Er ist 100 Seiten stark und macht deutlich, dass der Landkreis Leer weitaus mehr als „nur“ eine Verwaltungsbehörde ist. Jahr für Jahr gibt er Auskunft darüber, wie die „Geschäfte“ laufen: der Beteiligungsbericht. Bei 30 GmbH (bzw. darüber dann auch bei Aktiengesellschaften), Zweckverbänden, Anstalten Öffentlichen Rechts, Vereinen und Genossenschaften hat der Kreis seine Finger mit im Spiel. Fast alles dient der Erfüllung von Aufgaben und kostet auch den einen oder anderen Euro – wie beispielsweise der mit einem Millionenminus in die Schieflage geratene Eigenbetrieb Seniorenwohnanlage Heisfelde. Doch es ist auch eine gute Einnahmequelle darunter.
Die lange Liste der Beteiligungen umfasst beispielsweise als hundertprozentige Kreisunternehmen den Abfallwirtschaftsbetrieb, die Klinikum Leer gGmbH (mit Tochtergesellschaften), die Seniorenwohnanlage Heisfelde, die Verkehrsbetriebe Landkreis Leer, die LeeWerk-Wisa gGmbH. Die größten Beteiligungen des Landkreises sind bei dem Kompetenzzentrum Mariko gGmbH (74 %), dem Industriegebiet Leer Nord GmbH (50%), der Flugplatz Leer GmbH (42,89 %) oder der Touristik GmbH Südliches Ostfriesland (36,23 %). Es sind auch „Exoten“ darunter, z.B. die Hospiz Leer gGmbH, Anteile am Güterverkehrszentrum im emsländischen Dörpen (5,75 %) oder der Ems-Asche Klimaschutz gGmbH (4 %). Bei den Zweckverbänden sind es die Einbindungen bei der EWE, der Sparkasse LeerWittmund, der Landesbühne und der Oldenburgischen-Ostfriesischen Tierkörperbeseitigung. Genossenschaftsanteile beim Bauverein Leer, der ITEBO Einkaufsgemeinschaft und dem Familienservice Weser-Ems „runden“ die unternehmerischen Aktivitäten des Landkreises ab.
Der Blick auf die Zahlen macht deutlich, dass die Bedeutung der Beteiligungen ganz unterschiedlich ist. Abfallwirtschaft und Verkehr gehören zur Grundversorgung – im Kreis Leer nicht privatisiert wie anderswo – ebenso wie die Klinikum Leer gGmbH, die u.a. die Krankenhäuser in der Kreisstadt, in Weener und auf Borkum betreibt. Sie ist die größte aller Wirtschaftsunternehmen mit einer Bilanzsumme von knapp unter 127 Mio. Euro. Sie ist seit Jahren erfolgreich – ein Jahresergebnis zwischen drei und sieben Millionen Euro wird erzielt mit einer steigenden Eigenkapitalquote von 42 Prozent (davon zwischenzeitlich allein bilanzielle Gewinnrücklagen von 46,2 Mio. Euro). Bei den Verkehrsbetrieben sieht es auch gut aus, bei dem Abfallwirtschaftsbetrieb wurden in den Jahren 2017 bis 2021 in vier von fünf Jahren jedoch insgesamt Verluste von 4,7 Mio. Euro „eingefahren“. Trotzdem war am Jahresende 2021 noch Eigenkapital von knapp 9 Mio. Euro vorhanden (aktuellere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht). Bei den weiteren Unternehmungen handelt es sich meist um speziellere Aufgaben, die im Ergebnis mal mehr mal weniger auch Finanzspritzen durch den Kreis bedürfen.
Am wirtschaftlich ertragreichsten ist seit Jahrzehnten für den Kreis die Beteiligung am EWE-Konzern über den EWE Versorgungs- und Entsorgungsverband. Der Energieriese mit Sitz in Oldenburg gehört zu 76 Prozent Kommunen aus der Region (26 Prozent hält die französische Private-Equity-Beteiligungsgesellschaft Adrian mit Sitz in Paris). Die EWE hat in 2022 knapp 2,2 Mio. Euro in die Kasse gespült. Das ist vergleichsweise wenig, da der Konzerngewinn 2022 bei nur 35,5 Millionen Euro lag (2021 waren es 168,7 Millionen Euro). Auf jeden Fall profitiert der Kreis so von durch die Bürger im Kreis Leer gekauftem Strom, Gas und auch Internet-Dienstleistungen mit.
Übrigens: Bei nur einem der Unternehmen, an dem der Kreis beteiligt ist, ist Landrat Matthias Groote auch Geschäftsführer. Das ist einer seiner 31 Nebenjobs. Bei welchem? Natürlich bei einem Unternehmen, das wirtschaftlich gut dasteht: die Verkehrsbetriebe Landkreis Leer (VLL), die Jahr für Jahr einen Überschuss einfahren und mit einer Eigenkapitalquote von 82 Prozent vorbildlich sind. Für seine Aufgabe als Geschäftsführer der VLL bekommt Groote abführungspflichtige 4.282,56 Euro. Er muss also keine Angst haben, dass hier unruhige Zeiten auf ihn warten und er bei einer fehlerhaften Geschäftsführertätigkeit oder kontinuierlichen Verlusten, wie bei der Seniorenwohnanlage, im schlimmsten Fall auch persönlich – bei Nachweis von Untätigkeit oder Fehlern – in die Haftung genommen werden könnte.