DIE KOLUMNE – Das Novum in Leer: Das Nein zu Fördermitteln

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Es ist ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Stadt Leer: Die Politik und die Stadtverwaltung sind sich einig, dass erstmals überhaupt Fördermittel des Landes zurückgegeben werden. 300.000 Euro höhere Baukosten für den Umbau der Ledastraße zur „multifunktionalen Straßenarena“ für Veranstaltungen, die über die 800.000 Euro „geschenktes Geld“ hinaus gehen, wollte die Politik in Zeiten knapper Kassen nicht ausgeben. Ein bemerkenswerter Schritt mit Signalwirkung. Wird die Stadt in Zukunft weiterhin Fördergelder bekommen, wenn man als „unzuverlässiger Abnehmer“ wahrgenommen wird? Ist das Konzept, dass EU, Bund, Land oder Kreis Gelder verteilen, noch zeitgemäß? Und: Was sind diese „Fördermittel“ überhaupt?

Zunächst einmal der Blick darauf, was in der Stadt allein in den vergangenen fünf Jahren mit Fördermitteln realisiert wurde. Insgesamt bekam die Ledastadt etwa 14,825 Mio. Euro aus Brüssel, Berlin, Hannover und dem Kreishaus. Damit wurden – anteilig – das Hallenbad neu gebaut, der Denkmalschutz in der Altstadt finanziert, Turnhallen saniert, die Digitalisierung der Schulen vorgenommen, Krippenerrichtungen möglich, die Wohnungen in der Sozialen Weststadt erneuert, die Schleuse betriebsbereit gehalten, das Konzept „Fahrrad in der City“ (FaCit) realisiert und die Bummert-Kreuzung „verschlimmbessert“. Stellen Sie sich nun einmal vor, wie die Stadt ohne diese Maßnahmen heute aussehen würde?

Auch bis 2027 sieht es nicht viel anders aus. Die Stadtverwaltung plant in diesem Zeitraum sogar mit Finanzzuwendungen in Höhe von 23,189 Mio. Euro. Was damit anteilig realisiert werden soll? Die Erschließung des Gewerbegebietes Benzstraße (11,7 Mio. Euro) Maßnahmen in der Sozialen Stadt (4,4 Mio. €), Fahrradnetz RADial Nordost (2,097), FaCit (1,89), Fördergebiet Altstadt (1,092) sowie einige kleinere Projekte. Auch bei diesen Projekten wird die Stadt – ähnlich wie bei der Ledastraße – die Herausforderung haben, ob die Kalkulation der Gesamtaufwendungen und damit der notwendige Eigenanteil aus der klammen Stadtkasse angesichts steigender Baukosten noch realistisch sind. Zudem dürfte bei allen künftigen Anträgen, die das Rathaus an die Geldgeber stellt, auch im Hinterkopf die Frage stehen, ob die Leeraner auch verlässlich die Euros „abnehmen“. Schließlich müssen auch Fördermittelgeber kalkulieren und ihre „Töpfe“ verlässlich leeren, um für ihren Zuständigkeitsbereich auch in den Folgejahren wieder ausreichend Euros zugeteilt zu bekommen.

Es stellt sich auch eine weitere Frage: Seit vielen Jahrzehnten ist das „Fördermittel-Business“ immer größer geworden. Geld von hier, Geld von da – das ist zur Normalität geworden, sonst wäre – siehe oben – bereits seit Jahren deutlich weniger investiert worden. Professionelle Büros werden beauftragt, weil sie den Überblick über die unzähligen Fördertöpfe haben. Ihnen wird dann gerne die Ausarbeitung der Anträge auf das kostenlose Geld „von oben“ übertragen und – das weiß jeder, der einmal Fördergelder in Anspruch genommen hat – am Ende folgt eine umfassende Abrechnungs- und Dokumentationsarie, um nachzuweisen, dass alles seine Richtigkeit hat. Das alles macht Projekte keineswegs preiswerter. Dabei steht eines fest: Die Fördermittelverteilung ist im Prinzip nichts anderes, als dass das eingesammelte Steuergeld nicht mehr pauschal über Zuweisungen an die Kommunen verteilt werden, sondern politisch-steuernd mit vielen Zuständigkeiten auf kompliziertem Weg, teilweise nach „Gießkannen-Prinzip“ oder auch über politische Netzwerke. Es muss die Frage erlaubt sein: Warum wird das Geld nicht direkt proportional verteilt, die dann – mit sicherer Einnahmenplanung, ohne zusätzlichen Aufwand – die kommunale Entwicklung mit ihren Prämissen steuern können? In Leer würden dann sicherlich einige Projekte nicht so umgesetzt werden, sondern das „pauschale“ Geld würde wahrscheinlich erst einmal in modernisierungsbedürftige Schulen fließen.

Ach ja, und weil wir gerade bei Fördermitteln sind: In der aktuellen Diskussion um die zeitnahe energetische Zwangssanierung von Immobilien (gerne auch als „Habeck-Hammer“ bezeichnet, obwohl es EU-Herangehensweise ist), fordern fast alle Politiker Förderpakte für die Eigentümer, damit die Belastung nicht zu hoch wird und Mieten bezahlbar bleiben. Auch hier scheinen Fördertöpfe als das „Allheilmittel“ gesehen zu werden, damit die Bevölkerung (weitere Beispiele sind Fördermittel wie Energiekostendeckel oder Corona-Prämien, die nur anders genannt werden) zufrieden- oder gar ruhiggestellt wird. Nur auch für diese Fördergelder, Prämien etc. gilt: Es ist die Verteilung von Steuereinnahmen, sprich von Geld, dass funktionierende Unternehmen und arbeitende Menschen erst einmal erwirtschaften müssen. Kurzum: Sind Fördermittel-Konzepte noch zeitgemäß oder sollte das Geld gleich bei denen bleiben, die es erwirtschaften und die es dann investieren? Sollte das Steuer-Geld nicht wieder direkter an die gegeben werden, die damit vor Ort Zukunft gestalten? Aber dann hätten die Politiker auf höheren Ebenen weniger Gestaltungsmöglichkeiten, weniger „Fördermittel-Beruhigungspillen“ und vor allem weniger Medienpräsenz mit den„Hier kommen-die-Euros“-Fotos…

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Das Novum in Leer: Das Nein zu Fördermitteln