die Mentalität der Ostfriesen, den Umgang mit dem Thema Ukraine-Krieg und seine Wünsche an die katholische Kirche.
Deutschlands erster Stadtpastor zu sein, ist für mich…
… eine ganz besondere Freude, Herausforderung, Ehrung und eine unglaublich spannende Aufgabe.
An der Aufgabe des Stadtpastors begeistert mich…
… die Möglichkeit, vielen Menschen innerhalb und vor allem auch außerhalb der Kirche zu begegnen, Sorgen und Nöte und Aufgaben zu teilen, zusammen zu arbeiten und sich gegenseitig zu bereichern. Jeder bringt etwas sein und es entsteht etwas Neues. Ich freue mich, durch die vielen Kontakte zu erfahren, was die Menschen – und eben nicht nur die, die der Kirche nahestehen – im schönen Leer bewegt.
Suchet der Stadt Bestes – dazu fällt mir ein …
… das Beste dann auch gemeinsam zu finden, so wie es die Überschrift des Gottesdienstes zu meiner Einführung ausgedrückt. Fest steht: Das Beste, was eine Stadt hat, sind die Menschen. So verschieden sie sein mögen und auch die Wege, die sie gehen oder vor Augen haben. Solange Sie im Miteinander und Austausch sind, führen die Wege zum Besten für die Stadt.
Auf dem Wochenmarkt zu stehen, in Einkaufszentren zu gehen und an anderen belebten Orten zu sein – das fühlt sich für mich an…
… wie ein Abenteuer. Wichtig ist für mich, offen zu sein für Begegnungen und auch für Kritik, die geübt wird. Ich höre zu, schaue – wie es Luther gesagt hat – den Menschen aufs Maul. Dabei wird mir auch vieles berichtet, was Menschen an der Kirche stört. Schmunzeln muss ich, wenn die Kritik den Papst trifft. Dann ist das eine leichte Übung, als evangelischer Pastor darauf zu reagieren.
Das Jahresthema Bildung habe ich für meinen Start als Stadtpastor gewählt, weil…
… ich jahrzehntelang Schulpfarrer war und sich Bildung wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Ich verstehe Bildung dabei nicht als religiöses Wissen, sondern es geht um Herzensbildung, d.h. dass junge oder auch ältere Menschen eine Haltung zum Leben und zum Miteinander in gegenseitiger Achtung entwickeln. Ich denke, die Kirche hat in der Zusammenarbeit mit Schulen und Bildungsträgern durchaus noch Entwicklungspotenziale.
Leeraner sind für mich…
… speziell, freundlich, geradeaus, weltoffen und total heimatverbunden. Jeder kennt hier jeden, jede kennt jede. Manchmal denke ich, dass diese Stadt mit ihren 35.000 Einwohnern ein kleines Dorf ist. Mich begeistert es, dass hier offen aufeinander zugegangen wird.
Aus Potsdam nach Leer zu kommen, bedeutet…
… eine Fülle von Veränderungen, in eine andere Welt zu kommen mit ganz anderen Herausforderungen. Darüber hinaus auch anderes Wetter mit mehr Wind und gefühlt mehr Regen. Entdeckt habe ich den „Alte Fritz“ in der Lutherkirche – insofern bin ich nicht der Erste, der seine Fühler aus Potsdam nach Leer ausgestreckt hat.
In fünf Jahren am Ende meiner Zeit als Stadtpastor möchte ich gerne sagen können, dass …
… ich einen Grundstein legen konnte für eine im Moment noch neue Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass aus dem Projektpfarramt eine etablierte Aufgabe geworden sein wird. Ich sehe es als wichtig an, dass Kirche stärker auf die Menschen zugeht, dafür will ich in Leer in den nächsten Jahren eine Basis gelegt haben.
Mein Wunsch, Pastor zu werden, ist gewachsen, weil …
… ich in einer Gemeinde groß geworden und mich kirchliches Leben begeistert. Ich mag die Begegnung mit Menschen. Der Beruf ist zudem sehr vielseitig und abwechslungsreich, wie ich jetzt in Leer wieder erleben darf.
Wer mir erzählt, dass er aus der Kirche austreten will, den …
… lade ich zu einem Tee – oder gutem Kaffee- und einem ergebnisoffenen Gespräch ein. Ich will die Gründe hören – aber niemanden überreden, doch in der Kirche zu bleiben. Ich will verstehen, was hinter dieser Entscheidung steht. Vielleicht gelingt es dann, eine neue Flamme zu entzünden – oder die Flamme braucht erst einmal Ruhe.
Wenn mir jemand sagt „Warum lässt Dein Gott zu, dass in der Ukraine Krieg geführt, gemordet und sinnlos zerstört wird“, dann reagiere ich darauf mit und sage, dass…
… es nicht Gott ist, der das erlaubt. Es sind Menschen, die Kriege führen. Das macht es nicht leichter. Ich mache deutlich, dass es auch mir schwerfällt, eine Antwort darauf zu haben. Ich kann die Wut und Enttäuschung der Menschen verstehen und versuche deutlich zu machen, dass Gott für Leben und Frieden steht. Ich werde in diesen Zeiten weiter beten und zu Mahnwachen aufrufen und selbst teilnehmen, weil es wichtig ist, Zeichen gegen den Krieg zu setzen
Von der katholischen Kirche würde ich mir wünschen…
… noch mehr Zusammenarbeit hier in der Stadt Leer und im größeren Rahmen eine stärkere Einbindung von Frauen.
Ich habe das letzte Mal gelogen, als…
Ich nenne es Mal das Umschreiben eines Sachverhaltes. Das hört sich besser an, denn das kommt auch bei mir vor. Vorsätzlich lügen? Das versuche ich zu vermeiden.
Mein Lieblingsplatz in Leer ist…
… überall da, wo ich Stockrosen finde, in Leer vor allem in der Altstadt.
Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…
… zu schnell gefahren auf dem Weg von Potsdam nach Leer auf der Autobahn.
Ich kann mich so richtig aufrege…
… ständig über vieles. Ich bin leicht erregbar. Vor allen stört mich, wenn jemand sagt „Früher war alles besser“. Das stimmt für mich nicht. Es braucht Flexibilität statt Sturheit, Offenheit für eine Situation und für Menschen statt Prinzipienreiterei.
Ich kann mich so richtig freuen über, …
… über Kleinigkeiten, z.B. über einen leckeren Tee, Spontanität, das Lächeln eines Menschen.
Kraft kann ich tanken…
… im Gebet, in der Meditation, im „Bei mir sein“ und im Miteinander mit meiner Frau.
Ich sollte mal wieder…
… Sport treiben und mich mehr bewegen. Mit dem Fahrradfahren mache ich in Leer einen guten Anfang.
Mein größter Fehler ist, dass …
… ungeduldig zu sein. Manches braucht halt es seine Zeit.
Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…
… Frieden, Gesundheit und eine gerechtere Welt.