DIE KOLUMNE – Keine Bewegung, keine Ideen: Zukunft des EWE-Geländes wird Geduldsprobe

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Die Ausgangslage ist eindeutig: Der Kreis Leer hat vor vielen Jahren von der EWE die Flächen an der Gaswerkstraße mitten in Leer erworben. Das damalige Ziel: einen Bildungscampus mit modernen Schul- und Studienmöglichkeiten zwischen den beiden Gymnasien zu schaffen. Dieses Ziel ist seit einem Kreistagsbeschluss im Dezember 2020 offiziell durch Auflösung der Campus GmbH zu den Akten gelegt. Was seit dem passiert ist? Nichts.

Die seit Anfang 2021 wiederholt an die Kreisverwaltung gerichtete Frage, was anstelle des Campus auf der für die innerstädtische Entwicklung spannenden Fläche geplant ist, wird fast andershalb Jahre später immer wieder so beantwortet: „Es gibt Überlegungen, spruchreif ist noch nichts.“ Und dann kommt gebetsmühlenartig der Hinweis, dass die EWE die erforderliche Altlastensanierung noch nicht vorgenommen habe, so dass der Kreis noch nicht auf alle Flächen und Gebäude zugreifen könne. Das ist korrekt, wie die EWE auf Anfrage bestätigt. Ein Technikknotenpunkt für Telekommunikation und die Schaltanlage für Strom im Süden des Areals sind noch in Betrieb, weil sich die Bauarbeiten für ein neues Gebäude an der Hajo-Unken-Straße in die Länge ziehen. Bis Ende des Jahres 2022 soll das (endlich) erledigt sein. Dann könne auch direkt anschließend die Altlastensanierung – es geht um Belastungen, die auf das alte Gaswerk, das bis 1962 an dieser Stelle in Betrieb war, zurückzuführen sind.

Eines steht fest: Der Verweis des Kreises auf die Altlasten ist nichts anderes als eine Schutzbehauptung. Konzepte und Ideen sollten immer entwickelt sein, bevor ein Grundstück gekauft wird. Das war ja auch der Fall. Wenn dann der eigentliche Zweck nicht mehr gegeben ist, dann ist es um so dringlicher, neue Konzepte auf den Tisch zu packen, statt sich hinter Verträgen zu verstecken.

Wenn Landrat Matthias Groote und seine Mitarbeitenden nicht so langsam „aus dem Knick“ kommen, dann sollten ihm die Mitglieder des Kreistages über alle Parteigrenzen, sprich inklusiver seiner SPD, auf die Füße treten. Denn spätestens nach der Sanierung ist das Grundstück teures, totes Kapital. Der Kreis wird insgesamt 3,75 Mio. Euro zzgl. Nebenkosten für drei Verträge zahlen, von denen einer bereits rechtskräftig ist (Gebäude der EWE-Verwaltung, das heute als Digital.Hub bereits genutzt wir). Zudem werden die Leeraner nicht dauerhaft zuschauen, wie die Häuser an der Ubbo-Emmius-Straße weiter verrotten und hochwertige innerstädtische Flächen nicht weiterentwickelt werden.

Endlich Klarheit zu schaffen, was der Kreis will, ist auch aus einem anderem Grund gefragt. Bis auf dem Gelände neu gebaut werden könnte, wird es sowieso noch einige Jahre dauern. Denn: Es muss ein Bauleitverfahren durch die Stadt auf den Weg gebracht werden. Aktuell ist es die Beschlusslage der Stadt, dass auf der Fläche lediglich bildungsbezogene Gebäude errichtet werden dürfen. Bei einer Innenstadtlage sind dabei viele Anlieger beteiligt. Selbst wenn es gut läuft, dürfte das eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen. Und dann ist noch nicht ein Stein auf dem Areal gesetzt worden.

Ach ja, eine eindeutige Antwort hat der Kreis dann doch gegeben. Auf die Frage, ob er sich vorstellen kann, das Areal an einen Dritten zu verkaufen oder mit Partner eine Entwicklungsgesellschaft zu gründen, hieß es nur: Nein! Das ist um so bedenklicher, da eine Kreisverwaltung tendenziell eher Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist – und weniger eine Verwaltung, die sich mit Stadtentwicklung auskennt. Damit wird auch kategorisch ausgeschlossen, dass die Stadt Leer die Fläche übernimmt und dann selbst oder in einer Projektgesellschaft mit Partnern weiterentwickelt. Ideen gibt es rund um das Rathaus ausreichend. Sie reichen vom Bau eines Nahversorgers bis hin zur Schaffung von bezahlbarem zentralem Wohnraum. In großen Städten machen Discounter mittlerweile beides, weil auf den Märkten Wohnungen gleich mitgebaut werden.

Fazit: Es wird so oder so eine Geduldsprobe, deren Länge davon abhängt, ob der Kreis (endlich) weiß, was er statt des ursprünglich geplanten Campus will und sich mit der Stadt als zuständige Baubehörde und dem Rat über den künftigen Nutzungszweck einig wird. Allerdings ist die Frage, ob Kreis und Stadt wirklich bald zügig gemeinsam loslegen. Denn erste Stimmen, dass das Filetstück im laufenden Kreisumlage-Klageverfahren bzw. Kindergartenträgerkonflikt instrumentalisiert werden könnte, sind nicht zu überhören. Das jedoch wäre verantwortungslos – und keinem Bürger der Stadt und des Kreises zu vermitteln.

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Keine Bewegung, keine Ideen: Zukunft des EWE-Geländes wird Geduldsprobe