Mieterbund-Chefin: “Ich bin froh, dass wir in Leer keinen Mietspiegel haben“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Anja Wurps, Vorsitzende des Deutschen Mieterbund Leer e.V.

 LEER Seit über 27 Jahren steht ihr Name für das Engagement für Mieter in der Stadt und im Landkreis Leer: Anja Wurps. Zunächst war die 61-jährige Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle in der Edzardstraße, seit 2021 ist sie nun Vorsitzende des Deutschen Mieterbund Leer e.V. und kümmert sich um die Anliegen der heute mehr als 870 Mitglieder – Tendenz steigend. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht die Leeranerin über ihre vielen Jahre aktiver Arbeit für den Verein, die Qualität der Beratungen und einen kuriosen Fall. Zudem streicht sie heraus, warum sie froh ist, dass es für Leer keinen Mietpreisspiegel gibt, und was sie sich für den Wohnungsmarkt in der Ledastadt wünscht.

 Vorsitzende des Mieterbundes in Leer zu sein, ist für mich…

… eine Aufgabe, die ich sehr gerne übernommen habe. Ich bin in dem Verein seit über 20 Jahren sehr verwurzelt und als altersbedingt ein Wechsel des Vorsitzenden anstand, wurde ich „ausgeguckt“. Mir lag es am Herzen, dass unser Verein weiter besteht. Einer musst es ja machen und da ich viel Erfahrung gesammelt hatte, und ein tolles Team an der Seite, habe ich es mir zugetraut. Wichtig ist ja zu wissen, dass wir ein reiner Serviceverein sind und kein klassisches Vereinsleben haben. Wer zu uns kommt, hat als Mitglied ein konkretes Anliegen und sucht Hilfe. Dementsprechend ist auch nicht soviel Interesse an der Arbeit des Vorstandes und die Zahl der Teilnehmer bei Mitgliederversammlungen ist überschaubar. Das ist für mich auch völlig ok, solange die Mitglieder wissen, wann wir ihnen helfen. Die steigende Mitgliederzahl zeigt, dass unsere Arbeit gut ankommt.

Unsere Rechtsberatung ist …

… die Hauptaktivität unseres Vereins. Die Nachfrage nimmt seit Jahren zu. Alle Alter- und Berufsgruppen suchen bei uns Rat und wollen eine Einschätzung zu ihrer Frage rund um das Mietverhältnis haben. Unsere Rechtsberater sind ausgebildete Juristen, die viel Erfahrung haben. Unser Hauptziel ist es, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, denn das hilft in Miteinander von Vermieter und Mieter kurz- bzw. langfristig nicht wirklich weiter. Miteinander zu reden ist der bessere Weg. Manchmal sagen wir nach Beurteilung der Umstände aber auch deutlich: Es ist wohl besser, sich eine andere Wohnung zu suchen.

Unser kuriosester Fall in den vergangenen Jahren war, als …

… eine Frau zu uns kam und sagte, dass sie in ihrer Wohnung beobachtet werden würde. Sie würde über Löcher in der Decke ausspioniert. Für uns besteht dann immer die Herausforderung, dass wir ja nicht – so naheliegend es manchmal sein mag – sagen können, dass das wohl nicht so sein wird und den Gang zum Psychiater anzutreten wohl besser wäre. Es gibt ja heute nichts, was nicht denkbar ist. Als in diesem Fall dann noch von der Frau berichtet wurde, dass versucht wurde, im Urlaub im Ausland den Lebensgefährten zu vergiften, und dieser Anschlag eigentlich ihr gelten sollte, wussten wir schon, wie wir dran sind. Letztendlich kristallisierte sich in dieser Angelegenheit heraus, dass es sich ursächlich wohl um Erbschaftsstreitigkeiten handelte. Es ist dann gut, dass unsere Rechtsberater spezielle Schulungen machen, damit sie auch mit solchen Situationen gut umzugehen wissen. 

So richtig ärgern kann ich mich über Vermieter, die….

… einfach ignorant sind und keine Rückmeldung auf einen Gesprächsversuch oder Vorschlag für eine gemeinsame, einvernehmliche Lösung kommt.

