DIE KOLUMNE – Trotz Arbeitskräftemangel: Über 33.000 Menschen im Kreis brauchen finanzielle Hilfen

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Der Blick auf die nackten Zahlen im Kreis Leer macht Angst: Insgesamt über 33.000 der 172.000 Einwohner leben direkt, indirekt vollständig oder teilweise von steuerfinanzierten Transferleistungen. Sie erhalten Leistungen ohne Gegenleistungen. Das erschreckende ist dabei: Die Zahl steigt und steigt. Der Kreis Leer muss von den insgesamt 284 Mio. Euro (Bereich Teilhabe und Soziales) immer mehr selbst tragen – 2023 bleiben satte 124 Mio. Euro der Ausgaben beim Kreis Leer „hängen“. Das sind etwa 35 Prozent der Gesamtausgaben des Kreises. Geld für notwendige Ausgaben für Schulen, Straßen und vieles mehr fehlt im „Pott“.

Wie setzt sich die ungefähr ermittelte Zahl der Bezieher der Transfergelder – die genaue Zahl ist nicht bekannt, weil es unterschiedliche behördliche Zuständigkeiten gibt –zusammen? Der größte Anteil sind hierbei die Bürgergeld-Empfänger: Derzeit bekommen insgesamt 9.875 Personen – überwiegend Langzeit-Arbeitslose mit ihren Familienangehörigen sowie auch die Ukraine-Flüchtlinge – Geld vom Jobcenter. Den zweitgrößten Anteil der Zahlungsempfänger „bedient“ die Agentur für Arbeit: Dort werden aus Versicherungsgeldern aktuell 2.024 bezugsberechtigte Personen geführt. Bei einer im Bundesdurchschnitt berechneten Haushaltsgröße von 1,99 macht das weitere 4.050 Menschen. Dann der Blick auf die Kinder: Hier muss der Kreis immer mehr Unterhaltsvorschuss – eine Sozialleistung für Kinder von Alleinerziehenden – erbringen. Die Zahl hat sich seit 2013 mehr als verdoppelt und beträgt heute 2.050, für die die Ausgaben des Kreises von 1,8 Mio. auf 6,2 Mio. Euro angestiegen sind. Weitere etwa 1.200 Menschen im Kreis Leer erhalten Transfergeld für ihren Lebensalltag als Asylbewerber.

Kommen wir zu den nächsten Unterstützungsgeldern für Teile des Lebensunterhaltes: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten etwa 2.450 Personen (Anstieg laut Kreisverwaltung zuletzt um 25 Prozent), Eingliederungshilfen erhalten etwa 3.000 Menschen (Anstieg zuletzt um 60 Prozent), Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten 220 Personen und Hilfe zur Pflege 620 Personen.

Sie meinen, dass es das nun war? Falsch. Eine große Gruppe von (Steuer-)Geldempfängern, die seit dem 1. Januar 2023 stark angestiegen ist, fehlt noch: Die Wohngeld-Bezieher. Diese Zahl ist in der Stadt und im Kreis geschätzt auf knapp unter 5.000 Bezieher, d.h. statistisch etwa 10.000 Menschen in den Haushalten. Die Anträge auf dieses Geld haben sich seit Jahresbeginn fast verdoppelt. Allein beim Kreis Leer liegen aktuell noch weitere 861 Anträge auf Halde, die noch nicht bearbeitet werden bzw. noch nicht beschieden werden konnten. In Euros bedeutet dieses beim Kreis Leer einen Anstieg dieser Ausgaben von 2,9 Mio. Euro auf voraussichtlich zwischen 7,5 und 8 Mio. Euro in diesem Jahr.

Damit kein falscher Eindruck aufkommt: Die Menschen, die Leistungen unterschiedlicher Art beziehen, haben darauf einen Rechtsanspruch – ebenso wie die Rentner. Davon gibt es statistisch berechnet etwa 37.500. Macht im Kreis also zusammen etwa 70.000 Bezieher von Leistungen aus Steuergeldern (auch wenn bei der Rente der Bund nur anteilig die Versicherungsleistungen subventioniert). Statisch stehen denen nur etwa 50.000 sozialversicherungspflichte und damit steuerzahlende Arbeitsplätze gegenüber (Stand 30.06.2022).

Dramatisch wirken die Zahlen, wenn man sich bewusst macht: Die Zahl der Rentner wird weiter steigen. Katastrophal wirken diese Zahlen, wenn man sich klar macht, dass die meisten der Transfergeldbezieher als Joblose die Unterstützung bekommen, obwohl derzeit „Arbeit auf der Straße liegt“ – der Fach- und Arbeitskräfte-Mangel lässt grüßen.

Noch eines zeigen die Zahlen: Die Leistungen für Asylbewerber und für Flüchtlinge – in Summe waren es in der Spitze zuletzt etwa 2.500 Flüchtlinge – sind nicht, wie oft polemisiert wird, der Kern des Problems. Sie sind nur ein wachsender Bestandteil. Ihre Reduzierung würde nicht die Grundherausforderung lösen: Deutlich mehr Menschen dazu zu bringen bzw. ihnen zu ermöglichen, dass sie für sich selbst sorgen und sich selbst „finanzieren“ können. Allerdings muss bei dem Flüchtlings- und Asylthema auch festgestellt werden, dass Deutschland eben europaweit die beste Unterstützung bietet und dadurch immer mehr zum Flüchtlingsmagneten wird: Während in Nachbarländern die Gelder meist zeitlich begrenzt (teilweise auf drei bis vier Monate) und auch weniger üppig (teilweise reicht es für Lebensmittel oder die Versorgung mit Mahlzeiten in Massenunterkünften) gezahlt werden, gibt es in der Bundesrepublik aktuell keine zeitliche Begrenzung des Leistungsbezugs. Wozu das führt? Wer auf der Flucht ist, der will – auch über mehrere „Zwischenstationen“ – nach Deutschland.

Die Prognosen, wohin sich die steuerfinanzierten Transferleistungen entwickeln werden, sind düster – und dieses trotz dringend gesuchter Arbeitskräfte in vielen Wirtschaftsbereichen. Immer weniger Steuerzahler – sprich Arbeitnehmer und erfolgreiche Unternehmen – werden immer mehr Unterstützungsberechtigte finanzieren müssen. Oder – sorry für die Wortwahl, sie gilt ausdrücklich nicht Menschen, die gesundheitsbedingt nicht arbeiten oder mit ihrer Arbeit nicht ausreichend Geld zum Leben verdienen können – „mit durchschleppen“ müssen. Das wird so nicht mehr lange funktionieren. Das Schaffen der Anreize für Menschen, für sich selbst sorgen zu wollen, muss im Zentrum aller politischen Überlegungen stehen – nicht neue Erhöhung von Zuwendungen aus dem Steuergeld-Pott, damit es „zum Leben reicht“.

Symbolfoto: www.pexels.com

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Trotz Arbeitskräftemangel: Über 33.000 Menschen im Kreis brauchen finanzielle Hilfen