DIE KOLUMNE – Kann Leer wirklich mehr oder ist das eine Worthülse?

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Der 14. Juli könnte für die Stadt Leer ein richtungsweisender werden. Dann wird sich zeigen, ob und welches Interesse Immobilieneigentümer, Unternehmer, Vereinsvertreter und Bürgerinnen und Bürger haben, wie sich ihre Ledastadt in den nächsten Jahren entwickeln soll. Das Rathaus lädt ein. Es geht um die „Perspektive Innenstadt“ als Herz für die Lebensqualität in der Kreisstadt. Ein Herz, das sich den massiven Veränderungen durch Internet-Handel, demografischen Wandel, Klimawandel stellen muss. Die Frage: Wie gelingt es, dass die Innenstadt als Herz dauerhaft voller Kraft pulsiert?

Der Termin im Rathaus lässt Erinnerungen aufkommen. Denn in Leer weiß man, was dabei herauskommt, wenn gemeinsam agiert wird. In den 1990er Jahren war es der Arbeitskreis Stadtmarketing (ASL), der viele Akteure an einen Tisch holte, Aktivitäten bündelte und einen Anteil daran hatte, dass das Zusammenspiel zwischen dem neuen Ems-Park auf der grünen Wiese, den beiden multi-Märkten und der Innenstadt funktionierte. Ob Wirtschaft, Kultur, Sport – aus allen Bereichen saßen „Macher“ mit am Tisch. Warum der ASL eingeschlafen ist? Wahrscheinlich lief es einfach zu gut, wie ja auch vor wenigen Jahren das Interesse von ECE zeigte, die in der Innenstadt ein extrem großes Einkaufserlebnis neu bauen wollten. Zudem gab es auch nicht wenige Politiker im Rat, denen das „Nebenparlament ASL“ nicht wirklich schmeckte.

Warum jetzt das Rathaus die Initiative ergreift? Die Zeiten haben sich massiv geändert. Viele Innenstädte veröden bereits, weil ein erforderlicher neuer Mix aus Handel, Freizeit, Arbeiten und Wohnen nicht rechtzeitig angegangen wurde und bauliche und strukturelle Voraussetzungen nicht geschaffen wurden. Leer steht aktuell noch gut da – jetzt ist die Zeit, nun die richtigen Weichen zu stellen.

Reicht es, das ASL-Konzept – damals war ein Verein mit personeller Power der örtlichen Sparkasse der Träger – wieder zu beleben? Nein. Der Blick in die Nachbarkommunen zeigt, dass mit professionellen Strukturen gearbeitet wird. Stadtmanager im Vollzeitjob sind keine Seltenheit, ebenso wie Marketing- oder Entwicklungsgesellschaften. Meistens sind es da bisher jedoch ausschließlich die jeweiligen Kommunen, die die finanzielle und auch konzeptionelle Last tragen – und dann scheitert das Vorhaben auch gerne mal krachend.

In Leer wird es darauf ankommen, sich an den regen Austausch und die Erfolge des ASL zu erinnern. Der ASL hat gezeigt, dass die Gruppierungen in der Stadt, die ja am Ende immer ihre speziellen Ziele verfolgen, „miteinander können“. Doch nur mit Reden werden die Herausforderungen, die kommen, nicht zu bewältigen sein. Ausschließlich mit Fördermitteln oder „Kohle“ aus dem klammen Stadthaushalt wird es nicht gehen. Die Rechnung ist am Ende ganz einfach: Wer in der Ledastadt Immobilien besitzt, mit Handel sein Geld verdient oder darauf angewiesen ist, qualifiziertes Personal für sein Unternehmen ausreichend zu finden, der weiß, dass eine pulsierende Stadt eine wichtige Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg ist. Die keinesfalls leichte Aufgabe des Bürgermeisters Claus-Peter Horst und seinem Team im Rathaus wird es sein, mit dem Startschuss Mitte Juli „Leben in die Bude“ zu bringen, genau zuzuhören und für den weiteren Dialog ein passgenaues Konzept mit der Bündelung der Ideen und der richtigen Struktur für eine schlagkräftige Umsetzung auf den Tisch zu legen. Es wird die erste echte Bewährungsprobe für das Stadtoberhaupt, der diese breite Beteiligung und Einbindung der Menschen vor seiner Wahl angekündigt hatte. Horst wird dann feststellen, ob sein positiver Slogan „Leer kann mehr“ eine leere Worthülse ist – oder den Charakter der Leeranerinnen und Leeraner gut beschreibt, wenn es um ihre Heimatstadt geht.

  • Wer am 14. Juli im Rathaus dabei sein möchte, der kann sich anmelden per Mail an elke.hinrichs[at]leer.de

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Holger HartwigDIE KOLUMNE – Kann Leer wirklich mehr oder ist das eine Worthülse?