DIE KOLUMNE: Leer will im Advent an neuem riesigen Rad drehen

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Das ungeschriebene Gesetz lautet seit Jahrzehnten: Wenn die Leeraner Innenstadt ruft, dann wird sie „rappelvoll“. Das wird auch am bevorstehenden Wochenende so sein, wenn das Stadtfest an drei Tagen für buntes Treiben sorgt. Gut, Nostalgiker werden eine Träne verdrücken, wenn sie sehen, dass aus dem Fest, das die Kaufleute und Vereine der Stadt einst aktiv gestalteten, eine „Profiveranstaltung“ der ostfriesischen Schausteller wurde – der Anziehungskraft hat diese Veränderung jedoch keinen Abbruch getan. Hinter den Kulissen der Stadt wird nun bereits an einem weiteren „Produkt“ gearbeitet, wie es im Umkreis von etwa 200 Kilometern so noch nicht gibt: eine Weihnachtskirmes.

Das Konzept, das in der kommenden Woche im Feuerwehr- und Marktausschuss die erste Hürde in der politischen Beschlussfassung nehmen soll, hat was. Der Ernst-Reuter-Platz – diese außer für den Wochenmarkt bisher kaum genutzte und leblose Pflasterstein-Ansammlung – soll in der Adventszeit mit Leben erfüllt werden. Die Idee, dass sich hier vier Wochen lang ein Riesenrad drehen wird und ein abwechslungsreiches Angebot im weihnachtlichen Flair direkt am Wasser – viel stärker als bisher auf die gesamte Familie ausgerichtet – zum Verweilen einladen wird, ist eine schöne Vorstellung. Der Platz könnte so fester Anlaufpunkt aller Besucher der Kreisstadt werden – so, wie es die Einkaufsmeile und der sonntägliche „Wiehnachtsmarkt Achter d` Waag“ aus Tradition sind. Die neue Kirmes wäre eine tolle Ergänzung der Weihnachtsverlosung, die für eine – im Vergleich – kleine Stadt wie Leer von ihren Dimensionen einmalig ist. Leer würde in der Adventszeit in gewisser Weise an einem weiteren riesigen (Vermarktungs)-Rad drehen.

Treiber der Idee ist – wen wundert´s – der Verein Ostfriesischer Schausteller, der den bisherigen Weihnachtstrubel in der Fußgängerzone gemeinsam mit der Werbegemeinschaft Leer und der Stadt auf die Beine stellt. Die Schausteller machen sich Sorgen, dass der bisherige Markt auf Dauer nicht funktioniert, weil zwischen Ledastraße und Wörde die Umsätze durch zu geringe Besucher-Frequenz abnehmen und langfristig die Angebotsstände dort nicht zu wirtschaftlich zu betreiben sind. Mit der Weihnachtskirmes auf dem Ernst-Reuter-Platz könnte auf Dauer sichergestellt werden, dass das Angebot bestehen bleibt und die Funktion, Besucher auch in die Altstadt zu ziehen, erfolgreich umgesetzt werden kann.

Zur Wahrheit gehört auch: Für die Ostfriesischen Schausteller – darunter auch die stadtbekannten Dynastien aus der Kreisstadt – ist die Weihnachtskirmes eine gute Gelegenheit zum Geldverdienen. Das sei ihnen gegönnt. Aber: Die neue Kirmes sollte auch dazu dienen, das Konzept in der Fußgängerzone zu überarbeiten. Dort war es in den zurückliegenden Jahren so, dass vor allem im oberen Bereich der Mühlenstraße jeder freie Quadratmeter mit Buden zugestellt war und es mehr einer – Entschuldigung für die Ausdrucksweise – „Fress- und Saufmeile“ glich als einem adventlichem, gemütlichem Adventsangebot. Weniger wäre da mehr – und würde bei den Kaufleuten sicherlich die Zufriedenheit stärken. Seien wir gespannt, was sich dort ändern könnte. Alles wie bisher und einfach noch mehr Buden und Geschäfte sind sicher nicht der Weg.

Mit der Kirmes gilt es weitere „Kleinigkeiten“ zu regeln. Der Wochenmarkt muss umgesiedelt werden. Dafür ist der Parkplatz Kupenwarf im Gespräch. Auch das ist ein guter Weg, sollte aber dann auch im Zuge des Kirmes-Marketing berücksichtigt werden.

„Leer kann mehr“ – das ist das vom Bürgermeister Claus-Peter Horst ausgerufene Motto seit 2021. Eine Kirmes dieser Art könnte – wenn sie durch die Schausteller wirklich mit Adventsflair überzeugend umgesetzt wird – überregionale Strahlkraft entwickeln. Dass das Fördermittelprojekt zur Gestaltung der Ledastraße und des Ernst-Reuter-Platzes nicht umgesetzt wird, war und ist eine Enttäuschung. Die Kirmes könnte helfen, darüber etwas hinwegzukommen. Sie könnte zudem auch das Signal sein, dass es sich lohnt, für Leer weitere neue Bausteine des Standortmarketings zu entwickeln. Das jedoch ist keine Aufgabe für die Vereine, die das jetzt interessengetrieben jeder für sich erledigen, sondern ein Gemeinschaftswerk von Stadt, Kaufmannschaft und vor allem auch von Immobilien-Eigentümern, die mit einer in Zeiten des zunehmenden Online-Handels funktionierenden Innenstadt ihre Mieteinnahmen sichern. Man darf gespannt sein, wann und auf welche Art hier der große Aufschlag aus dem Rathaus kommt. Abwarten und Tee trinken hilft nicht, denn die Konkurrenz in anderen Städten schläft nicht – und dort sind die neuen Modelle des Standortmarketings, die weit über klassische Stadtverwaltungsarbeit oder punktuelle Vereinsaktivitäten hinausgehen, teilweise seit Jahren mit gemeinsamer Finanzierung all` derjenigen, die davon am Ende Profiteure sind, zum guten Standard geworden.

Foto: Stadt Leer

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Leer will im Advent an neuem riesigen Rad drehen