Unsere Geschäftsstelle in der Edzardstraße ist…

… super. Sie ist unser Anlaufpunkt und optimal von der Lage her, weil sie nicht so im Blickfeld Stichwort Anonymität – mitten in der Stadt liegt, aber trotzdem gut erreichbar ist.

Wer bei uns Mitglied werden will, der…

… muss vorbeikommen oder über das Internet einen Antrag ausfüllen. Die Mitgliedschaft kostet aktuell 84 Euro im Jahr inklusiver unserer Mietrechtsschutzversicherung

 Der beste Vermieter ist aus meiner Sicht, der …

…  der gesprächs- und kompromissbereit ist, wenn der Mieter eine andere Sicht der Dinge hat.

 Ein Mietpreisspiegel für Leer würde für unsere Arbeit…

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir keinen haben. Das muss ich erklären: Wir haben dadurch bei Mieterhöhungsverlangen mehr Spielraum, eine Lösung zu finden, mit der Vermieter und Mieter leben können. Es geht ja manchmal auch darum, dass das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter richtig gut und entspannt ist, aber der Mieter die Erhöhung nicht bezahlen könnte, Wir können dann offen reden und haben beidseitig mehr Spielraum.

Wenn ich an die Wohnungssituation in Leer denke, dann…

… könnte sie besser sein. Was wird gebraucht? Diese Frage stellt sich für uns mit dem Schwerpunkt, was auch durch den sog. „Durchschnittsbürger“ bezahlt werden kann. Wir brauchen in Leer langfristig sicherlich mehr optimalen Wohnraum etwas mehr Flexibilität bei den Wohnungsgrößen, ich stelle mir die Umsetzung z.B. durch leicht versetzbare Wände vor. Und natürlich braucht es mit Blick auf die demografischen Veränderungen mehr barrierearme Wohnungen und Singlewohnungen.

Wenn ich mit Blick auf das Wohnen eine Regelung abschaffen könnte, dann…

… wäre es, jetzt so spontan, dass die Grundsteuer aus der Betriebskostenverordnung genommen wird und nicht mehr umlagefähig ist. Es gibt insgesamt zwischenzeitlich viel zu viele Gesetze und Regeln, die manchmal nicht berücksichtigen, dass es auch einen gesunden Menschenverstand gibt und nicht alles in einem Gesetz stehen muss, was auch zudem die Kommunikation zwischen den Mietparteien und das Zusammenleben, sowohl generell, als auch zwischen Mietern beeinträchtigen.

Mein Lebensmotto ist…

… lebe jetzt und schaue nicht zu viel zurück oder in die Zukunft. Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, dann antworte ich gerne: Luft nach oben ist immer (lacht).

Meinen letzten Strafzettel habe ich kassiert für…

 … das Fehlen der Umweltplakette am Auto vor vielen Jahren in der Bremer Innenstadt.

 Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich flunker sicherlich manchmal etwas…

Ich kann mich so richtig aufregen über…

Das passiert mir nicht mehr wie früher, weil ich es nicht mehr zulasse. Obwohl: Aktive Teilnehmer im Straßenverkehr, die mit ihrem Mobiltelefon in der Hand beschäftigt sind oder über Lautsprecher telefonieren, stören mich.

Ich kann mich so richtig freuen, wenn…

… Kleinigkeiten, beispielsweise auch die Begegnung mit lieben Menschen.

 Mein größter Fehler ist, dass …

… manches Mal nicht Nein zu sagen und sicherlich auch etwas zu direkt und spontan zu sein.

Mein schönster Urlaub war…

… der letzte. Wir waren in September eine Woche in Spanien bei unserer Verwandtschaft.

Wenn ich einen Tag lang ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne…

Ich möchte mit niemandem tauschen.

 Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir…

… Gesundheit, Zufriedenheit und dass der Blick in die Zukunft für die Menschen wieder positiver wird und wieder mehr das Gute und die Chancen gesehen werden.

Anja Wurps ist 27 Jahren für den Deutschen Mieterbund in Leer aktiv. Seit 2021 ist die die Vorsitzende. Foto: Privat

Holger HartwigMieterbund-Chefin: “Ich bin froh, dass wir in Leer keinen Mietspiegel haben“