„Labels statt Briefmarken? Nein, Briefmarken sollten etwas für das Auge sein“

Artikel teilen

„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Oswald Janssen, Vorsitzender der Briefmarkenfreunde Leer

 WARSINGSFEHN Es ist ein Hobby, das durch die digitalisierte Welt vom Aussterben bedroht ist: das Sammeln von Briefmarken. Im Kreis Leer und im Philatelistenverband Nordwestdeutschland engagiert sich als Vorsitzender Oswald Janssen (70) für diese Leidenschaft. Der pensionierte Diplom-Verwaltungsfachwirt spricht in der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ über die Begeisterung für die kleinen, meist viereckigen Postwertzeichen, über die vielfältigen Aktivitäten des Vereins, die Nachwuchsprobleme und seine Lieblingsbriefmarke.

Briefmarken sind…

… für mich Zeugen einer lebendigen Geschichte. Eine Briefmarkensammlung ist wie ein Geschichtsbuch – je nachdem, was gesammelt wird, ist sie ein Blick auf die Welt aus verschiedensten Ländern. Ich habe mehrere Sammlungen und mich auf die Briefmarken, die bis 1918 herausgeben wurden, konzentriert. Aktuell ist ein Projekt von mir, die Postgeschichte von Leer zusammenzustellen.

 Als Vorsitzender der Briefmarkenfreunde engagiere ich mich, weil …

… es mir wichtig ist, dass wir eine Organisation haben, die Sammlerinnen und Sammler zusammenbringt. Wir sorgen dafür, dass nicht jeder für sich allein im stillen Kämmerlein sammelt. Der Verein bringt Menschen zusammen und schafft Kontakte.

Wenn ich an meine eigenen Briefmarkensammlungen denke, dann …

… sind diese sehr vielfältig und sie zeigen mir immer wieder, wie mühsam und zeitraubend, aber eben auch nicht so hektisch wie heute, die Kommunikation früher war. Wenn ich mich mit ihnen beschäftige, dann lese ich Geschichte.

 Meine Lieblingsbriefmarke ist…

… sicher die, für die ich am längsten gespart habe: der sogenannte Sachsen-Dreier. Das ist die erste Briefmarke Sachsens und die bekannteste altdeutsche Briefmarke. Der Mensch muss sich halt auch mal etwas gönnen – bei mir war es einmal diese Briefmarke. Grundsätzlich ist ja das Ziel, eine Sammlung komplett zu haben. Das ist manches Mal schwierig, bei mir beispielsweise das Gebiet Helgoland, als die Insel bis 1890 eine Englische Kolonie war. Da wurden damals die Druckplatten für die Marken verkauft und danach entstanden Neudrucke  Diese Neudrucke von Originalen zu unterscheiden, ist oft nicht einfach.

 Junge Menschen im Zeitalter digitaler Medien und Briemarken – dazu fällt mir ein, dass…

… das fast nicht mehr möglich ist, da Briefmarken in ihrer Lebenswelt nicht mehr vorkommen. Wir hatten bis vor einiger Zeit eine kleine Jugendgruppe, die sich dann aufgelöst hat, weil sie keine Briefmarken im Alltag mehr sehen bzw. erleben.

Die Zahl der Briefmarkensammler im Kreisgebiet ist …

… leicht rückgängig. Der Nachwuchs fehlt uns. Außerhalb unseres Vereins mit derzeit 60 Mitgliedern schätze ich die Zahl Kreisweit auf mehrere hundert Sammler. Insgesamt liegt der Altersdurchschnitt in unserem Verein etwas unter dem Bundesdurchschnitt mit 73 Jahren. Wir reagieren auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen und deshalb wird angestrebt, die drei bestehenden Landesverbände in Norddeutschland zu einem zu fusionieren.

 Wer Briefmarken sammelt, der sollte…

… sich über die Hintergründe seines Sammelgebietes informieren und die Literatur dazu lesen. Sonst tappt er im Dunkeln – und kann beim Sammeln auch viel Geld verbrennen.

