DIE KOLUMNE: Der Zukunftsplan für den Kreis Leer – mit Risiken und Nebenwirkungen

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So langsam geht es ans Eingemachte: Seit vielen Monaten wird im Kreishaus in Leer an einem der umfangreichsten Zukunftspläne gearbeitet.  Dieser wird die räumliche Entwicklung für die nächsten zwei Jahrzehnte maßgeblich bestimmen. Mit dem neuen Regionalen Raumordnungsplan (RROP), der im Mai 2026 in Kraft treten muss, werden alle langfristigen Planungen und Maßnahmen geregelt, die für das Kreisgebiet von Bedeutung sind. Aber: Die neuen Planungen drohen ein Muster ohne Wert zu werden, ein Plan voller Risiken und Nebenwirkungen. Warum?

Der neue RROP ist das Bindeglied zwischen dem Landes-Raumordnungsprogramm und den kommunalen Bauleitplänen und ersetzt die bisherigen, seit 2006 immer wieder fortgeschriebenen(?) Strukturüberlegungen. Er steuert die bedeutenden Entwicklungen im Kreis in fast allen Bereichen: Land- und Forstwirtschaft, Natur- und Klimaschutz, Wasserwirtschaft, Erholung und Tourismus. Viel wichtiger: Er ist auch für Fragen der Siedlungs- und Versorgungsstrukturen, Mobilität und Verkehr sowie Energiegewinnung und Energienetze zuständig. Vor allem die letztgenannten Themen haben es in den kommenden Jahren in sich. Zwei Beispiele: (wie oben)

Risikofaktor 1: Siedlungs- und Versorgungsstrukturen

Bisher war es so, dass der Entwicklung nur wenig Grenzen gesetzt wurden. Wenn eine Kommune Bedarf an Wohn- und Gewerbeflächen hatte, wurden diese geplant, geprüft, ausgewiesen und umgesetzt. Das wird sich ändern und Auswirkungen auf die Wohn- und Versorgungsstrukturen vor Ort haben. Hintergrund: Bundesweit ist bis 2050 ein „Netto-Null-Flächenverbrauch“ vorgesehen. Was das meint? 2015 wurden in Niedersachsen pro Tag über 9 Hektar Fläche versiegelt. Jetzt legt die Nachhaltigkeitsstrategie fest, dass 2030 unter 3 Hektar und ab 2050 überhaupt keine neuen Flächen mehr erschlossen werden dürfen. Im neuen RROP wird für den Kreis zu dieser Frage lediglich ein Grundsatz zur Reduzierung der Neuflächen formuliert, mit dem sich die Kommunen im Rahmen ihrer Bauleitplanung befassen müssen. Das lässt alles offen – und Kommunen wie Leer, die aktuell mit großen Bau- und Gewerbegebieten in der Planung extrem durchstarten, machen vieles richtig. Greift das Reduktionsziel, werden die Leeraner Pläne die restlichen Kommunen „mitbelasten“.Gemeinsame, kreisweite Strategien zur Reduzierung des Flächenverbrauch zu erarbeiten bzw. zu erörtern, ist für die Kreisverwaltung, so hieß es auf Anfrage, derzeit kein Thema.

Risikofaktor 2: Energienetze und -gewinnung

Während Potenziale und Standortperspektiven für Windkraft intensiv und für Solarstrom ebenfalls im RROP 2026 betrachtet werden, sind Fragen wie Tiefengeothermie, Freiflächen-Photovoltaik und Energienetze kein Thema. Diese Themen werden sich in allen Gebieten des Kreises jedoch zwangsläufig massiv stellen, wenn die Erkenntnis kommt, dass Wärmepumpen allein keine Lösung für alte Immobilien und nicht die optimale Herangehensweise für größere Siedlungsstrukturen sind. Statt kommunaler Einzellösungen könnten gemeinsame Projekte wie Geothermie oder Fernwärmenetze, beispielsweise auch mit Energie aus verbranntem Müll, für das Kreisgebiet spannend werden. Dafür braucht es Strategien, evtl. auch größere Vorranggebiete im RROP. Aus dem Kreishaus gab es auf die Frage, ob grundsätzlich geplant ist, die Kommunen für eine gemeinsame Strategie an einen Tisch zu holen, keine konkrete Antwort.

Während es also derzeit nicht klar ist, wie es mit den beiden Risikofaktoren – es gibt weitere, beispielsweise auch die Zukunft für die Mobilität – weitergeht, steht fest, was als nächstes mit dem RROP passiert. Ab Mitte April bis Mitte Juni wird der vorliegende Entwurf in den Räten der Städte und Gemeinden im Kreisgebiet vorgesellt, ab 27. Juni soll der Aufstellungsbeschluss im Kreistag erfolgen, ab September liegen dann die Überlegungen zur Einsicht für alle Bürgerinnen und Bürger aus.

Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie die Weichen in der Region mit der Grundlagenplanung gestellt werden. Denn: Wenn der klimaneutrale Umbau Deutschlands durch die politischen Vorgaben aus der EU und weiterer Gesetze aus Berlin mit dem rasanten Tempo der vergangenen Monate weitergeht und weitere „Überraschungen“, wie die zeitlichen Vorgaben für das Heizungssystem-Austauschvorgabe, folgen, ist fraglich, wieviel der neue RROP für den Kreis Leer insgesamt noch Wert ist, wenn er 2026 gültig wird. Dabei ist nicht im Fokus, dass er in seinen Grundzügen – so der letzte Plan –20 Jahre maßgebend sein kann, d.h. bis 2046. Aber bis dahin ist ja auch noch ausreichend Zeit, sich seitens der Kreisbehörde mit zukunftsfähigen gemeindeübergreifenden Themen zu beschäftigen und das Miteinander zu koordinieren…

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Der Zukunftsplan für den Kreis Leer – mit Risiken und Nebenwirkungen