DIE KOLUMNE: Der Landrat und seine 31 „Nebenjobs“

Artikel teilen

Landrat eines Kreises oder Bürgermeister einer Stadt oder einer Gemeinde zu sein, bedeutet, keinen Bürojob mit geregelter Arbeitszeit zu haben. Wer seine Aufgabe mit Herzblut macht und in seinem Amt Ideen entwickeln um umsetzen will, der muss hart im Nehmen sein . Er muss bereit sein, Freizeit ein Stück weg zu opfern und für seinen Landkreis, Stadt oder Gemeinde viel in den Abendstunden und an Wochenenden unterwegs sein. Umso mehr verwundert es, wenn es dann beispielsweise der Leeraner Landrat Matthias Groote schafft, gleich 31 „Nebenjobs“ – einige davon bezahlt, einige unentgeltlich – zu meistern.

Der Kreishauschef ist laut Veröffentlichung auf der Kreis-Internetpräsenz unter anderem Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse Leer-Wittmund sowie stellvertretendes Mitglied des Sparkassenverbandes Niedersachsen, stellvertretender Vorsitzender der Wachstumsregion Emsachse, Vorsitzender des Umweltausschusses des Niedersächsischen Landkreistages und des Aufsichtsrates des Klinikums Leer, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Landkreis Leer sowie Mitglied diverser Gesellschafterversammlungen und überregionaler Gremien.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Nebeneinkünfte eines Politikers bzw. Hauptverwaltungsbeamten in Niedersachsen einer eindeutigen Regelung unterliegen. Danach müssen beispielsweise Landräte und Bürgermeister alle Einnahmen, die über eine bestimmte Summe hinausgehen, abführen (Verordnung zum Nebentätigkeitsrecht, Paragraf 9, Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen). Beim Landrat sind das laut Kreishomepage 9.300 Euro jährlich, die er behalten darf. Allerdings hat diese Verordnung auf eine kleine Feinheit: Die Pflicht zur Abführung gilt nämlich grundsätzlich nicht für öffentliche Ämter. Am Beispiel des Leeraner Landrats bedeutetet das, dass unter anderem seine Einkünfte aus den „Nebenjobs“ bei der Sparkasse nicht zu den abzuführenden Geldern zählen. Letztlich lassen sich die Zusatzeinnahmen zum Gehalt als Chef des Kreishauses nur ungefähr berechnen. Etwa 17.500 Euro pro Jahr dürften auf der Einkommenssteuererklärung dieses Berufspolitikers „landen“. Eine beachtliche Zusatzsumme für Tätigkeiten, die sich im Wesentlichen aus dem Wahlamt Landrat für den Berufspolitiker Groote „ergeben“. Für seinen Hauptjob bekommt er immerhin B7, laut Besoldungstabelle 10.842 Euro zuzüglich einer Aufwandsentschädigung von jährlich 4.464 Euro.

Bei den vielen „Nebenjobs“ sollte nun nicht der Fehler gemacht werden, Rückschlüsse auf seine Amtsführung zu ziehen. Viele der oft nicht bezahlten Aufgaben sind mit eher wenig zeitlichem Aufwand verbunden. Bei Landrat Groote mehren sich jedoch – und das keineswegs nur aus der CDU-Opposition, sondern auch aus „seiner“ SPD – zunehmend die Stimmen, die seine Amtsführung kritisieren. Aus der Politik heißt es allgemein, dass er mehr Führungsstärke im Kreishaus zeigen, mehr „zupacken“ und stärker die Netzwerke in Richtung EU beispielsweise für Fördergelder nutzen sollte. Auch ganz konkrete Themen werden benannt: das eher unwirksame Krisenmanagement beim Seniorenzentrum Heisfelde, die Ideenlosigkeit bei vielen Themen (z.B. beim EWE-Gelände), die Arbeitsweisen des Bauamtes (hier ist seit Dezember 2022 bis heute selbst die telefonische Erreichbarkeit immer noch „vorübergehend“ eingeschränkt). Auch aus dem Kollegenkreis der Hauptverwaltungsbeamten, den Bürgermeistern, wird der Unmut nicht nur wegen des Streits um die Kreisumlage stärker. Hinter vorgehaltener Hand werden fehlende Sach- und Fachkenntnisse des Landrats kritisiert. Teilweise vermittle der Landrat den Eindruck – Zitat – „die Akten- und Faktenlage nicht zu kennen“.

Zum Abschluss noch eine Definition, die der Autor dieser Zeilen während seiner Zeit als parteiloser Kommunikationsstratege in der Landespolitik vor einigen Jahren zu hören bekam. Wissen Sie, was die Definition eines Berufspolitiker ist, der es über die Parteischiene nach vielen Jahren in eine bezahlte Aufgabe gebracht hat? Die Antwort: Ein Berufspolitiker ist die am besten organisierte Ich-AG der Welt. Gemeint ist damit, dass das Handeln zuallererst – bei vielen, keinesfalls allen – Berufspolitikern dem Erhalt der eigenen Einkünfte dient. Schön, wenn man da dann neben dem Salär aus dem Vollzeit-Amt noch Einkünfte aus Nebenjobs hat, die sozusagen „Mitbringsel“ qua Amtes sind und – anders als es selbstverständlich sein sollte – nicht „abgeliefert“ werden müssen.

Foto: Landkreis Leer/ Akka Olthoff

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Der Landrat und seine 31 „Nebenjobs“