 Mit unseren Tauschtagen wollen wir…

… den Sammlern in der Region die Möglichkeiten bieten, passende Marken zu finden und überschüssige Marken zu verkaufen. Diese Tauschtage ermöglichen viele Gespräche – anders als beim Stöbern und Kaufen über das Internet.

 Wenn jemand mit einem geerbten Briefmarkenalbum kommt, dann …

… müssen wir leider oft feststellen, dass dieses Album keinen großer Verkaufswert haben. Selbst wenn die Marken alt sind und es steht ein Wert von zwei Millionen drauf, die die Marke damals gekostet hat, sind sie das nicht ansatzweise wert. Damals in der Inflationszeit wurden Marken bogenweise in großen Mengen gedruckt und nach wenigen Wochen völlig wertlos. Diese Marken hat fast jeder Sammler.

 Unser Rundsendedienst ist…

bei unseren Sammlern durchaus beliebt. Man kann zuhause in aller Ruhe suchen, ob etwas dabei ist, was in der eigenen Sammlung noch fehlt. Das Konzept ist alt und setzt auf Ehrlichkeit – und es hat bei uns damit noch nie Probleme gegeben.

 Den nächsten Sonderstempel, den wir gerne umsetzen wollen, ist…

Darüber haben wir uns aktuell noch keine Gedanken gemacht. Wir müssen ja auch feststellen, dass es immer weniger der traditionellen Briefmarken gibt. Sie werden, wenn sie herausgegeben werden, auch nicht mehr am Postschalter verkauft bzw. sind dort nicht einmal mehr verfügbar. Das erinnert uns ein wenig an die Zeit in der DDR, wo Sondermarken auch nicht ausreichend verfügbar waren. Wir ärgern uns darüber, aber wir können es nicht ändern. Heute sammeln viele die neuen Briefmarken nicht mehr, weil man sie nicht mehr bekommt.

Über schlichte Postwertzeichen ohne Motiv und ohne Farbe denke ich…

… negativ. Briefmarkten sollten auch etwas für das Auge sein. Die Labels sind aus meiner Sicht keine Alternative.

Zu dem Spruch „Komm ich zeige Dir meine Briefmarkensammlung“… fällt mir ein, dass…

… das auch früher nicht geklappt hat, wenn man ein Mädchen begeistern wolle (lacht). Meine Frau sagt immer: Wenn mein Mann heute zu einer Frau sagen würde „Ich zeige Dir meine Briefmarkensammlung“, dann macht er das wirklich…

 Wenn es keine traditionellen Briefmarken mehr gibt, dann…

… ist das sehr schade, aber es ist bereits heute in einigen Ländern der Welt Realität.

 Mein Lebensmotto ist…

… das Positive im Leben immer fest im Blick zu haben

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

… zu schnelles Fahren vor vielen Jahren, als ich eine Briefmarke gekauft hatte, die beim Zollamt in Emden auf dem Weg zu mir aufgehalten wurde. Immerhin musste ich beim Zoll keine Gebühr zahlen, aber der Blitzer in Neermoor war teuer.

 Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

Ich habe, so glaube ich, lange nicht mehr gelogen.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… die Politik, zum Beispiel über Aussiedler, die von Putin und seiner Politik schwärmen. Das finde ich schlimm.

Ich kann mich so richtig freuen, wenn…

… ich für meine Sammlung eine alte Marken finde, mit der ich nicht gerechnet habe.

 Mein größter Fehler ist, dass …

… ich manches Mal zu ungeduldig bin.

Wenn ich einen Tag lang ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne…

Das will ich nicht. Ich habe mich doch so an mich gewönnt (lacht).

 Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir, dass …

… wir besseres Wetter mit Sonnenschein haben, ein großes Haus mit Innenpool und stets beste Gesundheit.

Oswald Janssen sammelt Briefmarken seit seiner Kindheit und ist seit über 30 Jahren Vorsitzender der Briefmarkenfreude Leer.

Foto: Privat

Holger Hartwig„Labels statt Briefmarken? Nein, Briefmarken sollten etwas für das Auge sein“