DIE KOLUMNE: Die besondere, stetig wachsende Leeraner „Schiffsparade“

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Für viele Leeraner ist der Hafen „einfach der Hafen“ und die Altstadt „einfach die Altstadt“, die zu Leer eben dazugehören wie der Michel zu Hamburg, der Dom zu Köln oder das Hofbräuhaus zu München. Das, was sich seit knapp 30 Jahren hingegen rund um die traditionsreiche Waage und das Rathaus entwickelt hat, ist oft zu wenig präsent – und wenn, dann ist es eher das große Ausflugsschiff, was den Eindruck prägt. Das allerdings ist eine falsche Wahrnehmung.

Nur die wenigsten wissen, dass zwischenzeitlich zwischen der Rathausbrücke entlang der Albert-Wehner-Promenade ein Dutzend Schiffe mit langen und besonderen Geschichten dauerhaft festgemacht haben: der Dampfschlepper Bertus Freede, die Mutte Altje von Südgeorgsfehn, der Schlepper Keerlke, der Opduwer Mirjan, der Motorschlepper Trude und der Frachtsegler Friedrich. Sie sind liebevoll restauriert und sind Zeugnisse – wie noch weitere Schiffe – aus vergangenen Tagen. Verantwortlich für diese „Schiffsparade“ zeigt sich der Verein Schipperklottje, der auf seiner Internetseite deutlich macht, wofür die Schiffe stehen: „Der Schiffsverkehr ermöglichte Handel und brachte Wohlstand in die Häfen“ heißt es da. Bis heute gilt das für Leer mehr denn je. Die Stadt ist nach Hamburg weiterhin zweigrößter Reedereistandort Deutschland und die Schiffe auf den Weltmeeren, die aus Leer betrieben werden, gehen in die Hunderte.

Zurück zum Schipperklottje. Für die etwa 170 Vereinsmitglieder steht in Kürze einer der beiden Jahreshöhepunkte an: das Traditionsschiffertreffen. Vom 18. bis 20. August werden „unner d´ Radhuustoorn“ über 70 „Oldies“ – darunter viele aus den Niederlanden und das Küstenmotorschiff Johannes aus Haren – erwartet. Für den Verein ist die Resonanz eine große Freude, wird doch an die Zeit vor der corona-bedingten Pause nahtlos angeknüpft. Die drei Tage sind vollgepackt mit Aktivitäten – und als ein Höhepunkt können Vorsitzender Dieter Schroer und sein Team die Taufe der „Vrouwe Teuntje“ zelebrieren. Dieses Schiff in Privatbesitz wird künftig das älteste sein, dass in Leer festmacht.

Die Herausforderung für die nächsten Jahre ist, dass die Aktivitäten des Schipperklottjes auch über die Zeit nach den Gründern und heutigen, in die Jahre gekommenen Aktiven hinaus bestehen bleiben. Denn ob in Leer oder anderswo hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gezeigt, dass so manche gute Veranstaltung, die über den Ort hinaus beliebt und bekannt war, wieder „eingeschlafen“ ist. Beispielhaft seien für die Kreisstadt die Heisfelder Musiktage genannt, die in den 1980er und 1990er Jahren viele Gäste aus Nah und Fern anlockten. Für das Traditions-Schiffstreffen, den „Wiehnachtsmarkt achter d´ Waag“ oder das Maibaum-Aufstellen besteht Grund zum Optimismus. Zum einen, weil der Initiator, langjährige Vorsitzende und – auch wenn er das nie gerne hört oder liest – maßgebliche Sponsor Günter Prahm und ebenso seine Frau Lore dafür bekannt sind, dass sie sehr langfristig denken. Zum anderen, weil der Verein über seine alten Schiffe immer wieder bis heute jüngere „Schrauber“ begeistern kann. Zudem ist die ehrenamtliche Arbeit mittlerweile sehr projekt- und Aufgabenbezogen organisiert, die Netzwerke sind durch eine funktionierende Zusammenarbeit mit der Stadt Leer und den Stadtwerken Leer AöR, deren Vertreter den Werbewert der Aktivitäten für die Kreisstadt und den Hafen erkannt haben, und Kontakten zur Seefahrtschule gut aufgestellt.

Eine große Aufgabe bleibt es dennoch, vor allem junge neue Mitstreiter – die meisten der heutigen Aktiven sind jenseits der 60 – ausreichend zu motivieren. Denn wenn ausreichend Aktive mit anpacken würden, könnte der Verein durchaus weitere Schiffe nach Leer holen, denn Angebot alter „Wasserfahrzeuge“, die saniert und gepflegt werden wollen, gibt es nach Vereinsangaben durchaus. Es ist zu hoffen: Eine gute Resonanz am übernächsten Wochenende möge neue Energien freisetzen. Denn fest steht: Die Kreisstadt wäre um einiges ärmer, wenn es den Traditionshafen und die allesamt gut besuchten Veranstaltungen eines Tages nicht mehr geben sollte.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Die besondere, stetig wachsende Leeraner „Schiffsparade“