Erst stand die Zukunft der Meyer Werft auf der Kippe. Jetzt droht das Aus des „elektrifizierten“ VW-Werks Emden. Zunehmend mehr mittelständische Unternehmen aus der Region senden ebenfalls erste Krisensignale. Auf den Punkt gebracht: Aktuell leben die Menschen in der Region noch im „Made in Germany“-Land. Das „Made in Marode“-Land ist (noch) weit weg, auch wenn alle volkswirtschaftlichen Signale spürbar Richtung Rezession gehen. Und was machen in dieser Phase die Stadt und der Landkreis Leer? Sie vertrauen darauf, dass die Ansiedlung von Tennet – milliardenschwerer Akteur im Betrieb von Höchstspannungsnetzen – neue Kräfte freisetzt. Das Ziel: Eine Entwicklungsstrategie für das Industrie- und Gewerbegebiet Leer-Nord. Bis Sommer 2025 soll klar werden, wie es gelingen kann, für Firmen beste Investitionsvoraussetzungen zu schaffen – mit einen „Zick-Zack“-Landrat Groote als Geschäftsführer.
Ein erster Schritt für das Schaffen neuer Arbeitsplatz- und Steuereinnahme-Perspektiven ist bereits beschlossene Sache: 1,8 Mio. Euro – jeweils in Drittel von der Stadt, dem Kreis und der Gewerbegebiet GmbH – werden für ein komplexes Planfeststellungsverfahren ausgegeben. Dieses Verfahren – beauftragt wurde das Büro Bröggelhoff, das auch ein Büro am Leeraner Hafen hat – soll die Voraussetzungen schaffen, damit der EmsPort – der Anlieger für Schiffe an der Ems – ertüchtigt werden kann, das vorhandene Gleisnetz bis an den Fluss verlängert werden kann. Ein Deichschart, der eine einfachere Zufahrt zum Anleger schafft, ist eine weitere Option. Diese Investitionen machen allerdings nur Sinn, wenn das Industriegebiet „mitwächst“. Das Problem: Aktuell ist Leer-Nord nach dem Tennet-Deal „ausverkauft“. Neue Flächen müssen her. 92 Hektar (!) sind als Potenzialflächen identifiziert. Auf diesen Flächen können, sollen und müssten sich dann Firmen ansiedeln, um mit ihren Arbeitsplätzen „Made in Germany“ und Wachstum zu sichern. Interessenten gibt es bereits. Tennet lässt grüßen, denn wie immer scheint ein „Großer“ auch hier viele kleine Geschäftspartner „nachzuziehen“. Ein Standort als „Drehscheibe“ rund um regenerative Energien ist denkbar. Wer anklopft? Darüber wird – gut so – geschwiegen, bis Fakten geschaffen sind. Es sollen aber keineswegs nur – sorry für die Wortwahl – „kleine Krauter“ sein, die über Leer-Nord intensiv nachdenken.
Das „Wachsen“ des Gebietes – und hier sind sich die Stadt um Bürgermeister Horst und der Kreis mit Landrat Groote nach wohl intensiven Gesprächen einig geworden – darf sich aber nicht nur auf die Schaffung neuer Ansiedlungsflächen beziehen. Es muss eine Strategie her. Die Wirtschaftsförderabteilungen von Kreis und Stadt sollen sich an einen Tisch setzen, um auch „groß“ zu denken: Was passt an Ansiedlungen optimal zum Gebiet? Könnte vor Ort produzierte Wind- oder Photovoltaik-Energie das Gebiet pushen? Wie lassen sich am besten Fördermillionen, die für die großen Infrastrukturmaßnahmen unabdinglich sind, „abgreifen“? Wie kann ein Betriebsmodell des ertüchtigten EmsPort aussehen? Wie lassen sich Einnahmen erzielen, um das Gebiet dauerhaft wirtschaftlich zu betreiben“? Und nicht zuletzt auch die Frage: Braucht es – wie in anderen Gebieten dieser Größe durchaus üblich – eine hauptamtliche Geschäftsführung? Bis zum Sommer soll es Antworten geben. Das ist gut so, weil der jetzige Geschäftsführer in Teilzeit – der wertgeschätzte frühere und heute pensionierte Wirtschaftsförderer des Kreises, Dieter Schroer – nicht jünger wird.
Ach ja, und dann ist da noch der Zick-Zack-Groote. Erst erklärt der Landrat schriftlich und überraschend, dass er die Geschäftsführung von Leer-Nord zum 31. März 2024 abgibt. Nun der „Rückzug vom Rückzug“. Das ist auch sinnvoll. Allerdings ist es bedenklich, dass erst die Gesellschafterversammlung dem Landrat klar machen musste, dass Kontinuität bis zur Fertigstellung des Strategiepapiers gefragt ist. Hoffen wir mal, dass der Zick-Zack Landrat bei anderen Themen kein Hin- und Her-Kandidat ist. Das gilt übrigens auch bei der Frage, ob er 2026 eine dritte Amtszeit als Kreishauschef anstrebt. Eines scheint – für den Fall, dass er mit ausreichend Pensionsansprüchen und dem Wissen, dass die Zeiten nicht einfacher werden, aufhört – fest zu stehen: Eine Nachfolgesuche dürfte in den SPD-Reihen – anders als bei Leer-Nord – nicht lange dauern. Erste Wetten, dass sich der SPD-Landtagsabgeordnete Nico Bloem bereits in Position bringt, laufen hinter den Kulissen. Er scheint sich bereits warm zu laufen, Die vielen Aktivitäten – Gespräche und Gesprächsformate mit Bürgermeisterrunde – die Bloem derzeit auf Kreisebene und nicht auf Landesebene für seine Netzwerkbildung entwickelt, sollen auch dem Landrat bereits sauer aufgestoßen sein. Hauptsache es gibt kein „Zick-Zack“, sondern frühzeitig Klarheit, ob Groote als Landrat weiter macht. Denn eines ist ihm mit Sicherheit bewusst: Die guten und damit auch leichten Jahre, in denen die Wirtschaft brummte und die Steuereinnahmen hoch waren, sind erst einmal vorbei. Steigen werden perspektivisch vor allem die Sozialkosten – und damit lassen sich keine schönen Videos drehen oder Fotos machen.